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Werkstattbericht Entbürokratisierung ist für unsere Zukunftsfähigkeit entscheidend

Ulrike Huemer
Ulrike Huemer berichtet aus dem kommunalen Alltag der Stadt Linz. Foto: Lukas Beck

Ein starres bürokratisches System nach Max Weber ist nicht mehr zeitgemäß, findet Ulrike Huemer aus der Stadt Linz. Nötig ist ein neues Verwaltungsmanagement angelehnt an die Privatwirtschaft, doch das lässt sich nicht einfach erzwingen, so wie es gerade Elon Musk in den USA mit Doge tut. Mitarbeitende müssen in den Veränderungsprozess miteinbezogen werden und jene progressiven Kräfte motiviert werden, ihre Wege fortzusetzen.

von Ulrike Huemer

veröffentlicht am 16.04.2025

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Bürokratie ist ein Begriff, der oft mit Starrheit und Ineffizienz assoziiert wird, doch ursprünglich hatte sie einen ganz anderen Zweck. Max Weber entwickelte das Bürokratiemodell als Antwort auf die Herausforderungen der Verwaltung in der modernen Gesellschaft. Sein Modell zielte darauf ab, durch klare Hierarchien, spezialisierte Rollen und festgelegte Regeln eine effiziente und vorhersehbare Verwaltung zu schaffen. Diese Struktur sollte Willkür verhindern und eine gerechte Behandlung aller Bürger gewährleisten.

In der heutigen Zeit jedoch, in der sich die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen rasant ändern und Flexibilität gefordert ist, zeigt sich, dass das starre bürokratische System oft nicht mehr zeitgemäß ist. Entbürokratisierung wird daher als notwendig erachtet, um die Wirtschaft zu beleben, die Gesellschaft zu entlasten und die Effizienz der öffentlichen Dienstleistungen zu steigern. Ein neues Verwaltungsmanagement ist als Standard zu etablieren. Ich habe vor mehreren Jahren einmal den provokanten Titel „Verwaltungsmodel 5.0 – ein Mix aus Max Weber und Elon Musk“ gewählt, mittlerweile würde ich Elon Musk, den Herren mit der Kettensäge nicht mehr als Best Practice für Modernisierung heranziehen. Auch die Doge-Debatte verfolge ich sehr intensiv.

In Österreich wird das Thema der Entbürokratisierung – in vielerlei Hinsicht zu Recht – erneut in den Vordergrund gerückt. Allerdings selten ohne den Hinweis, dass Entbürokratisierung auch seine Zeit benötigt und ein gesamter Reformprozess sein muss. Seit vielen Jahren ist es ein populäres Thema, das in politischen Diskussionen immer wieder auftaucht und Doge befeuert es auf eine gewisse Art und Weise zusätzlich. Oft bleibt es aktuell noch bei vagen Ankündigungen, ohne dass konkrete Maßnahmen oder detaillierte Pläne präsentiert werden. Meiner Einschätzung nach liegt das daran, dass es leicht ist die Forderung aufzustellen, aber für die Umsetzung sowohl Kompetenz als auch Ressourcen fehlen. Mit der Kettensäge durchzugehen, erscheint manchen auf den ersten Blick durchaus attraktiv, aber hier wird übersehen, dass auch im öffentlichen Sektor Menschen durchaus engagiert arbeiten und auch diese verdienen einen respektvollen Umgang im Change. Das vermisse ich bei Elon Musk völlig. Empathie und Respekt dürften in seiner Persönlichkeit nicht wirklich ausgeprägt sein.

Umsetzung scheitert aus verschiedenen Gründen

Zurück nach Österreich: In jenen Phasen, in denen es gelang, Reformkommissionen einzurichten, wurde viel wertvolles Papier von vielen klugen Köpfen produziert, aber die Umsetzung scheitert immer wieder an Partikularinteressen, an der doch vorliegenden Komplexität und der Robustheit diverser Einrichtungen bzw. Organisationen. Dies führt zu einer allgemeinen Frustration auch innerhalb der öffentlichen Verwaltung, weil auch wir effizienter arbeiten wollen und die zahlreichen Mythen und Geschichten über uns demotivierend sind. Dieses Bild des Beamten mit Ärmelschonern beziehungsweise aus MA2412 (Satiresendung in Österreich über die Wiener Verwaltung) ist völlig überholt, hält sich bedauerlicherweise aber sehr stark.

In den letzten Jahren hat ein großer Change stattgefunden. In meiner Rollendefinition begreife ich etwa den Magistrat Linz als Dienstleistungsunternehmen mit 4400 Mitarbeiter:innen, die eine Vielzahl an Services für die Bevölkerung und Wirtschaft anbieten. Vor diesem Hintergrund wird entsprechend einer Unternehmensstrategie mit klaren Zielen und Projekten gearbeitet und gesteuert. Managementmethoden wie Finanzplanung, Controlling, Risikomanagement, HR-Management, Projekt- und Prozessmanagement sind Alltag und nicht mehr wegzudenken.

Diese Änderungen werden aber öffentlich kaum wahrgenommen, sondern die eingefahrenen Bilder werden prolongiert, anstatt die progressiven Kräfte zu motivieren ihre Wege fortzusetzen.

