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Standpunkte Die Zukunft personalisierter Werbung

Philippa Snare, Senior Vizepräsidentin EMEA bei The Trade Desk
Philippa Snare, Senior Vizepräsidentin EMEA bei The Trade Desk Foto: The Trade Desk

Datenschutzverstöße im Internet werden strenger geahndet, Cookies werden abgeschafft und Nutzer:innen werden immer sensibler, wie ihre Daten verwendet werden. Das bedeutet jedoch nicht das Aus für personalisierte Werbung, sagt Philippa Snare vom Werbetechnologieunternehmen The Trade Desk.

von Philippa Snare

veröffentlicht am 11.04.2023

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Personalisierte Werbung ist mit immer strengeren Auflagen verbunden. Sofern Nutzende keine ausdrückliche Einwilligung geben, werden Unternehmen immer engere Schranken in der Ausspielung digitaler Anzeigen gesetzt. Auch große Internetplattformen dürfen in den allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht mehr pauschal von ihren Nutzer:innen die Einwilligung voraussetzen, dass persönliche Daten zu Werbezwecken genutzt werden – und Verstöße gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) werden zunehmend härter geahndet (Tagesspiegel Background berichtete). Der Gesetzgeber ist hier klar und verlangt eine ausdrückliche Einwilligung.

Das Ende der Cookies

Doch nicht nur die gesetzliche Grundlage hat sich verändert, auch technologisch steht ein Umschwung bevor: Das Tracking durch Drittanbieter-Cookies, die über mehrere Webseiten hinweg verschiedenste marketingrelevante Nutzerinformationen sammeln, steht vor dem Aus. Durch Datenschutzregulierungen wird die Nutzung von diesen Cookies als Identifikationsmerkmal immer weiter eingeschränkt.

Nach und nach verabschieden sich daher die großen Technologieunternehmen von dieser Technologie. Die Internet-Browser Safari und Mozilla blockieren Drittanbieter-Cookies bereits automatisch, Google plant, die Unterstützung für Werbe-Cookies im Chrome-Browser 2024 auslaufen zu lassen.

Personalisierte Werbung ist ein Tauschgeschäft

Diese Entwicklungen sind zu begrüßen, denn Verbraucher:innen sollten die maximale Kontrolle über ihre Daten haben. Zugleich darf jedoch nicht vergessen werden, welchen grundsätzlichen Nutzen personalisierte Werbung hat: Sie ist Teil eines etablierten Tauschgeschäftes.

Im Gegenzug für die Übermittlung von einigen Daten erhalten Nutzer:innen kostenlose Inhalte und Empfehlungen, die für sie relevant sind. Die Daten ermöglichen Werbetreibenden, unter allen Webseitenbesucher:innen diejenigen zu identifizieren, für die das jeweilige Produkt am interessantesten ist. Je besser diese Zuordnung gelingt, desto eher sind Werbetreibende bereit, einen höheren Preis für die Werbeeinblendung zu bezahlen. Anbieter digitaler Inhalte können also durch Verwendung von Nutzungsdaten ihre Inhalte besser finanzieren, als wenn keine Informationen über die jeweiligen Besucher:innen vorhanden wären.

In der Vergangenheit haben Publisher und Werbetreibende nur unzureichend Aufklärungsarbeit darüber geleistet, dass ein Großteil der kostenlosen Inhalte im Internet nur zugänglich ist, weil sie durch personalisierte Werbung finanziert werden. Es liegt jetzt an diesen Unternehmen, den Verbraucher:innen ein deutliches Wertangebot zu machen, damit sie der Nutzung eines Teils ihrer Daten zustimmen.

Denn: Menschen sind meist nicht per se gegen personalisierte Werbung – sondern gegen Intransparenz. Genauso wenig wünschen sie sich schlechte und irrelevante Werbung. Bei vielen Lösungen haben sich die Nutzer:innen daran gewöhnt, dass Plattformen aus ihrem bisherigen Verhalten Schlüsse ziehen und die Inhalte entsprechend anpassen, zum Beispiel bei den Produktempfehlungen auf E-Commerce-Seiten.

