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Standpunkte Die gesundheitspolitische Perspektive der FDP

Christine Aschenberg-Dugnus
Christine Aschenberg-Dugnus Foto: FDP

Jüngst noch in Regierungsverantwortung bangt die FDP nun um den Wiedereinzug in den Bundestag. Derzeit arbeitet die Partei an ihrem gesundheitspolitischen Programm für die kommende Legislaturperiode, maßgeblich verantwortlich ist dafür die parlamentarische Geschäftsführerin Christine Aschenberg-Dugnus. Im Standpunkt skizziert sie, mit welchen Forderungen die FDP jetzt in den Wahlkampf zieht.

von Christine Aschenberg-Dugnus

veröffentlicht am 03.12.2024

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Das deutsche Gesundheitswesen ist in vielerlei Hinsicht grundlegend reformbedürftig. Der demografische Wandel, der Fachkräftemangel in der Ärzteschaft und Pflege, die schleppende Digitalisierung, Ineffizienzen und explodierenden Kosten belasten die Strukturen erheblich. Für uns Freie Demokraten steht fest: Um die Gesundheitsversorgung langfristig zu sichern und die zentralen Herausforderungen zu meistern, bedarf es mutiger Reformen, die Effizienz, Qualität und Innovation in den Mittelpunkt stellen.

Das deutsche Gesundheitswesen ist leider weiterhin durch ein enormes Ausmaß an Bürokratie geprägt. Wir leisten uns gegenüber allen Akteuren im Gesundheitswesen einen hohen Misstrauensaufwand, der weder mit Patientensicherheit noch mit Wirtschaftlichkeit zu rechtfertigen ist. Dieses Bürokratiemonster verdirbt Ärztinnen, Zahnärzten, Apothekerinnen, Pflegekräften und jedem anderen Heilberuf die Freude an der Arbeit. Das ist mit Blick auf den zunehmenden Fachkräftemangel ein unhaltbarer Zustand. Genauso drückt die Bürokratielast auch die Gesundheitswirtschaft. Deswegen muss eine umfassende Entbürokratisierung in allen Bereichen des Gesundheitswesens stattfinden.

Gleichzeitig ist es unvermeidbar, die grundversorgenden Haus- und Fachärzte von der Fessel der Budgetierung zu befreien, um den wachsenden Versorgungsbedarf in der Bevölkerung gerecht zu werden sowie den zunehmenden Ärztemangel zu kompensieren. Das ist ein entscheidender Schritt, um eine gerechte Vergütung zu ermöglichen, den Zugang zu medizinischen Leistungen zu verbessern, Wartezeiten zu reduzieren und den Arztberuf attraktiver zu machen.

Patientensteuerung durch ein Primärarztsystem

Mangelnde Koordination der Behandlungswege und Schnittstellenprobleme an den Sektorengrenzen verursachen unnötige Doppeluntersuchungen, ineffiziente Abläufe und führen zu Kosten, die vermeidbar sind. Eine bessere Steuerung der Patientenströme kann dazu beitragen, Überlastungen in Krankenhäusern und Praxen zu vermeiden, eine bessere Kontinuität der Behandlung herzustellen und Kosten zu senken.

Deswegen sollten wir ein freiwilliges Primärarztsystem einführen. Bei diesem Konzept wählen Patientinnen und Patienten einen Hausarzt oder grundversorgenden Facharzt als zentrale Anlaufstelle, der dann die weitere Behandlung koordiniert. Im Gegenzug erhalten Patienten, die sich für dieses Modell entscheiden, finanzielle Vorteile wie geringere Zuzahlungen oder Boni. Dies sorgt für eine strukturiertere Versorgung, verhindert unnötige Mehrfachuntersuchungen und reduziert die Belastung hochspezialisierter Einrichtungen, ohne die freie Arztwahl einzuschränken.

