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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Biosprit: Teil des Problems, nicht der Lösung

 Dorothee Saar, Bereichsleiterin Verkehr und Luftreinhaltung Deutsche Umwelthilfe
Dorothee Saar, Bereichsleiterin Verkehr und Luftreinhaltung Deutsche Umwelthilfe Foto: DUH

Die fatalen Auswirkungen der Nutzung von Soja- und Palmöl im Tank auf tropische Wälder hatte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kürzlich in einer Studie illustriert, die vom Biokraftstoffverband und seinem Geschäftsführer Elmar Baumann kritisiert wurde. Das bietet Gelegenheit, den erforderlichen Ausstieg aus Biokraftstoffen noch einmal genauer zu erläutern. Denn Biosprit vom Acker ist keine Lösung, sondern ein großes Problem.

von Dorothee Saar

veröffentlicht am 26.03.2020

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Beim Klimaschutz steht der Verkehrssektor enorm unter Druck, denn die Emissionen sind seit 30 Jahren unverändert. Der Einsatz von angeblich emissionsarmem Biosprit wird von der Branche mehr denn je als Rettungsanker gepriesen. Aber die offiziellen Zahlen verschleiern, dass Biosprit in Wahrheit desaströse Klima- und Umweltschäden verursacht. Der Forderung der DUH, aus der Nutzung von angebauten Kraftstoffen auszusteigen, kann der Vertreter der größten Biokraftstoffproduzenten Europas wohl naturgemäß nicht folgen. 

Herr Baumann hat Recht: Der Raubbau an tropischen Wäldern schreitet voran und damit der Verlust wertvoller Lebensräume und der Ausstoß enorm hoher CO2-Emissionen. Denn der weltweite Bedarf an Agrarflächen wächst immer weiter. Und zwar auch deshalb, weil wir gigantische Flächen dazu nutzen, vermeintlich klimafreundlichen Biodiesel aus Ölpflanzen zu produzieren, damit Europa sich seine Treibhausgasstatistiken schönrechnen kann. 

In der EU gelten Nachhaltigkeitsstandards für Biokraftstoffe, die verhindern sollen, dass für ihre Produktion Wälder gerodet werden. Aber das hat die Entwaldung bisher nicht gestoppt. Das Problem der indirekten Landnutzungsänderung (iLUC) verbleibt: Da in Südostasien und Südamerika riesige Flächen, auf denen Nahrungsmittel angebaut werden könnten, zur Produktion von Biosprit dienen, müssen an anderer Stelle neue Nutzflächen geschaffen werden – und das geschieht oftmals auf Kosten von tropischen Wäldern. 

Biodiesel klimaschädlicher als fossiler Diesel

Herr Baumann bemüht sich nach Kräften, das Thema iLUC als offene Kontroverse darzustellen. Natürlich sind iLUC-Emissionen nicht exakt bestimmbar und variieren je nach Pflanzenart – aber daraus abzuleiten, dass iLUC keine Rolle spielt, ist absurd. Die EU hat 2015 auf Basis umfänglicher Studien einen Rechtsakt erlassen, um das iLUC-Problem einzudämmen. Wir verwenden offizielle EU-Daten, um das Ausmaß der Entwaldung und der zusätzlichen Emissionen in Folge der Biokraftstoffnutzung darzustellen. Selbst wenn man nur den optimistischen mittleren iLUC-Wert der EU für Ölpflanzen zugrunde legt, ist Biodiesel auf Basis von Palm- und Sojaöl klimaschädlicher als fossiler Diesel (dasselbe gilt im Übrigen auch für Rapsöl). 

Biokraftstoffe verbessern die Klimabilanz des Verkehrs nur auf dem Papier. Denn in den offiziellen Statistiken werden die oben erläuterten iLUC-Emissionen nicht eingerechnet, sondern einfach unter den Teppich gekehrt. So ergibt sich auf dem Papier eine schöne CO2-Reduktion, während in der Realität hohe Mehremissionen entstehen. Das nützt dem Klima gar nichts.

