Fast hätte es ein gutes Jahr für das E-Auto werden können: Das von der Europäischen Union besiegelte Aus für Verbrenner-Neuzulassungen ab 2035 gab die Richtung vor. Die Regelungen zur Abgasnorm Euro 7 beschleunigen den Weg dorthin. Beides ist wichtig für die weltweite CO2-Bilanz, aber auch gut für unser Stadtklima, denn Elektromobilität ist lokal stets emissionsfrei und hat eine deutlich geringere Lärmemission.
Doch der Übergang ins Elektrozeitalter wurde 2022 nicht nur aufgrund fehlender Teile und Probleme mit weltweiten Lieferketten ein Problem für die deutschen Hersteller. Wegfallende Fördergelder und Energieknappheit werden zum echten Crash-Test für die Mobilität der Zukunft.
Höhere Kosten und weniger Förderung
Rein finanziell gilt: Wer die Zukunft des Autos – politisch gewollt – an die Höhe der Stromkosten kettet, sollte auch einen Plan B haben, wenn sich immer mehr Fahrerinnen und Fahrer von Elektroautos derzeit die Frage stellen, ob sich ihre Mobilität jenseits des guten Gewissens noch rechnet.
Im Idealfall hat ein Elektrofahrzeug rund 15 Kilowattstunden Verbrauch pro 100 Kilometer und Stromkosten von etwa 31 Cent pro Kilometer. Bislang. Mit rund fünf Euro auf 100 Kilometern kam man zum selben Preis etwa doppelt so weit wie der Fahrer eines Diesel-Pkw. Und auch die Leasingraten und Kaufpreise für E-Autos und Hybrid-Modelle lagen dank üppiger Fördergelder von Staat und Autoindustrie deutlich unter denen von Verbrennern.
Doch damit ist nun Schluss. E-Autos sollen sich – von der Ampelkoalition so gewollt – weitgehend „auf dem Markt“ beweisen, dessen attraktive Geschäftsgrundlage gleichzeitig in Frage gestellt wird. Branchenprimus Tesla erhöhte bereits kräftig die Stromkosten an seinen Säulen. Zur Erinnerung: Dort war der Strom für die Kunden der ersten Stunde sogar kostenlos.
Auch viele andere Ladesäulenbetreiber drehen – der Energiekrise sei Dank – kräftig an der Preisschraube. Mit 70 bis 85 Cent pro Kilowattstunde – und in Einzelfällen bis zu einem Euro – sind E-Autos je nach Modell mittlerweile bei den Verbrauchskosten vielfach im Nachteil im Vergleich zum Verbrenner, zumindest wenn sie auf öffentliche Ladeinfrastrukturen angewiesen sind.
Batterieproduktion wird teurer, nicht billiger
Anders als erwartet steigen auch die Kosten für die Batterie – die einen Großteil des Kaufpreises eines Elektrofahrzeugs bestimmen – aufgrund von Preissteigerungen bei den Rohstoffen deutlich an. Die Folgen für Verbraucher: herbe Preissteigerungen. Trauriger Spitzenreiter ist Ford, die den Grundpreis für ihr elektrisches Erfolgsmodell Mustang Mach-E binnen Jahresfrist von rund 48.000 Euro auf knapp 63.000 Euro erhöht haben – eine Preissteigerung von knapp 30 Prozent.
Auch wenn der Rest der Branche mehr Zurückhaltung an den Tag legt, billiger wird es auf absehbare Zeit nicht werden. Schon heute fehlt es an bezahlbaren Kompaktfahrzeugen mit Elektroantrieb. Hierzu tragen auch die wegfallenden Fördergelder bei, auch wenn hier ordnungspolitisch nun das Richtige getan wird, denn nicht selten endeten bisher die hochsubventionierten Fahrzeuge nach kurzer Nutzungszeit im Ausland. Im Internet kursieren längst Anleitungen, wie man für fast umsonst ein halbes Jahr lang etwa ein Tesla Modell 3 fahren kann – staatlicher Subventionen und findiger Autoexporteure sei Dank.
So oder so ist es höchste Zeit, Leitplanken einzuziehen, damit in Zeiten von Rezession, Energiekrise und Rohstoffknappheit die Elektromobilität nicht zum Flop wird.
Sechs Denkanstöße für Politik und Autoindustrie:
- Technologische
Entwicklung: Elektroautos werden von
Generation zu Generation effizienter. Mit seinem Forschungsfahrzeug EQXX hat
Mercedes eine neue Benchmark von unter 10kwh Verbrauch vorgelegt. Um mit
effizienten Verbrennern mithalten zu können, wird die nächste Generation der
Serienfahrzeuge diese Marke anpeilen müssen.
- Systemdenken: Der durch den Klimawandel gebotene Schwenk zu
erneuerbaren Energien setzt eine Speicherung von Strom
voraus. Elektroautos können hier Teil der Lösung sein, wenn man die Besitzer
incentiviert, einen Teil der Batteriekapazität als Zwischenspeicher zur
Verfügung zu stellen und öffentliche Tabus (Zeitkorridore mit „Ladepausen“ bei
Dunkelflauten / Verbrauchsspitzen im Stromnetz) offen adressiert.
- Systemdenken 2: Wir brauchen ein „Neudenken“ der Strominfrastruktur. Incentivierung
privater Energiegewinnungs- und Speicherlösungen tut dabei ebenso not wie der
Bau von Großspeichern, was oft aber nicht immer Batteriespeicher sind. Die
Älteren erinnern sich an Pumpspeicherkraftwerke, bei denen Wasser als
Speichermedium für Strom dient. Übrigens: Australien baut derzeit in Teilen
sein Stromnetz zurück – hin zu mehr „Dezentralität“ und Speicherung.
- Entbürokratisierung: Die eigene Wallbox oder Ladesäule auch den Nachbarn
zugänglich zu machen und dabei für den Strom bezahlt zu werden, das geht bisher
nur theoretisch. In der Praxis verirrt sich jeder Interessierte, in einem kafkaesken Labyrinth von Verwaltungsvorschriften. Dabei
wäre eine „peer-to-peer“-Ladeoption ein einfacher Weg für den dringend
benötigten schnellen Aufbau einer Ladeinfrastruktur.
- Reform des Strommarktes: Ein guter Teil der Strompreisexplosion geht auf
fehlerhafte ordnungspolitische Vorgaben im Strommarkt zurück. Kurz gesagt:
Bezahlt wird „das teuerste Kraftwerk“, das Strom erzeugt („Merit-Order-Regel“).
Dies erzeugt in der aktuellen Marktsituation Fehlanreize, die es zu korrigieren
gilt. Eine gerechtere Regelung kommt dabei nicht nur E-Auto-Fahrerinnen und
-Fahrern, sondern allen zugute, denn jeder von uns ist Stromkunde.
- Ende der Denkverbote: Nicht nur der Weltklimarat sieht Kernkraft als Teil der Lösung für Energieversorgung und Klimaschutz. Auch andere europäische Länder stellen sich gegen die Austiegsphantasien der Bundesrepublik: Das kleine Finnland mit etwa 5,5 Millionen Einwohnern nimmt unter der aktuellen sozialdemokratischen Regierung zum Jahresende sogar einen neuen Atomreaktor in Betrieb („Olkiluoto 3“). Nur zur Erinnerung: Die nun die deutsche Politik dominierende Anti-Atomkraftbewegung war auch mal eine Anti-Digitalisierungsbewegung. Bei letzterem ist man bei den Grünen über seinen eigenen Schatten gesprungen und geriert sich heute vielfach sogar als Vordenker. Warum sollte das bei der Kernenergie nicht auch gelingen?