Mehr Einbindung nötig

Die Träger der Verwaltungsmodernisierung werden kaum eingebunden und deren Know-how abgeholt. Dabei ist es entscheidend, dass bei der Umsetzung von Entbürokratisierungsmaßnahmen die Expertise nicht nur berücksichtigt, sondern aktiv eingebunden wird. Die Menschen, die tagtäglich in diesen Strukturen arbeiten, verfügen über wertvolle Einblicke und praktisches Wissen, das für eine erfolgreiche Reform unerlässlich ist. Eine tiefgreifende Veränderung kann nur gelingen, wenn neben den berechtigten Interessen der Bevölkerung und Wirtschaft die Erfahrungen und das Know How derjenigen, die das System von innen kennen, in den Reformprozess integriert werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass die geplanten Maßnahmen nicht nur theoretisch gut klingen, sondern auch in der Praxis umsetzbar und effektiv sind. In der Privatwirtschaft würde man von einem großen Change sprechen und der braucht Changemanagement und Leadership – dort ist klar, die fähigen Kräfte einzubinden und auf Leadership zu setzen – das braucht es auch in der Bürokratie.

Reform der Strukturen für Innovation

In Österreich, einem Land, das für seine gut funktionierende Verwaltung bekannt ist, zeigt sich die Notwendigkeit, bürokratische Strukturen zu überdenken. Laut einer Studie der Wirtschaftskammer Österreich verbringen Unternehmen jährlich rund 4,3 Milliarden Euro allein für die Erfüllung bürokratischer Anforderungen. Diese Zahl verdeutlicht, wie dringend eine Reform erforderlich ist, um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und die Innovationskraft zu fördern.

Ein wesentlicher Teil dieser Kosten resultiert aus der Zeit und den Ressourcen, die Unternehmen aufwenden müssen, um gesetzliche Vorgaben zu erfüllen. Dazu gehören beispielsweise die Einhaltung von Berichtspflichten, die Erfüllung von Dokumentationsanforderungen und die Durchführung von Genehmigungsverfahren. Diese Prozesse sind oft zeitaufwändig und erfordern spezialisierte Kenntnisse, was insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen eine Herausforderung darstellt.

Darüber hinaus gibt es in Österreich zahlreiche Regulierungen, die als Hemmnisse für die wirtschaftliche Dynamik wahrgenommen werden. Dazu zählen komplexe Steuerregelungen, arbeitsrechtliche Vorschriften und Umweltauflagen. Diese Regulierungen sind zwar oft notwendig, um Standards zu gewährleisten, können jedoch in ihrer Komplexität und Anzahl die Flexibilität und Innovationskraft von Unternehmen einschränken

Es soll dabei auch nicht unerwähnt bleiben, dass in Österreich in den letzten Jahrzehnten auch bereits viele bedeutende Reformschritte gelungen sind. Ein Blick auf erfolgreiche Digitalisierungsprojekte in Österreich zeigt, dass Fortschritte möglich sind. Ein herausragendes Beispiel ist Finanz Online, das es Bürgern und Unternehmen ermöglicht, Steuerangelegenheiten effizient und papierlos abzuwickeln. Dieses System hat die Verwaltung erheblich vereinfacht und die Interaktion zwischen Bürgern und Behörden modernisiert. Ferner sind die Nutzung zentraler Register und das Angebot zahlreiche Online-Verfahren erwähnenswert und Österreich wird insbesondere von Deutschland dafür beneidet.

Wandel braucht Zeit und Veränderung

Wie machen wir es jetzt aber wirklich? Entbürokratisierung ist kein Prozess, der über Nacht geschehen kann. Es erfordert eine umfassende Überarbeitung bestehender Gesetze und Verordnungen sowie einen tiefgreifenden Veränderungsprozess innerhalb der Organisationen. Es braucht eine radikale „Entrümpelung“ der gesetzlichen Grundlagen, dann können auch die Mitarbeiter:innen endlich effektiver arbeiten. „Loslassen“ ist nicht nur im privaten Leben nicht immer leicht, sondern auch in der Legistik packt man immer wieder Paragrafen hinzu als welche zu streichen. Ein besonderes Beispiel ist etwa das Finanzausgleichsgesetz.

Ferner, so lange Gesetze bestimmte Nachweise, Prüfungen, Pläne, und der gleichen vorsehen, kann nicht von einem Bediensteten einer Behörde verlangt werden, dass er einfach davon absieht. Die Anzeige für Amtsmissbrauch wäre ante portas und das kann auch nicht die Erwartungshaltung sein.

Aber es braucht nicht nur die Änderung der rechtlichen Grundlagen, sondern natürlich eine Anpassung der Kultur und Arbeitsweise in den Verwaltungen selbst. Ein neues Verwaltungsmodell bzw. Verwaltungsmanagement. Eine Offenheit für den Einsatz von Technologien, insbesondere Künstlicher Intelligenz, und unternehmerische Methoden. Dafür braucht es mutige Persönlichkeiten, die gut ausgebildet sind und deren Know-how auch von der Politik wertgeschätzt wird und Leadership vorleben und Widerstände überwinden können.

Ein solcher Wandel benötigt Know-how, Ressourcen, um Abläufe zu hinterfragen und vor allem neu aufzustellen, flexible Arbeitsrechte und keine starren Gehalts- und Vertragsstrukturen, um kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen. Es ist entscheidend, dass alle Beteiligten – von der Politik über die Verwaltung bis hin zur Wirtschaft – an einem Strang ziehen, um die notwendigen Veränderungen zu initiieren und nachhaltig umzusetzen. Die Kettensäge in seiner Respektlosigkeit gegenüber Menschen, die engagiert täglich für die Gesellschaft arbeiten brauchen wir allerdings nicht.

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