Die EU hat zwar mittlerweile beschlossen, die Förderung von Palmöl für Diesel bis 2030 zu beenden. Jedoch verbleiben einige Schlupflöcher, und 2021 wird der Phase-Out von Palmöldiesel überprüft und könnte revidiert werden. In einem der Szenarien unserer Studie gehen wir daher davon aus, dass der Palmöldiesel-Konsum der EU bis 2030 konstant bleiben könnte. Die Folgen für Tropenwälder und Klima wären verheerend – Herr Baumann spricht treffend von einem „Horrorszenario“.

Wenn die Fakten unbequem sind, wird gerne auf andere Baustellen verwiesen, etwa auf Abnehmer, die Palmöl und Soja auch aus nicht zertifiziertem Anbau verwenden. Dieses Problem greift die DUH regelmäßig auf und fordert hier seit Jahren Nachbesserungen. Fehler an anderer Stelle ändern aber nichts daran, dass in Europa mehr als die Hälfte des importierten Palmöls unter dem Deckmantel des Klimaschutzes auf den Straßen verfeuert wird. Sind wir nicht umso dringlicher verpflichtet, unseren Teil zur Verringerung der Nachfrage beizutragen, indem wir im Verkehr endlich auf verfügbare, wirklich klimaschonende Alternativen umsteigen?

Geschenk an die Automobilindustrie

Die Beimischung von Biokraftstoffen hat ihren Ursprung als Geschenk an die Automobilindustrie, die damit CO2-Grenzwerte für ihre Neuwagenflotten abschwächen konnte. Die Biokraftstoffpolitik war bisher ein Klimaschutz-Verhinderungsinstrument. Das schöne Märchen vom nachhaltigen Biodiesel dient bis heute Industrie und Politik vor allem als Ablenkungsmanöver, um eine echte Verkehrswende zu verhindern. Und Staffel 2 der Saga ist mit dem Hype um Wasserstoff und E-fuels bereits gestartet – doch das ist ein anderes Kapitel. Ein „Weiter-so-mit-anderem-Kraftstoff“ zementiert umwelt- und gesundheitsschädliche Verkehrspolitik, torpediert den nötigen Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor und verhindert eine wirklich klimafreundliche strukturelle Umgestaltung von Mobilität. 

Anstatt den Bedarf an Agrarflächen in die Höhe zu treiben, müssen wir CO2-speichernde Ökosysteme wie Wälder und Moore wirksam schützen. Anstatt durch gigantische Monokulturen den Lebensraum für viele Arten immer weiter zu beschneiden, müssen wir die Biodiversität stärken. Anstatt riesige Flächen zu beanspruchen, um geringe Mengen Kraftstoff herzustellen, müssen wir auf effiziente Lösungen setzen. Die Erzeugung von Solarstrom für ein E-Auto benötigt nur ein Hundertstel der Fläche, die für die Herstellung von Biosprit nötig ist.

Auch Reststoffe sind keine skalierbare Option für Klimaschutz

Fossile Kraftstoffe durch bio-basierte zu ersetzen ist eine Sackgasse. Das gilt auch für sogenannte fortschrittliche Biokraftstoffe aus Reststoffen wie Stroh, Waldrestholz oder Altspeiseöl, das indirekt Märkte für hochproblematische Rohstoffe wie Palmöl stimulieren kann – ein weiteres Schlupfloch der EU-Beschlüsse zum Ausstieg aus Palmöl. Nachhaltig verfügbare Mengen biogener Reststoffe sind viel zu gering, als dass Reststoff-Biosprit eine skalierbare Klimaschutzoption werden könnte.

Der Einsatz von Biosprit ist keineswegs alternativlos. Es hilft im Gegenteil dem Klima, wenn Deutschland bei der anstehenden Umsetzung der europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie vollständig aus der Nutzung von Biosprit aus Anbaubiomasse aussteigt. Stattdessen müssen Maßnahmen ergriffen werden, die die Emissionen des Verkehrs tatsächlich senken. Der motorisierte Individualverkehr muss deutlich reduziert und der Umweltverbund (Fuß-, Rad- und öffentlicher Verkehr) gestärkt und ausgebaut werden. Zusammen mit der Einführung eines Tempolimits und Förderung der E-Mobilität sind das die zentralen Hebel für effektiven und effizienten Klimaschutz im Verkehr.

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