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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Warum die Krise uns voranbringt

Sabina Jeschke, Digital- und Technikvorständin, Deutsche Bahn
Sabina Jeschke, Digital- und Technikvorständin, Deutsche Bahn Foto: Foto: DB

Künstliche Intelligenz für grüne Mobilität: Die Deutsche Bahn will bei der nächsten Stufe der Digitalisierung vorn dabei sein, schreibt Digital- und Technikvorständin Sabina Jeschke. Den Weg dahin will das Unternehmen trotz und wegen der Krise weiterverfolgen.

von Prof. Dr. Sabina Jeschke

veröffentlicht am 04.08.2020

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„Never waste a good crisis“ – das Churchill zugeschriebene Zitat ist leicht dahingeschrieben. Der Satz ist aber richtiger denn je. Die Coronakrise trifft uns wirtschaftlich, politisch – und oft genug persönlich – mit voller Wucht. Wie fast in der gesamten deutschen Wirtschaft hat sie auch in der Bilanz der Deutschen Bahn deutliche Spuren hinterlassen.

Es wäre aber falsch, nur auf die Zahlen zu schauen. Wir müssen weiter die Zukunft in den Blick nehmen: Auf dem Feld der Digitalisierung werden wir alle radikale Entwicklungssprünge machen. Das gilt nicht nur für Telefon- und Videokonferenzen, die zum neuen Standard geworden sind. Es umfasst faste alle Lebensbereiche: die komplette Remote-Steuerung von Betrieben und Organisationen, virtuellen Schulunterricht, die Online-Lehre an Universitäten, virtuelle Arztbesuche und sogar komplette Orchesterveranstaltungen, die virtuell stattfinden. Auch unsere internationale Branchenkonferenz „Railway Forum“ im September findet nun im Netz statt. Was vor kurzem noch keiner für möglich hielt: In der Krise klappt es.

Wir befinden uns mitten in der vierten industriellen Revolution. Im Zentrum der ersten stand die Dampfmaschine und damit auch die Eisenbahn. Die vierte ist getrieben von dem radikalen Durchbruch der Künstliche Intelligenz (KI), und damit von vernetzten, autonomen Systemen. Sie werden die Digitalisierung noch einmal auf eine neue Stufe heben. Im Verkehrssektor arbeiten wir deshalb längst an der vernetzten – und grünen – Mobilität von morgen. Ein wichtiges Rückgrat dieser Mobilität ist die Eisenbahn – KI-getriebene autonome Systeme werden die Mobilität in ein neues Zeitalter führen.

Ohne Glasfaser und lückenlosen Mobilfunk geht es nicht

Die bei der Deutschen Bahn vor kurzem begonnene Investitions- und Modernisierungsoffensive, die vom Bund unterstützt wird, treiben wir jetzt weiter voran: Das Bahnsystem selbst soll intelligent werden. Ein Beispiel zeigt, was das konkret bedeutet: Ein neuralgischer Punkt für einen verlässlichen Bahnverkehr sind die Weichen. 28.000 Exemplare haben wir deshalb so ausgerüstet, dass sie „mitdenken“ können. Sensoren erkennen am Stromverbrauch des Motors, wann die Weiche ausfallen wird und Algorithmen leiten daraus ab, welche vorbeugenden Reparaturen nötig sind, um genau das zu vermeiden.

Das Ziel heißt: vorbeugende Instandhaltung oder in der Fachsprache: Condition Based Monitoring oder Predictive Maintenance. Dafür sammeln wir die Informationen der Sensoren, verknüpfen sie und werten sie mithilfe Künstlicher Intelligenz aus. Dieses maschinelle Lernen macht es möglich, Muster in den Daten zu erkennen und wichtige Komponenten funktionsfähig zu halten.

Dieses Prinzip lässt sich auf alle Bereiche der Instandhaltung übertragen – etwa auf das Erkennen von Schäden an Waggons, aber auch auf die Qualität des Reisekomforts unserer Kunden. Wenn Kaffeemaschine, Klimaanlage oder Zugtoilette defekt sind, ist eine Bahnfahrt keine Freude, auch wenn der Zug auf die Minute pünktlich ist. Voraussetzung für all das ist natürlich, dass die Vernetzung der intelligenten Systeme wirklich funktioniert. Eine lückenlose Versorgung der Schienenstrecken mit Glasfaserkabeln und Mobilfunk ist deshalb unerlässlich. Deshalb arbeiten wir in enger Kooperation und Partnerschaft mit den Mobilfunkunternehmen an einem möglichst schnellen, lückenlosen Netzausbau.

Um Innovationen in einem Traditionsunternehmen wie der Deutschen Bahn voranzutreiben und um neue Technologien konsequent nutzbar zu machen, müssen wir die Innovationskraft im eigenen Haus stärken, aber auch nach außen blicken. Wir kooperieren deshalb mit Forschungseinrichtungen, fördern Start-ups und arbeiten mit anderen Bahnunternehmen über Ländergrenzen hinweg zusammen – etwa bei der Erprobung und Einführung einer digitalen automatischen Kupplung für den Güterverkehr.

Die Bahn war vor mehr als 180 Jahren schon einmal Sinnbild für technologischen Fortschritt und der Wegbereiter für revolutionäre gesamtgesellschaftliche Entwicklungen. Auch jetzt, im KI-Zeitalter, kann die Bahn einen Mehrwert schaffen, der weit über das Reisen und den Warentransport von A nach B hinausreicht. In den vergangenen Monaten haben wir gezeigt, wie systemrelevant die Bahn für die Gesellschaft ist. Wir haben die Mobilität und den Gütertransport in Deutschland und Europa aufrechterhalten. Und diesem Geist werden wir weiter folgen.

Wir wollen im Kampf gegen Klimawandel, Feinstaub und verstopfte Innenstädte neue Maßstäbe setzen. Wir wollen Technologieführer in der Mobilitätsbranche sein und zu einem Aushängeschild für den Digitalisierungsstandort Deutschland werden. Alle diese Ziele waren richtig und bleiben richtig – auch und gerade in dieser Krise. Und jetzt legen wir sogar noch „eine Kohle mehr drauf“.

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