Den Zugang verspricht in Zukunft die Ariane-6-Rakete. Die Fähigkeit, eigene Trägerraketen zu starten, ermöglicht es Europa, unabhängig und flexibel Satelliten im Orbit zu platzieren. Das ist entscheidend für Navigation, Kommunikation, Cloudservices, militärische Souveränität – kurzum: auch die (Cyber)Sicherheit. Mit dem Letztflug der Ariane 5 Anfang Juli sowie der Verspätung der Ariane 6 hat Europa diesen autonomen Zugang zum Weltraum nun auf unbestimmte Zeit verloren. Und ist von Dritten abhängig. Die Gründe dafür sind hausgemacht und liegen unter anderem in den eingefahrenen und trägen europäischen Strukturen, traditionalisierten Monopolen sowie fehlender Entscheidungsfreudigkeit und Investitionsbereitschaft. Die Ariane 6 ist stark verspätet, überteuert und tritt technologisch auf der Stelle.
Alles anders – der amerikanische Weg
Staatliche Programme sind ihrer Natur nach träger und risikoaverser als die freie Wirtschaft. Dass es auch anders geht, haben die USA gezeigt: Nach Wegfall des Space Shuttles hat die Nasa ihre benötigten Dienstleistungen in Förderprogrammen öffentlich ausgeschrieben und private, wettbewerbsorientierte Unternehmen nach ihren Ideen und Lösungen gefragt. Die ausgewählten Auftragnehmer mussten dann ihre Konzepte unter Beweis stellen. Auftragnehmer mit unzureichenden Leistungen schieden aus dem Förderprogramm aus, die freigewordenen Mittel wurden an die verbleibenden Auftragnehmer weitergegeben. Das ist von entscheidender Bedeutung. Denn so werden die vielversprechendsten Unternehmen gefördert und damit die effektive und effiziente Entwicklung innovativer und global wettbewerbsfähiger Trägerraketen vorangetrieben.
Zeitenwende in der europäischen Raumfahrt einleiten
Die Art, wie Raumfahrt und Raketen in Europa entwickelt werden, muss grundsätzlich reformiert werden. Esa und EU sollten Trägerraketen nicht selbst – institutionell – entwickeln, sondern als Ankerkunden auftreten, die die Nachfrage nach Starts sicherstellen, die Entwicklung von Trägersystemen kofinanzieren und deren Dienstleistungen dann einkaufen. Die Startdienstleister müssen die Anforderungen der Esa und EU erfüllen, indem sie die Entwicklung ihrer Konzepte individuell vorantreiben und anhand von Meilensteinen deren Erfolge demonstrieren.
Kaum ein Weltraumfahrzeug ist so bekannt wie das US-amerikanische Space-Shuttle. Trotzdem hat sich die US-Regierung davon getrennt. Danach begab sie sich in eine Dekade der Abhängigkeit bei der bemannten Raumfahrt, doch nutzte die Zeit, um die Art, wie sie Raumfahrttechnologie finanziert und entwickelt, zu revolutionieren. Die Kinderwiege von SpaceX. Auch Europa muss sich schon jetzt Gedanken machen, wie die Nachfolge der Ariane 6 gestaltet werden kann. Die alten Fehler müssen dabei vermieden werden. Dafür ist Folgendes notwendig:
- Politischer Wille: Die Bereitschaft, Risiken einzugehen. Europa redet von Autonomie und strategischem Zugang zum Weltraum, aber niemand ist bereit, das Risiko einzugehen und wirklich etwas zu ändern. Dabei hat Europa viel zu gewinnen. Dafür notwendig ist der politische Wille, dies aus Deutschland federführend voranzutreiben.
- Finanzielle Unterstützung: Ja, einige Unternehmen werden trotz staatlicher Förderung scheitern, und ja, kurzfristig gesehen gehen dort Gelder verloren. Unter dem Strich jedoch, auf lange Sicht und im Vergleich zu institutionellen Entwicklungsprogrammen, würde Europa unglaublich viel Geld, Zeit und Ressourcen einsparen.
- Schaffung von Wettbewerb: Nach amerikanischem Vorbild starten mehrere Anbieter parallel mit kofinanzierten Entwicklungsprogrammen. Die Programmteilnehmer werden allein am technischen Fortschritt gemessen. Verfehlt ein Unternehmen die Meilensteine, fliegt es aus dem Programm, und die freigewordenen Mittel fließen in die verbleibenden, vielversprechenderen Unternehmen. Die Industrie muss also weiterhin mit ihrem Konzept kommerziell überzeugen und sich technologisch beweisen. Das führt zu schnellen, innovativen und nachhaltigen Lösungen, die bereits im Wettbewerb bestanden haben.
- Raumfahrt zur Chefsache machen: Strategische Relevanz auf nationaler Ebene stärken durch eine Stabsstelle Raumfahrt im Kanzleramt. Diese kann ressortübergreifend die programmatische Koordination steuern, das nationale Raumfahrtbudget bündeln und die kommende Raumfahrtstrategie umsetzen.
- Ariane-6-Nachfolge für private Anbieter öffnen: Offene und faire Ausschreibung der Ariane-6-Nachfolge durch die ESA mit klaren Anforderungen zu Nutzlastkapazität, Startzusagen, Preisziel und Kofinanzierungsmaximum. Die Auswahl der Auftragnehmer sollte nach Kriterien wie dem kommerziellen Potenzial des angebotenen Services, seiner Missionsflexibilität, der technischen Realisierbarkeit, sowie der dafür notwendigen Vorerfahrung des Anbieters getroffen werden. Die Ministerratskonferenz 2025 muss der Startschuss für dieses Programm sein, also müssen die Vorbereitungen sofort beginnen.
Über vier Milliarden Euro wird die institutionelle Entwicklung der Ariane 6 kosten. Wie viele derartige kommerzielle Förderprogramme könnte man damit aufsetzen?
Nur auf ein Pferd zu setzen war ein strategischer Fehler, dessen Folgen Europa nun spürt und der sich nicht wiederholen darf. In Zukunft müssen mehrere kommerzielle Projekte parallel gefördert werden, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Dazu muss eine grundsätzliche Bereitschaft bestehen, ausgetretene Pfade zu verlassen, Risiken einzugehen und die Industrie strategisch und finanziell zu unterstützen. Dann kann sich Europa nachhaltig seinen souveränen Zugang zum Weltraum sichern und seine globalen Interessen vertreten.