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Standpunkte Cannabis ist überreguliert

Adrian Fischer, Arzt und Geschäftsführer von DEMECAN
Adrian Fischer, Arzt und Geschäftsführer von DEMECAN Foto: privat

Seit bald vier Jahren soll das „Cannabis als Medizin“-Gesetz Patient*innen den Zugang zu medizinischem Cannabis ermöglichen. Jedoch ist dieses alte pflanzliche Arzneimittel nicht hinreichend anerkannt und der Zugang für die Betroffenen oft beschwerlich. Adrian Fischer, Arzt und Mitgründer von DEMECAN, fordert darum eine Überarbeitung des Gesetzes.

von Adrian Fischer

veröffentlicht am 01.02.2021

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Es fehlt an Aufklärung, bei Ärzt*innen herrscht Skepsis, Patient*innen haben Schwierigkeiten, die Kosten einer Behandlung mit Cannabis erstattet zu bekommen. Das hat weitreichende Folgen und so manche*r schwerkranke Patient*in weicht auf den Schwarzmarkt aus. Dabei hat sich längst hierzulande eine Industrie entwickelt, die eine ausreichende Patient*innenversorgung gewährleistet, den Wirtschaftsstandort Deutschland dabei stützt und in der Lage ist, hochqualitative Arzneimittel auch in Zeiten unsicherer Lieferwege zur Verfügung zu stellen. 

Cannabis wirkt. Cannabis wird als Medizin bereits seit einigen Jahren in vielen Ländern legal und mit guten Erfolgen eingesetzt. Für viele schwer erkrankte Patient*innen erweist es sich als eine wirksame und sehr verträgliche Therapiealternative – gerade und auch dann, wenn Standardtherapien ausgeschöpft sind und/oder unzureichend wirken. Die Therapie mit medizinischem Cannabis erfolgt dabei – auch, weil es als Betäubungsmittel eingestuft ist – nach strengen Regeln und strikter Überwachung. Daher ist es erstaunlich und bedauerlich, dass nach nun bald vier Jahren intensiver Erfahrung mit medizinischem Cannabis, die Stigmatisierung in Deutschland immer noch nicht überwunden wurde. 

Interpretationsspielraum führt zu Unsicherheiten

Seit März 2017 können Patient*innen medizinisches Cannabis auf Rezept verschrieben bekommen. Voraussetzung dafür ist eine „schwerwiegende Krankheit“ und es müssen grundsätzlich anderen Behandlungsoptionen ausgeschöpft sein. Doch was zählt als schwerwiegende Krankheit? Das ist nicht definiert. Ohne konkrete Einschränkung jedoch verunsichert diese Vorgabe Ärzt*innen und gibt den Krankenkassen Spielraum für die eigene Interpretation. Das kann vom Gesetzgeber nicht gewollt sein.  Gewichtiger aber ist noch die Herausforderung, für Patient*innen überhaupt einen Arzt oder eine Ärztin zu finden, der dem Thema Cannabis offen gegenübersteht.

Zum Glück scheint sich hier die Lage zu ändern und immer mehr Mediziner*innen beschäftigen sich mit der bereits seit Jahrtausenden eingesetzten Heilpflanze und deren therapeutischen Anwendungsfeldern. Für die Patient*innen gehen die Schwierigkeiten jedoch weiter, wenn es um die Kosten der Behandlung geht. So muss für jede Behandlung bei der jeweiligen Krankenkasse die Kostenübernahme zunächst beantragt werden. Dies ist sowohl für die Patient*innen als auch für ihre behandelnden Ärzt*innen eine bürokratische Hürde. Tatsächlich werden fast 30 Prozent der Anträge auf Kostenübernahme von Krankenkassen abgelehnt. Die Begründungen sind teilweise nicht nachvollziehbar. Und schließlich sehen sich Ärzt*innen – sollten sie dennoch zum Wohle der Patient*innen verschreiben – möglichen Regressforderungen der Krankenkassen ausgesetzt.  

Als unmittelbare Folge droht das Ausweichen der Patient*innen auf den Schwarzmarkt, wo Cannabis ohne Rezept und Bürokratie billig zu bekommen ist. Aber damit liefern sich Hilfesuchenden nicht nur einem kriminellen Milieu, sondern auch unkontrollierter Qualität aus und müssen auf professionelle medizinische Betreuung verzichten. Von den gesellschaftspolitischen Problemen eines blühenden Schwarzmarktes einmal ganz abgesehen. 

Transparenz statt Bürokratie

Es ist daher höchste Zeit, medizinisches Cannabis ernst zu nehmen und es für Patient*innen wie ein normales Arzneimittel verfügbar zu machen. Die behandelnden Ärzt*innen sollten entscheiden, wann und in welchem Umfang mit medizinischem Cannabis geholfen werden kann. 

Sinnvoll wäre es deshalb, die Einschränkung, dass andere Therapieoptionen nicht verfügbar sein dürfen, aufzuheben: Wenn Patient*innen und Ärzt*innen gemeinsam entscheiden, dass ein Therapieversuch mit Cannabis die beste Option ist, dann sollte dies auch möglich sein. Das gilt auch dann, wenn durch den Einsatz von Cannabis als Begleitmedikament die Dosierung anderer, oftmals nebenwirkungsbelasteter Medikamente reduziert werden kann. 

Cannabis ist eine bewährte Heilpflanze, die viele Jahrhunderte lang eingesetzt wurde, bevor sie die letzten 50 Jahre kriminalisiert und stigmatisiert wurde und damit leider auch dem medizinischen Einsatz weitgehend entzogen wurde. Sicherlich ist es Aufgabe der Forschung – unterstützt von der wachsenden Cannabisindustrie – weitere Anwendungsfelder aufzutun, Evidenz aufzuzeigen und den Weg zu einem zugelassenen Arzneimittel zu beschreiten.  Aber der Gesetzgeber sollte die Erfahrung seit 2017 beachten und nun den gesetzlichen Rahmen so ändern, dass medizinisches Cannabis entstigmatisiert wird und Patient*innen angemessenen, unbürokratischen Zugang erhalten. 

Dr.  Adrian Fischer ist Arzt und Naturwissenschaftler, er hat sieben Jahre an Universitäten in Magdeburg und Berlin gelehrt. 2017 hat er zusammen mit dem Juristen Dr. Constantin von der Groeben und dem Ökonomen Dr. Cornelius Maurer die DEMECAN gegründet, Deutschlands einzigen unabhängigen Hersteller von medizinischem Cannabis. In seiner Rolle als Geschäftsführer koordiniert Dr. Adrian Fischer den Ausbau der Kultivierungsanlage in der Betriebsstätte Dresden. 

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