Chancen der Digitalisierung nutzen

Ein weiterer wichtiger Hebel ist die umfassende Digitalisierung des Gesundheitswesens. Auch wenn wir mit den Digitalgesetzen wichtige Schritte gegangen sind, hinkt Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern weiterhin hinterher. Die elektronische Patientenakte (ePA) muss Standard in der Versorgung werden. Dafür ist es dringend erforderlich, die technischen Voraussetzungen so weiterzuentwickeln, dass die Nutzung für Leistungserbringer und Patienten kein Ärgernis, sondern eine echte Verbesserung darstellt.

Gleichzeitig muss die Telemedizin ausgebaut und digitale Konsultationen als regulärer Bestandteil der Versorgung etabliert werden. Dies spart Zeit, entlastet Fachkräfte und verbessert den Zugang vor allem in ländlichen Regionen. Künstliche Intelligenz kann bei der Diagnose und Therapieplanung unterstützen und einen effizienten Ressourceneinsatz fördern. Deswegen muss entsprechende Forschung und Implementierung weiter gefördert werden.

Strukturen für Innovationen verbessern

Die Gesundheitswirtschaft ist in Deutschland eine Schlüsselbranche und ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, der zu Wachstum und gesellschaftlichem Wohlstand beiträgt. Während andere Wirtschaftszweige unter der Transformation der Wirtschaft ächzen, floriert gerade die Pharmaindustrie und der Innovations- und Forschungsstandort. Auch dank der in dieser Legislaturperiode verabschiedeten Nationalen Pharmastrategie und dem Medizinforschungsgesetz. Hier müssen wir jetzt am Ball bleiben und die Versprechungen einlösen, damit die Gesundheitsindustrie die Leitindustrie der deutschen Volkswirtschaft bleibt.

Nachhaltige GKV-Finanzen

2025 wird erneut ein Rekord-Defizit für die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) von knapp 46,7 Milliarden Euro erwartet. Wir können die wachsende Finanzierungslücke nicht mit immer mehr Steuer- und Beitragsgeld beheben. Schon jetzt bestehen enorme Belastungen für die Bürger und Unternehmen. Dieser Trend gefährdet die Generationengerechtigkeit der GKV und hat mit steigenden Arbeitgeberanteilen auch negative Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes. Die Einnahmen von über 300 Milliarden Euro im Jahr 2023 müssen ausreichen, um eine bedarfsgerechte Versorgung sicherzustellen.

Deswegen ist es unausweichlich, die Ausgaben stärker in den Blick zu nehmen. Wir setzen auf einen Mix aus solidarischer Finanzierung und mehr Eigenverantwortung, etwa durch den Ausbau von Bonusprogrammen. Ein weiterer wichtiger Hebel ist an dieser Stelle die Förderung von Prävention. Wenn das Gesundheitssystem seine Kapazitäten erst dann hochfährt, wenn Krankheiten bereits eingetreten sind, zeugt das von wenig Effizienz und verursacht hohe volkswirtschaftliche Kosten. Daher muss die Gesundheitsversorgung künftig noch stärker präventiv statt kurativ ausgerichtet werden.

Diese Bestandaufnahme zeigt: ein „Weiter so“ kann es in der nächsten Legislaturperiode nicht mehr geben. Die Reform des Gesundheitswesens ist kein Selbstzweck, sondern eine Investition in die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger. Wir streben ein System an, das flexibel, innovativ und nachhaltig ist. Deswegen muss es in Zukunft darum gehen, die Systemeffizienz zu verbessern, ohne dabei jemanden zurückzulassen. Die nächste Legislaturperiode bietet die Chance, diese Vision Realität werden zu lassen. Entscheidend wird sein, den Mut zu haben, alte Strukturen aufzubrechen und neue Wege zu gehen. Denn nur so kann das deutsche Gesundheitswesen auch in Zukunft ein Garant für Wohlstand und Gesundheit sein.

Christine Aschenberg-Dugnus ist die parlamentarische Geschäftsführerin der FDP.

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