Die Einhaltung der Klimaziele ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Der Verkehrssektor gehört dabei zu den größten Emittenten von Treibhausgasen. Die Elektrifizierung der Mobilität ist somit ein zentraler Hebel, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Doch Entwicklungen wie das Auslaufen des Förderprogramms für „Klimaschonende Nutzfahrzeuge und Infrastruktur“ (KsNI) sowie neue Vorgaben aus Brüssel bremsen das Tempo der dringend notwendigen Transformation im Verkehrssektor.
Diese Entscheidungen haben unmittelbare Auswirkungen auf Einzelhandelsunternehmen, die eine Schlüsselrolle bei der Mobilitätswende spielen. Ikea Deutschland geht mit Plänen zum Aufbau von über 1000 Ladepunkten und einer vollständigen Elektrifizierung der Lieferflotte voran. Ein Blick in die Praxis unserer bisherigen Erfahrungen zeigt, wo dringender Handlungsbedarf für Politik und Gesellschaft besteht.
Überlange Genehmigungsverfahren für Netzanschlüsse
Die jüngste Diskussion über das Stromnetz in Oranienburg, wo dem ersten Stromnetz in Deutschland der Blackout droht, zeigt exemplarisch: Vielerorts fehlen die nötigen Netzkapazitäten für die Elektrifizierung des Verkehrssektors. So warten auch wir am Standort Hanau seit über einem Jahr auf die Genehmigung des beantragten Anschlusses von Ladepunkten. Hier stehen wir vor der Situation, dass wir vor 2030 keinen entsprechenden Antrag stellen dürfen, da die Netzplanung bereits abgeschlossen sei.
Aktuell sehen wir Wartezeiten von bis zu 18 Monaten, bis die Verteilnetzbetreiber eingehende Anträge bearbeiten. Immer häufiger verweigern die Netzbetreiber den Anschluss ganz oder verschieben ihn auf unbestimmte Zeit. So bremst die Bürokratie den dringend notwendigen Ausbau aus, ganz gleich wie ambitioniert ein Unternehmen ist.
Die Antwort der Politik sollte sein: Wir müssen die Antragsprozesse und Genehmigungsverfahren konsequent verschlanken. Für mehr Tempo beim Ausbau braucht es vor allem:
- ein bundesweit einheitliches, digitales Antragsverfahren bei allen Netzbetreibern.
- klare, einheitliche Vorgaben für die Ladeinfrastruktur-Errichtung im Einklang mit Landesbauordnungen.
- deutschlandweit einheitliche technische Anschlussbedingungen und gesetzlich standardisierte Verfahren mit verbindlichen Fristen.
Auch die Bundesnetzagentur und der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) unterstreichen die Notwendigkeit klarer Vorgaben und digitalisierter Prozesse für die Integration von Ladesäulen. Wir wünschen uns eine einheitliche Regelung, dass Ladeplätze rechtlich als vollwertige Stellplätze entsprechend der jeweiligen Landesbauordnungen und Stellplatzverordnungen anerkannt werden. Der für Ladeinfrastruktur benötigte Platzbedarf darf sich nicht negativ auf die Berechnung der vorgeschriebenen Stellplätze einer Immobilie auswirken.
Unsicherheit bei Investitionen in Ladeinfrastruktur
Unser Ziel ist es, weltweit bis 2030 unseren CO2-Fußabdruck zu halbieren. Die komplette Umstellung unserer Lieferflotte auf E-Fahrzeuge ist dafür von großer Relevanz. Noch in diesem Jahr werden wir in Berlin damit beginnen, einen Teil der bis zu 20.000 dortigen Speditionslieferungen emissionsfrei durchzuführen. Das Förderprogramm KsNI hat diese Umstellung bisher wirtschaftlich möglich gemacht.
Dank dieser Anschubfinanzierung konnten in kurzer Zeit rund 420 E-Transporter bei unseren Partnern angeschafft werden. Doch ihr Wegfall durch das vorzeitige Auslaufen des KsNI-Förderprogramms bremsen das Tempo der dringend notwendigen Transformation im Verkehrssektor – nicht alle Unternehmen können dies kurzfristig stemmen.
Für die massiven Investitionen in E-Logistik, Ladeinfrastruktur und Netzausbau braucht es dringend Planungssicherheit durch zuverlässige politische Rahmenbedingungen. Der BDEW betont zurecht, dass Ladeinfrastruktur und leistungsfähige Netze synchron wachsen müssen. Auch der Handelsverband HDE drängt auf weiteren Klärungsbedarf, etwa bei der 24/7-Öffnung von Ladepunkten auf Parkplätzen oder dem drängenden Fachkräftemangel in der E-Logistik. Viele Unternehmen wie Ikea sind bereit und wollen weiter investieren. Wir wünschen uns, dass die Politik Kontinuität in Förderprogrammen und Vorgaben schafft. Nur mit Planungssicherheit lassen sich die enormen Ausgaben für die Mobilitätswende langfristig stemmen.
Gleichbehandlung von E- und Verbrenner-Fahrzeugen
Die Umstellung auf E-Mobilität bei der Zustellung auf der „Letzten Meile“ wird durch eine veraltete Regulatorik erschwert, die die Anforderungen der E-Mobilität verkennt. Hauptproblem ist das hohe Batteriegewicht, das die Nutzlast von E-Transportern stark reduziert. Obwohl Ausnahmen das Fahren bis 4,25 Tonnen mit Führerschein B erlauben, müssen Unternehmen bei der Nutzung von Elektrofahrzeugen im Ergebnis immer noch strengere Auflagen erfüllen.
Das behindert die Suche nach geeigneten Partnerunternehmen und Fahrern für E-Lieferflotten unnötig. Es braucht dringend eine konsistente Gesetzgebung, um den Umstieg auf E-Mobilität zu erleichtern. Wir setzen uns dafür ein, dass eine durchgängige Gleichstellung von Diesel- und E-Fahrzeugen hergestellt wird. Zum Beispiel, indem das zulässige Fahrzeuggewicht für elektrifizierte leichte Nutzfahrzeuge (N1) aufgrund des erhöhten Batteriegewichts auf 4,25 Tonnen angehoben wird.
Durch kluge private Investitionen und mutiges Unternehmertum kann es gelingen, die Klimaziele zu erreichen und den Verkehrssektor als einen der größten Emittenten zu transformieren. Dies zeigen nicht nur unsere Bemühungen, sondern auch die der anderen Marktteilnehmer. Die Herausforderungen sind vielfältig, aber der Wille zur Veränderung ist groß.
Wir fordern Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu konsequentem Handeln auf, um noch in dieser Legislaturperiode gemeinsam Rahmenbedingungen zu schaffen, die die Transformationen beschleunigen und nicht ausbremsen. Wir treiben auch weiterhin den Ausbau der Ladeinfrastruktur und die Erneuerung der Logistikflotte voran, denn wir sind überzeugt: Die Zeit zum Handeln ist jetzt.