Verwundert reibt man sich die Augen, wie so etwas geschehen kann: Dass ein weitgehend unbekannter Umweltverband aus Bayern die Rodung einer Kiefernplantage in Brandenburg vorerst stoppt und damit Teslas Zeitplan ins Wanken bringt. Möglich macht dies die sogenannte Umweltverbandsklage, die Verbänden weit mehr Klagerechte einräumt als dem einzelnen Bürger. Doch nicht nur angesichts der möglichen Folgen für Grünheide, gibt es nun Rufe nach Einschränkungen der Umweltverbandsklage – so ein einfach ist das aber nicht.
Die Europäische Union unterstützt die Rolle der Umweltverbände als wichtige Verbündete im Bereich des Umweltschutzes. Außer Frage steht der beträchtliche Zuwachs von Macht und Einfluss, den Umweltverbände in der letzten Dekade für sich verbuchen konnten. Aus dem zivilgesellschaftlichen „David“ ist längst ein professionell organisierter „Goliath“ geworden – mit oft erheblichen finanziellen Mitteln.
Besondere Klagerechte sollen nicht eigennützigen Zwecken dienen
Zu Recht wird in jüngster Zeit vermehrt gefordert, das Umweltverbandsklagerecht auf den Prüfstand zu stellen; denn mit zunehmender Macht kommt auch Verantwortung. Die besonderen Klagerechte sind den Umweltverbänden nicht zu eigennützigen Zwecken eingeräumt, sondern sollen letztlich dem Interesse der Allgemeinheit dienen.
Wenn das Verbandsklagerecht aber auch dazu genutzt werden kann, Sonderinteressen zu verfolgen oder sich im Wettbewerb zwischen Verbänden durch aufsehenerregende Klagen besonders zu positionieren, wird dies zu Recht kritisiert.
Der Zuwachs von Macht und Einfluss von durchsetzungsstarken Umweltverbänden bringt es mit sich, dass auch ihr verantwortlicher Umgang mit den zuerkannten Privilegien stärkere Aufmerksamkeit verdient. Dass jetzt Tesla so viel Unterstützung gegen einen Umweltverband erhält, ist bemerkenswert; die Industrie kämpft indes schon lange mit der steigenden Klagefreudigkeit.
Umweltverbände verfügen über keinerlei demokratische Legitimation
Umweltverbände verfügen über keinerlei demokratische Legitimation. Ihre besonderen Klagerechte sind daher nur zu rechtfertigen, wenn sie zur Förderung des Allgemeinwohls ausgeübt werden und die gesetzlichen Vorgaben einhalten. Wer im Namen der „Allgemeinheit“ streitet, darf die Interessen der „Allgemeinheit“ nicht außer Acht lassen.
Eine wichtige Voraussetzung für das Klagerecht ist die Gemeinnützigkeit des Verbandes. Der Bundesfinanzhof hat der globalisierungskritischen Organisation Attac zuletzt die Gemeinnützigkeit entzogen und die Einhaltung der Regeln angemahnt, die für alle gemeinnützigen Vereine gelten. Deshalb ist erforderlichenfalls zu prüfen, ob ein Verband bei Anlegung dieses Maßstabs noch als gemeinnützig gelten kann.
Zudem wird das Verbandsklagerecht durch den jeweiligen Verbandszweck begrenzt. Auch hier lohnt sich ein genaueres Hinsehen. Ob ein bayerischer Landschaftsschutzverein die Rodung einer Kiefernmonokultur in Brandenburg verhindern können soll, erscheint zumindest zweifelhaft. Zu fordern ist auch, dass die Anerkennung als klagebefugter Verband künftig einer regelmäßigen Überprüfung unterliegt.
Wiederkehrende Prüfungen des Klagerechts einführen
Bislang wird das Klagerecht zeitlich unbegrenzt und ohne spätere Überprüfung erteilt. Angesichts der erheblichen Rechtsmacht, die damit Umweltverbänden anvertraut wird, sollte aber durch wiederkehrende Prüfungen sichergestellt werden, dass die Voraussetzungen für ein Klagerecht weiterhin vorliegen, also der Verband sich tatsächlich im Sinne der Satzung betätigt, in seiner Binnenorganisation demokratisch strukturiert ist und gemeinnützig verhält. Damit wird die Spreu vom Weizen getrennt. Solche Regelungen werden auch im Interesse derjenigen Umweltverbände liegen, die diese Voraussetzungen ohne Weiteres einhalten.
Dem deutschen Gesetzgeber sind durch die europarechtlichen Vorgaben für weitere notwendigen Korrekturen allerdings enge Grenzen gesetzt. Eine wirkliche Reform und Verbesserung des Umweltverbandsklagerechts kann deshalb rechtssicher nur auf europäischer Ebene erfolgen. Dafür wäre es jetzt allerdings an der Zeit.
Dr. Wolf Friedrich Spieth ist Partner der Sozietät Posser Spieth Wolfers und Partners. Er berät nationale und internationale Unternehmen sowie Regierungen in wirtschaftsrelevanten Bereichen des Umwelt- und Planungsrechts sowie der Regulierung. Kernbereiche seiner Tätigkeit sind Genehmigungsprojekte für Infrastrukturvorhaben, Energieanlagen (Kraftwerke, Offshore-Windparks) und Industrieanlagen (Chemie, Raffinerien, Papierfabriken).