Mindestens 145 Milliarden Euro. Diese Schadenssumme verursachten Extremwetterereignisse in den Jahren 2000 bis 2021 allein in Deutschland. So das Ergebnis einer Studie des Analyseunternehmens Prognos. Und eine weitere große Zahl: Nur zwei Monate nach seinem Start hatte ChatGPT bereits 100 Millionen Nutzer. Instagram benötigte etwa zweieinhalb Jahre, um diese Nutzerzahl zu erreichen. Extremwetter und ChatGPT, das sind sichtbare Boten der zwei großen Themen unserer Zeit: Klimawandel und Künstliche Intelligenz (KI).
Hängen diese beiden Themen auch zusammen? Ja, denn KI kann ein Teil der Antwort auf den Klimawandel sein. Der Digitalverband Bitkom stellt fest, dass acht von zehn Unternehmen in Deutschland KI als eine Chance für das Klima betrachten. Grund genug, beide Themen gemeinsam zu denken. Und so den heutigen globalen „Earth Overshoot Day“ durch gemeinsame Anstrengung von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft in Sachen Digitalisierung wieder mehr an das Ende des Jahres zu schieben. Der „Earth Overshoot Day“ bezeichnet den Tag im Jahr, an dem die Menschheit alle natürlichen Ressourcen aufgebraucht hat, die die Erde innerhalb eines Jahres zur Verfügung stellen kann. Danach lebt die Menschheit bis Jahresende praktisch auf Pump. Dieser Tag befindet sich fast schon in der Jahresmitte, doch es sollte unser Bestreben sein, ihn wieder mehr in den Herbst zu verschieben. Denn es muss unser gemeinsames Ziel sein, einen lebenswerten Planeten zu erhalten.
Dank digitaler Hebel und moderner Datenübertragung sind allein in Deutschland nach Angaben der Eco-Studie 30 Prozent weniger Emissionen möglich. Mit KI entsteht eine noch größere Dynamik. Durch KI gewonnene Erkenntnisse können dazu beitragen, bis zu zehn Prozent der Treibhausgasemissionen bis 2030 zu senken, meint etwa die Unternehmensberatung Boston Consulting Group. KI kann beispielsweise den Energieverbrauch in Fabriken und Gebäuden senken oder den Einsatz von Dünger in der Landwirtschaft reduzieren. Das Besondere an dem Potenzial des Digitalen: Es zu heben, verlangt von Verbraucherinnen und Verbrauchern keinen Verzicht und kein Geld. Und das ist wichtig in einer Zeit, in der mehr als zwei Drittel der Deutschen wenig Bereitschaft zeigen, zum Wohle des Klimas Abstriche zu machen, wie eine aktuelle Civey-Umfrage belegt.
Doch noch digitalisiert Deutschland zu wenig und zu langsam. Der Index für digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) bescheinigt Deutschland im europäischen Vergleich nur Mittelmaß. Für die größte Volkswirtschaft der EU reicht das nicht. Kern der nachhaltigen Digitalisierung und KI sind Vernetzung, Daten und deren klimaschonender Transport – drei Handlungsfelder, in denen Deutschland entschlossener vorangehen kann.
Leistungsstarke Telekommunikationsnetze sind das Sprungbrett für Digitalisierung und KI-Anwendungen. Grund genug, den Ausbau von Glasfaser und modernster 5G-Mobilfunktechnologie zu beschleunigen. Die Aussicht auf Frequenzverlängerung im Mobilfunk ist ein richtiger Schritt. Zusätzlich braucht es einen erheblichen Bürokratieabbau. Allein die Bearbeitungszeit für Bauanträge für Mobilfunkstandorte beträgt durchschnittlich 258 Tage. Die schnelle Umsetzung der Genehmigungsfiktion der Bauten im Baurecht aller Bundesländer sowie die Definition des Mobilfunkausbaus als überragendes öffentliches Interesse wären wichtige Schritte vorwärts.
Zweitens Daten: Digitalisierung und KI brauchen große Datenmengen von hoher Qualität. Doch daran mangelt es bislang häufig. Datenschutz und Datenschutzgrundverordnung sind gut und richtig. Sie schützen personenbezogene Daten. Das sollte Unternehmen und Verwaltung aber nicht davon abhalten, anonymisierte Daten und Industriedaten kreativer und innovativer einzusetzen, um so bessere Dienste anzubieten und die Vorteile von KI im Sinne des Klimas zu nutzen. Allein O2 Telefónica generiert jeden Tag bis zu 17 Milliarden Datenpunkte in seinem Netz. Aus diesen Daten können Unternehmen beispielsweise Schlüsse für CO2-sparende Mobilitätsangeboten ziehen. Logistikunternehmen können ihre Fahrzeugflotten effizienter betreiben. Öffentliche Verkehrsunternehmen können ihre Verkehrsmittel da einsetzen, wo sie gebraucht werden.
Drittens der klimaschonende Transport: Digitalisierung und KI benötigen ausreichend Grünstrom, um ihr volles Potenzial für das Klima zu entfalten. Der Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung in Deutschland hat im ersten Quartal dieses Jahres fast 60 Prozent erreicht, ein Rekordwert. Doch es ist noch mehr möglich. In einer Wirtschaft und Gesellschaft, die sich zunehmend elektrifizieren, um Klimaziele zu erreichen, bleibt Grünstrom auf absehbare Zeit ein knappes Gut. Die Politik muss noch entschlossener handeln, um Grünstromerzeugung und den Ausbau von Stromübertragungsnetzen anzukurbeln. Hierbei können auch Unternehmen unterstützen. Indem sie Energie noch effizienter einsetzen und in Grünstrom investieren. KI beispielsweise braucht Energie, hilft aber auch, diese sparsam einzusetzen. Wer KI nutzt, braucht zudem nicht zwangsläufig energiehungrige „Large Language Models“. Kleine, aufgabenspezifische KI-Modelle benötigen weniger Energie. Beispielsweise konnte O2 Telefónica dank moderner Netzwerktechnik und KI im Jahr 2023 den Stromverbrauch stabil halten, obwohl das transportierte Datenvolumen um 40 Prozent gestiegen ist. Das Unternehmen deckt heute seinen kompletten Strombedarf mit Grünstrom ab.
Diese Handlungsfelder zeigen, was möglich ist, wenn Wirtschaft, Politik und Gesellschaft gemeinsam für mehr Klimaschutz aktiv werden. Digitalisierung und KI auf Basis starker Netzinfrastrukturen sind Teil der Lösung. Sie sind Mittel, dem Klimawandel mit Technologie und Intelligenz zu begegnen. Um die digitalen Chancen zu nutzen, müssen alle Beteiligten jetzt entschlossen handeln. Gemeinsam können wir die Digitalisierung beschleunigen. Gemeinsam können wir Daten und KI für eine bessere Zukunft nutzen.