Der Weltklimarat IPCC legte kürzlich in seinem neuesten Bericht fünf verschiedene Klimaszenarien, vom besten bis zum schlimmsten Fall, dar. Selbst für den beste Fall sagen die Wissenschaftler einen Temperaturanstieg im kommenden Jahrzehnt vorher: Das modellierte Best-Case-Szenario deutet darauf hin, dass die Erwärmung schon 2040 wahrscheinlich 1,5 Grad Celsius erreichen wird, selbst wenn der Atmosphäre mehr Kohlenstoff entzogen als zugeführt würde. Technologien zur Kohlenstoffentfernung sind jedoch noch nicht im erforderlichen Umfang verfügbar und könnten sogar unerwünschte Auswirkungen haben.
Risiko gestrandeter Vermögenswerte
Schon das letzte Jahrzehnt war heißer als jeder andere Zeitraum in den letzten 125.000 Jahren. Selbst wenn es der Welt gelänge, die Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, sind den Forscher:innen zufolge einige langfristige Auswirkungen der Erwärmung wohl unausweichlich und unumkehrbar, etwa der Anstieg des Meeresspiegels, das Abschmelzen des arktischen Eises sowie die Erwärmung und Versauerung der Ozeane.
Der Bericht untermauert die Risiken, aber stellt auch Chancen dar. Der Übergang zu einer Weltwirtschaft mit Netto-Null-Treibhausgasemissionen ist die entscheidende Herausforderung unserer Zeit. Zwar ist das Streben nach einem geringeren Kohlenstoffanteil in Portfolios nichts Neues. Aber erreichen die auf dem Markt existierenden Ansätze – von kohlenstoffarmen Strategien bis zu CO2-Kompensierungen (Offsets) oder der Einhaltung von EU-Benchmarks – dieses Ziel? Verringern sie das Risiko, in gestrandeten Vermögenswerten investiert zu sein; erkennen sie Chancen, die sich durch den Übergang zu einer Netto-Null-Wirtschaft ergeben; und beschleunigen sie den Übergang?
Unserer Ansicht nach nicht. Wir meinen, dass sie entweder nicht in die Zukunft blicken und nicht die Dekarbonisierungsrisiken und -chancen in der gesamten Wirtschaft identifizieren, oder dass sie nur alle Emissionsbereiche ab heute analysieren, was zu Klumpenrisiken in Portfolios führen kann. Heutige Ansätze richten die Anleger nicht auf die Wachstumschancen aus, die der Übergang mit sich bringt, sondern verzögern den Fortschritt eher, als dass sie ihn beschleunigen.
Zwar ermöglichen sinkende Technologiekosten mehr Unternehmen die Dekarbonisierung – und erhöhen das Reputationsrisiko für diejenigen, die nicht schnell genug umsteigen. Doch Anleger können sich nicht allein auf technologische Fortschritte und politische Entscheidungsträger verlassen. Sie müssen die Initiative ergreifen, indem sie die Dekarbonisierung in ihre Kapitalallokation einbeziehen. Die meisten der derzeit verfügbaren Ansätze für Anleger greifen allerdings zu kurz.
Vielversprechende Vorreiter
Viele auf niedrige Emissionen setzende Anlagestrategien verringern die Diversifizierung, erhöhen das Klumpenrisiko und verkennen, dass gerade in Sektoren mit höheren Emissionen einige der vielversprechendsten Vorreiter des Wandels zu finden sind. CO2-Ausgleichsmechanismen treiben weder die Dekarbonisierung in Unternehmen voran, noch reduzieren sie Übergangsrisiken, geschweige denn bieten sie einen tragfähigen Weg für die Dekarbonisierung der Wirtschaft insgesamt.
Vor allem aber verlassen sich die meisten Anleger nach wie vor auf rückwärts gerichtete Metriken, die sich nur auf die Emissionen eines Unternehmens heute oder in der Vergangenheit konzentrieren. Solche Kennzahlen geben zwar Aufschluss über die Wesentlichkeit der heutigen CO2-Emissionen, sagen aber wenig über Umstellungsstrategie oder Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens aus.
Um die Wirtschaft zu dekarbonisieren und zugleich das Anlagerisiko zu senken, sind fortschrittlichere, zukunftsorientierte Ansätze erforderlich, die realen Emissionsreduktionen in der Wirtschaft Vorrang einräumen.
CO2-Expertise: Eine Investmentchance für die Zukunft
Dafür ist es wichtig, die kohlenstoffintensiven Branchen, die am relevantesten für das Klima sind, nicht einfach zu ignorieren, da sie häufig wichtige Standbeine unserer Wirtschaft sind. Landwirtschaft, Zement, Stahl, Chemie, Energie, Werkstoffe, Bau und Transport verursachen zwar hohe Emissionen, bleiben aber auch in einer kohlenstoffarmen Wirtschaft unverzichtbar.
Anstatt sie zu meiden, könnten wir diese Unternehmen in zwei Kategorien einteilen: „Brennende Holzscheite“ sind solche, die keine oder unzureichende Massnahmen zur Emissionssenkung ergreifen. Im Gegensatz dazu führen „Eiswürfel“ glaubwürdige Übergangsstrategien ein: Indem sie Lösungen für stark emittierende Branchen anbieten, tragen sie zu niedrigeren Emissionen und zur Beruhigung der Wirtschaft bei.
Anleger müssen sich der Risiken dieses Übergangs zu einer Netto-Null-Wirtschaft bewusst sein – aber auch der damit verbundenen Billionen-Dollar-Chancen. Unternehmen, die nicht ausreichend auf den bevorstehenden Übergang vorbereitet sind, werden mit wachsenden Risiken konfrontiert und womöglich wertlos. Jedoch werden diejenigen, die sich auf einem tragfähigen Weg zur Klimaneutralität befinden, von wirtschaftlichen Chancen, Bewertungsaufschlägen sowie möglicherweise auch von besseren Konditionen beim Zugang zu Finanzierungen profitieren.