Strengere Datenschutzvorschriften und das Cookie-Aus bedeuten daher keineswegs das Ende der personalisierten Werbung. Schließlich bildet sie die wirtschaftliche Grundlage für das offene Internet. Aber die Werbebranche muss den Weg von Opt-Out-Technologien wie Cookies zu einem Opt-In-Internet ebnen, in dem Nutzer:innen freiwillig Daten bereitstellen, weil sie im Gegenzug kostenlose Inhalte ansehen können. Spotify ist ein Beispiel, bei dem das von Verbraucher:innen bereits gelernt ist.

Alternative Lösungen als überfälliges Upgrade

Das Ende der Drittanbieter-Cookies bietet eine enorme Chance, das digitale Ökosystem auf den neuesten Stand zu bringen. Es gibt mehrere Ansätze, um Nutzerdaten besser zu schützen. Die offensichtlichste Lösung wäre natürlich, gar keine Daten zu sammeln und Werbung rein kontextbezogen auszuspielen: das Targeting erfolgt hier anhand der Webseiten-Inhalte oder Faktoren wie Tageszeit und Wetter. Dieser Ansatz ist allerdings sehr breit, die Streuverluste sind hoch und Nutzer:innen wird mehr irrelevante Werbung ausgespielt. Auch die Erfolgsmessung ist schwierig.

Ein weiterer Ansatz besteht darin, Daten ausschließlich auf User-Geräten zu speichern, ohne sie mit externen Servern zu teilen. Auf Basis der Suchhistorie im Browser wird dann Werbung aus bestimmten Clustern angezeigt, zum Beispiel für „Fitness“ oder „Reisen“. Das ist das Prinzip hinter der Lösung Google Topics.

Identity-Lösungen wiederum ermöglichen es, Nutzer:innen wiederzuerkennen, ohne dass konkrete Daten ausgetauscht werden. Zentral für datenschutzkonforme Lösungen ist dabei ihre ausdrückliche Einwilligung. Fortschrittliche ID-Lösungen verwenden pseudonymisierte Profile: Der Rückschluss auf Einzelpersonen ist damit ausgeschlossen.

Ein Beispiel für eine solche Lösung ist die Open-Source-Technologie Unified ID 2.0. Die Lösung basiert auf verschlüsselten E-Mail-Adressen: Nutzer:innen müssen sich einmal anmelden und geben dann je Webseite oder digitalem Service eine bewusste Einwilligung für die Nutzung bestimmter Daten für Werbezwecke.

Weitere ID-Lösungen werden von Werbetechnologieanbietern speziell für die eigenen Kunden entwickelt. Als Branchenstandard eignen sich allerdings im Vergleich zu diesen proprietären IDs oft eher Open-Source-Ansätze, da ihr Quellcode offen einsehbar ist. Dadurch geben sie keinem Anbieter eine Monopolstellung und lassen vielfältige Perspektiven in die Entwicklung einfließen.

Einwilligung ist zwingend notwendig

Unabhängig davon, welche Lösungen sich letztendlich durchsetzen, ist die Einwilligung der User zwingend notwendig. Erfolgreiche Werbung beruht auf der Akzeptanz der Zielgruppen. Versteckte Klauseln, die verhindern sollen, dass Nutzer:innen personalisierte Werbung ablehnen können, verfehlen daher das Ziel – genauso wie Cookie-Banner, die durch Designtricks so gestaltet sind, dass das Tracking aus Bequemlichkeit aktiviert wird.

Personalisierte Werbung bleibt weiterhin extrem wichtig, um die Vielfalt der Inhalte im offenen Internet zu finanzieren. Gleichzeitig stehen Werbetreibende und Anbieter von digitalen Inhalten (wie Nachrichten, Apps, Audio und Streaming) heute mehr denn je vor der Herausforderung, die Nutzer:innen über den Werteaustausch aufzuklären, den Werbung bietet. Nur gemeinsam wird das digitale Ökosystem dieses Upgrade hin zu einem Opt-in-Internet meistern können.

Philippa Snare ist Senior Vizepräsidentin für Europa, den Mittleren Osten und Afrika (EMEA) bei dem Werbetechnologieunternehmen The Trade Desk.

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