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Standpunkte Warum Kommunen jetzt auf digitale Ökosysteme setzen sollten

Amelie Mormann
Amelie Mormann, Projektkoordinatorin im Fachbereich Digitalisierung und Geoinformation bei der Stadt Gütersloh Foto: privat

Viele Kommunen suchen aktuell nach urbanen Datenplattformen. Doch strukturelle Hürden, Investitionsstau und parallele Ausschreibungen drohten, Ressourcen zu binden und Chancen zu verspielen, warnt Amelie Mormann von der Stadtverwaltung Gütersloh. Mit dem Urban Stack will sie zeigen, wie digitale Ökosysteme zu mehr Kooperation, Effizienz und digitaler Souveränität führen können.

von Amelie Mormann

veröffentlicht am 04.06.2025

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Immer mehr Kommunen entwickeln Digitalstrategien, beschäftigen sich mit Data- und IT-Governance und suchen nach geeigneten urbanen Datenplattformen. Dieser Bedarf ist unbestritten. Doch vielerorts stoßen diese Ambitionen auf strukturelle Hürden. In den meisten Städten sind die IT-Landschaften historisch gewachsen und geprägt von einem Geflecht aus Lizenzverträgen und technischen Abhängigkeiten.

Gleichzeitig besteht ein massiver Investitionsstau. Über Jahrzehnte fehlten Mittel, um die digitale Basis zu modernisieren oder flächendeckend aufzubauen. Dabei geht es nicht nur um Datenplattformen, sondern um die grundlegende digitale Handlungsfähigkeit der Kommunen. Ohne belastbare Dateninfrastrukturen werden die Transformationsaufgaben – wie Klimaanpassung, Mobilitätswende, Anforderungen an digitale Services, Transparenz und Bürgerbeteiligung – nicht umsetzbar sein. Daher ist der Zeitpunkt, an dem Kommunen sich jetzt mit urbanen Datenplattformen beschäftigen, besonders kritisch. Es braucht Plattformen, die flexibel und anpassungsfähig sind – und die als digitale Ökosysteme von Anfang an interkommunale Zusammenarbeit ermöglichen.

Parallele Systeme statt kooperativer Infrastrukturen

Unter diesem Druck schreiben viele Kommunen derzeit urbane Datenplattformen aus. Dabei ähneln sich die Anforderungen und Systeme stark. Es entsteht ein paradoxes Bild: Eine Infrastruktur, die für interkommunale Zusammenarbeit prädestiniert wäre, wird isoliert aufgebaut und in parallelen Systemlandschaften reproduziert.

Dabei wären gerade in diesem Feld Kooperation und Teilung naheliegend. Viele Anforderungen sind überall ähnlich: Datenmanagement, Visualisierung, Analysewerkzeuge oder Schnittstellen zu Fachverfahren könnten gemeinsam entwickelt und betrieben werden. Stattdessen entstehen Insellösungen, die langfristig hohe Pflegekosten und zusätzliche Folgeprobleme verursachen: fehlende Portabilität von Daten, Lock-in-Effekte, schwierige Migration bei Systemwechseln. Langfristig wird das für viele Kommunen sogar teurer als ein kooperativer Ansatz.

Häufig fehlt zudem eine abgestimmte IT-Governance. Wer ist in der Stadt verantwortlich für Datenstrategien, für Betrieb und Weiterentwicklung von bestehenden Systemen? Ohne klare Modelle für Zusammenarbeit und Wartung drohen Projekte im Alltagsgeschäft steckenzubleiben.

Ohne Kulturwandel bleibt Digitalisierung Stückwerk

Technische Lösungen reichen nicht aus. Digitalisierung in der Verwaltung ist immer auch ein kultureller Wandel. In zahlreichen Verwaltungen befinden sich das Datenmanagement und digitale Kompetenzen noch in einem frühen Entwicklungsstadium. Die Pandemie hat gezeigt, wie schnell Menschen im digitalen Wandel abgehängt werden können. Bei Daten gilt das umso mehr. In vielen Kommunen müssen Daten zunächst erschlossen und strukturiert werden, bevor datenbasierte Anwendungen entstehen können.

