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Gesundheit & E-Health

Standpunkte America First – und was kommt danach?

Axel Pries ist Präsident des World Health Summit
Axel Pries ist Präsident des World Health Summit Foto: WHS

Mit dem Rückzug der USA aus der WHO und damit auch aus zentralen Gesundheitsprogrammen entsteht ein Vakuum. Deutschland könne diese Lücke füllen und sich als Vorreiter positionieren, meint der Präsident des World Health Summit, Axel Pries. Schließlich sei unsere Gesundheitsindustrie forschungsbasiert, innovativ und international anerkannt.

von Axel Pries

veröffentlicht am 24.03.2025

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Die Welt steht an einem Wendepunkt: Die USA haben sich aus der WHO zurückgezogen und zentrale Gesundheitsprogramme eingestellt. Das erschüttert nicht nur die Grundfesten internationaler Zusammenarbeit und das Vertrauen in etablierte Systeme, sondern gefährdet Millionen Menschenleben. Programme gegen Infektionskrankheiten, zur Frauengesundheit oder mentalen Gesundheit stehen vor dem Aus. Besonders betroffen sind Regionen mit ohnehin schwacher Gesundheitsversorgung: Hier drohen immense humanitäre und wirtschaftliche Schäden. Doch diese Krise birgt auch eine Chance für Europa und Deutschland.

Die Covid-19-Pandemie hat gezeigt, wie eng globale Gesundheit mit Wirtschaft und Stabilität verknüpft ist. Allein in Deutschland verursachte die Pandemie zwischen 2020 und 2023 Kosten von geschätzt 440 Milliarden Euro. Neben diesem finanziellen Schaden verloren viele Menschen Vertrauen in Wissenschaft und Politik. Die Lehre daraus ist klar: Investitionen in Gesundheit sind keine Ausgaben, sondern kluge Vorsorge.

Prävention ist günstiger als Reparatur. Das gilt nicht nur für Infektionswellen, sondern auch für leise Pandemien wie Übergewicht, Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Wer hier spart, zahlt am Ende drauf – wirtschaftlich und gesellschaftlich.

Deutschland hat eine Chance und Verantwortung

Mit dem Rückzug der USA entsteht ein Vakuum. Deutschland kann diese Lücke füllen und sich als Vorreiter positionieren. Unsere Gesundheitsindustrie ist forschungsbasiert, innovativ und international anerkannt – von Medizintechnik über Biotechnologie bis hin zur pharmazeutischen Forschung – deutsche Unternehmen sind führend in der Entwicklung neuer Therapien, Diagnostika und digitaler Gesundheitslösungen. Diese Stärken sind von zentraler Bedeutung für internationale Gesundheitsprojekte und schaffen Zugang zu neuen Märkten. Hier liegt ein enormes wirtschaftliches Potenzial, insbesondere für den Mittelstand.

Wirtschaftliche und politische Motive sollten offen kommuniziert werden. Gutes tun und wirtschaftlichen Nutzen daraus ziehen ist legitim und entscheidend für Glaubwürdigkeit, Akzeptanz und langfristigen Erfolg. Eine nachhaltige Gesundheitsversorgung braucht tragfähige Finanzierungsmodelle, in denen wirtschaftliche Interessen und gemeinwohlorientierte Ziele Hand in Hand gehen.

Deutschland steht vor einer zentralen politischen Weichenstellung: Nutzen wir die Chance, unsere internationale Position mit innovativen Lösungen auf dynamischen Märkten zu stärken, oder ziehen wir uns in Zeiten knapper Kassen zurück und überlassen anderen Akteuren das Feld? Investitionen in globale Gesundheit – sei es durch den Aufbau effektiver Gesundheitssysteme oder die Entwicklung von Impfstoffen – sind nicht nur humanitär, sondern auch politisch und wirtschaftlich klug. Jeder investierte Euro rechnet sich vielfach.

Afrika als Global Health Partner, nicht als Empfänger

Insbesondere Afrika trägt einen hohen Anteil der globalen Krankheitslast, was sich durch den Klimawandel noch verstärken wird, und leidet besonders unter dem Wegfall der US-Unterstützung. Wie Europa ist der Kontinent politisch und geografisch äußerst vielfältig, und einzelne Staaten beider Regionen sind in geopolitischen Machtspielen oft benachteiligt. Zudem trennt Afrika und Europa kein Ozean – ihre Schicksale sind eng miteinander verknüpft. Herausforderungen wie politische Instabilität und Migration betreffen beide Seiten unmittelbar.

Doch Afrika bietet auch enorme Chancen für Zusammenarbeit. Statt Abhängigkeiten zu schaffen, sollten Partnerschaften auf Augenhöhe im Fokus stehen, die allen Seiten Vorteile bringen. Afrikanische Länder sind zunehmend offen für neue Kooperationen mit Europa. Die Covid-Pandemie hat die Grenzen europäischer Solidarität und politisch-wissenschaftlicher Weitsicht bei der gerechten Verteilung von Impfstoffen und medizinischer Ausrüstung aufgezeigt. Dennoch genießen Europa und Deutschland eine hohe Reputation; der Wunsch nach partnerschaftlichen Beziehungen auf Augenhöhe besteht. Nachhaltige Investitionen in Gesundheitsstrukturen stärken nicht nur die Region, sondern auch Deutschlands wirtschaftliche und geopolitische Interessen.

Globale Gesundheit als strategische Priorität

Der Ausstieg der USA zeigt, wie stark globale Gesundheit von einzelnen politischen Entscheidungen abhängt; wie sehr die Finanzierung globaler Gesundheit durch die USA dominiert wird. Und wie wenig nachhaltig, partnerschaftlich und diversifiziert sie ist. Deutschland muss sein Engagement für eine bessere weltweite Gesundheitsversorgung verstärken – nicht nur aus humanitären Gründen, sondern als strategisches Instrument für Wirtschaft, Sicherheit und Außenpolitik.

Globale Gesundheit ist kein Kostenfaktor, sondern eine Investition in unsere Zukunft. Es ist an der Zeit, politisch entschlossen zu handeln.

Prof. Axel Pries ist Präsident des World Health Summit.

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