Im Jahre 2022 werden in Indien Anfang Mai Temperaturen von an die 50 Grad Celsius gemessen. Der Wetterbericht hat für die Luftqualität das Wort „Staub“ bereit. Die Klimakrise ist also mit allen Sinnen fühlbar dort und lebensgefährlich. Hier in Deutschland haben wir in Brandenburg schon im März die höchste Waldbrandstufe. Es hat viel zu wenig geregnet und das seit Jahren. Alles vertrocknet oder verbrennt. Oder wird überflutet wie im Ahrtal.
Wir wissen, dass wir die Pariser Klimaziele im Verkehr nicht erreichen werden. Der Anteil der CO2-Emissionen ist seit den 1990er-Jahren nicht gesunken. Die Anzahl der Fahrzeuge steigt, 48,5 Millionen Pkw sind es derzeit, eine Grenze nach oben gibt es nicht und ist nicht in Sicht. Die Autos werden größer und schwerer, brauchen mehr Platz und die Stimmung unter den Verkehrsteilnehmenden wird gefühlt gereizter. Durch Corona hat der Öffentliche Verkehr Fahrgäste eingebüßt, zehn Prozent nutzten ihn bis Mai dieses Jahres überhaupt noch. Die Kund:innen fühlen sich dort nicht wohl, sitzen lieber im Auto oder bleiben gleich ganz zuhause im Office. Und dann haben wir auch noch Krieg in Europa und die Oder haben wir gerade auch getötet.
Politisch nicht gewollt
Die Alternativen für eine Nachhaltige Mobilität sind alle da und bekannt. Aber auch unter einer rot-grün-gelben Bundesregierung bleibt der Verkehrssektor in den Händen der Autolobby, in Berlin soll im Osten der Stadt sogar eine Autobahn in Wohngebiete verlängert werden. Der Radwegeausbau kommt nicht nennenswert voran. Das Auto dominiert und drangsaliert alle und alles. Die Alternativen gehen unter. Und sie werden politisch nicht gewollt.
Der Kanzler will kein Tempolimit, obwohl die positiven Effekte auf der Hand liegen. Weder das Dienstwagenprivileg – von dem in der Hauptsache Männer profitieren – noch die Entfernungspauschale – das ist quasi die Anschlussprivilegierung zum Dienstwagen – oder die Dieselsubventionen werden zu Gunsten der Umwelt und aus sozialen Gründen verändert oder abgeschafft. Mobilität bleibt ein Privileg für die, die sie sich leisten können. Das Neun-Euro-Ticket hat dieses System für drei Monate auf den Kopf gestellt. Nach Lage der Dinge wird dieses einfache, barrierefreie und preiswerte Angebot nicht verlängert. Die Verkehrswende findet nicht statt. Das verantwortet maßgeblich die FDP im Gleichklang mit der CDU, die sich in vielen Positionen nicht mehr von der AfD unterscheidet.
Die Verkehrswende findet nicht nur nicht statt, sie wird auf ihrem wichtigsten Träger, der Schiene, gerade jetzt aufs Abstellgleis geschoben. Über den erbärmlichen Zustand der DB ist eigentlich alles gesagt. Aber was kann getan werden, um sie besser zu machen? Wie kann sie attraktiv werden?
Was es jetzt braucht
Zugfahren ist zu teuer. Wir haben aus dem Experiment mit dem Neun-Euro-Ticket gelernt, dass ein preiswerter Zugang zum ÖV Fahrgäste bringt. Das gleiche Prinzip für den Fernverkehr würde auch Pendler:innen und die Dienstwagenfahrer auf die Schiene locken. Ein preiswertes bundesweites Ticket von einem Euro pro Tag und es lohnt sich nicht mehr, mit dem Verbrenner über die Autobahn zu rasen. Mobilität kostet für die Mitarbeitenden von Firmen 365 Euro im Jahr. Wer wollte sich dann noch einen Fuhrpark leisten.
Angebote für die letzte Meile schaffen. Wer am Bahnhof ankommt, hat immer noch das Problem der Anschlussmobilität. Um nicht in die nächste Auto-Falle Park&Ride zu laufen, sind flexible Angebote erforderlich, die nicht von den Anbietern des ÖV stammen sollten, sondern von den entsprechenden Experten: Carsharing, Ridesharing und Ridepooling, Taxiunternehmen.
Ein Kilometer ÖV mit dem Linienbus kostet die Steuerzahlenden viele Euros und bringt dennoch keinen Transport von Tür-zu-Tür, nur von Haltestelle zu Haltestelle. Taxis sind billiger und bringen Menschen von Tür-zu-Tür. Es kann ein Anschlussangebot geben, das besser und preiswerter ist als der traditionelle ÖV. Der sich zudem gerade sein Grab tiefer gräbt durch die angekündigten Preiserhöhungen, die eine fatale Botschaft nach dem Neun-Euro-Ticket sind und durch die Nörgeleien über zu viele Fahrgäste. Kaum zu glauben: Eine Branche beschwert sich über zu viel Kundschaft.
Zuverlässigkeit steigern. Alle Verkehrswendemaßnahmen sind am Ende hoffnungslos, wenn sich die Kundschaft nicht auf sie verlassen kann. Da hilft dann neben der Fokussierung auf das Kerngeschäft, Züge auf die Schiene zu bringen, natürlich auch Geld zur Instandsetzung der Infrastruktur, auch der digitalen. Durch den Abbau von Subventionen für das Auto können Milliarden dafür bereitstehen.
Kundinnen und Kunden in den Fokus rücken
Ideen und Empathie entwickeln. Wenn es nur ein Ticket gäbe, hätte die Bahn plötzlich tausende Mitarbeitende, die sich nicht über Tarife, Rabatte oder Entschädigungen die Köpfe zerbrechen, sondern Zeit haben, Ideen für die Qualitätssteigerung des Angebots zu entwickeln. Wenn die ÖV-Unternehmen selbst auf Dienstwagen für ihre Leitungspersonen verzichten würden, hätten wir mit Sicherheit ganz schnell ein besseres Angebot für den Nah- und Fernverkehr.
Ziele durch die Politik vorgeben. Bisher wird Verkehr bestellt und bezahlt, egal ob jemand fährt oder nicht. Für eine moderne Gesellschaft und Wirtschaft brauchen wir aber Mobilität. Wenn die Politik dafür Ziele bei den Anbietern definiert, die Angebot und Qualität für die Kund:innen in den Fokus stellt, wäre ein Schritt zur Mobilitätswende getan. Bestellte Verkehre als Prinzip und die Organisation der bestellten Verkehre durch Bürokratien sind ein veraltetes und nicht modernisierbares Prinzip. Das sollte auf den Kopf gestellt werden. Wenigstens dafür müsste eine FDP doch die Bremse lösen. Wer dann noch das Privatauto fahren möchte oder mit dem Privatflieger nach Sylt, zeigt nur: Ich bin von gestern.