Doch auch organisatorisch braucht es Veränderung: Wer digitale Services einführen will, muss Prozesse, Rollen und Zuständigkeiten neu denken. Klassisch hierarchische Strukturen behindern agile Entwicklungen.

Darum braucht es prozessorientiertes Arbeiten, interdisziplinäre Teams und Lernkulturen, die Innovation ermöglichen. Verwaltungsmodernisierung ist hier keine rein technische Frage. Es geht um ein neues Verständnis von Zusammenarbeit und Beteiligung. Gerade in einer Verwaltungskultur, die stark von Fachämtern und starren Zuständigkeiten geprägt ist, müssen solche neuen Formen aktiv gefördert werden – auch mit Wirtschaft und Bürgerinnen und Bürgern zusammen.

Zugleich müssen die Endnutzenden konsequent mitgedacht werden – Verwaltungsmitarbeitende ebenso wie Bürgerinnen und Bürger. Nur wenn digitale Angebote niedrigschwellig und nutzerzentriert sind, schaffen sie Akzeptanz und Vertrauen.

Urban Stack: Ein digitales Ökosystem, das gemeinsam wächst

Aus diesen Überlegungen heraus ist der Urban Stack entstanden. Die Idee: eine gemeinschaftlich nutzbare Infrastruktur, die als Service angeboten wird und cloudbasiert aufgebaut ist.

Der Urban Stack ist kein fertiges Produkt, sondern ein offenes, dynamisches digitales Ökosystem. Er reicht von Datenvisualisierung und Schnittstellenmanagement bis hin zum interkommunalen Marktplatz „City Tools“, über den sich Anwendungen wie das Masterportal integrieren lassen. Dadurch können bestehende Lösungen aus anderen Kommunen übernommen oder gemeinsam entwickelte Anwendungen bereitgestellt werden.

Besonders wichtig: Der Urban Stack ist use case-agnostisch konzipiert. Er bildet keine rein themenspezifische Plattform, sondern eine generische, modulare Grundlage, auf der unterschiedlichste kommunale Anwendungsfälle flexibel aufgebaut und erweitert werden können – von Mobilität über Umwelt- und Klimadaten bis hin zu sozialen Themen oder Verwaltungsservices.

Von Anfang an steht Kooperation im Mittelpunkt: Der Code ist Open Source, Daten können geteilt, Informationen ausgetauscht und Wissen vernetzt werden. Im Zentrum all dessen steht das Leitmotiv: von Kommunen für Kommunen. Das System entwickelt sich dabei kontinuierlich als ein großes, integriertes Ganzes weiter.

Ein zentrales Element ist die Community. Der Urban Stack lebt davon, dass kommunale Akteurinnen und Akteure Erfahrungen und Impulse austauschen. Das Ökosystem versteht sich daher als soziales System, das nur im Austausch mit den Nutzenden weiterentwickelt werden kann.

Dabei profitieren insbesondere kleinere und mittlere Kommunen: Sie erhalten Zugang zu einer Infrastruktur und können gleichzeitig ihre eigenen Bedarfe und Erfahrungen in die Weiterentwicklung einbringen. Governance ist dabei mitgedacht: Es geht um mehr als technischen Betrieb. Es geht um Strukturen, die gemeinsames Lernen und kontinuierliche Entwicklung ermöglichen.

Jetzt den Weg zu digitalen Ökosystemen einschlagen

Gerade angesichts knapper Ressourcen und wachsender Anforderungen bietet der Urban Stack einen pragmatischen und zugleich zukunftsfähigen Ansatz, um Digitalisierung nachhaltig und kooperativ zu gestalten. Die Grundlagen dafür sind vorhanden. Jetzt ist der Moment, sie gemeinsam mit Ihnen weiterzuentwickeln.

Amelie Mormann arbeitet als Projektkoordinatorin im Fachbereich Digitalisierung und Geoinformation bei der Stadt Gütersloh. Dort unterstützt sie den Aufbau des Smart City Ökosystems Urban Stack. Ihr Projekt stellt sie am Donnerstag auf dem Creative Bureaucracy Festival in Berlin vor.

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