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Digitalisierung & KI

Standpunkte Keine Angst vor KI: Fördern statt verbieten

Eric Schott, CEO Campana & Schott
Eric Schott, CEO Campana & Schott Foto: Campana & Schott

Künstliche Intelligenz weckt bei Bürger:innen viele Ängste und bei Unternehmen Unsicherheiten. Die Politik muss hier gegensteuern und sich nicht nur klar positionieren, sondern KI auch gezielt fördern, schreibt Eric Schott, CEO bei Campana & Schott.

von Eric Schott

veröffentlicht am 14.04.2023

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Bedrohung des Arbeitsplatzes, mehr Cyberkriminalität oder mangelnder Datenschutz: Künstliche Intelligenz hat bei vielen Bürger:innen Ängste aufkommen lassen und zu emotional aufgeladenen Diskussionen geführt. Dies ist verständlich. Mit ChatGPT ist die KI schlagartig in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Einer breiten Masse sind die enormen Fähigkeiten von KI-Tools erstmals bekannt und zugänglich gemacht worden. Doch die Politik darf sich nicht von Vorbehalten beirren lassen. KI bietet große Chancen für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Wir werden die massive Nutzung von KI brauchen, um diesen zu sichern. Daher ist es jetzt an der Zeit, die Emotionalität herauszunehmen, gute Richtlinien vorzugeben und den Einsatz von KI-Technologien auf breiter Basis zu fördern.

Natürlich ist das angesichts der rasanten Entwicklung einfacher gesagt als getan. Was heute noch als Zukunftsmusik gilt, kann morgen schon Alltag sein. Doch die Augen zu verschließen oder einfach abzuwarten, ist keine Option. Das vergrößert nur die Unsicherheit bei Bürger:innen und Unternehmen. Alle wollen wissen, wie die Politik reagiert, um uns einerseits vor negativen Entwicklungen zu schützen und andererseits für zuverlässige wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu sorgen.

Bürger:innen erwarten Schutz

Zunächst einmal ist es wichtig, dass die Bundesregierung das Thema KI auf ihrer Prioritätenliste jetzt schnell ganz nach oben setzt. Niemand erwartet, dass sie bereits alle Probleme kennt oder gleich löst. Doch ein Statement zu den neuen dynamischen Entwicklungen rund um ChatGPT und anderen Tools würde zumindest signalisieren, dass auch die Ampelkoalition KI als Top-Thema auf der Agenda hat.

Bürger:innen erwarten eine Aussage, dass die Regierung sie vor Auswüchsen eines unregulierten KI-Einsatzes schützt. Dabei kann sie sich auf bisherige Entwicklungen stützen. Beispiel Cyberkriminalität: KI ist nicht nur ein Risiko und dient als Werkzeug für neue Angriffe, sondern sie sorgt gerade umgekehrt auch für den Schutz vor Cyberkriminalität. Security-Expert:innen sind heute schon auf KI-Tools angewiesen, um schneller bösartige E-Mails oder neuartige Attacken zu erkennen. Weitreichende KI-Verbote würden unsere Sicherheit also viel stärker treffen als Kriminelle, die sich ohnehin nicht daran halten.

In Sachen Arbeitsplätze kann sich die Regierung auf die Erfahrungen mit bisherigen Digitalisierungswellen stützen. Frühere Befürchtungen des Stellenabbaus haben sich in Summe nicht bewahrheitet, im Gegenteil: Heute sind durch die Digitalisierung viel mehr Menschen beschäftigt und unser Fachkräftemangel wird ohne KI nicht zu bewältigen sein.

Unternehmen brauchen Planbarkeit

Auch die Unternehmen benötigen jetzt Richtlinien von Seiten der Politik. Wirtschaftlich gesehen ist nichts schlimmer als Unsicherheit. Wer heute in die Nutzung von KI-Lösungen investiert, muss darauf vertrauen können, dass diese morgen nicht verboten werden. Die Bundesregierung muss jetzt schleunigst Förderprogramme für den Einsatz von KI-Technologien ausweiten. Das wäre ein wichtiges Signal, dass Deutschland in Sachen KI Gas geben will.

In der KI-Entwickung liegt Deutschland schon weit zurück. Doch bei den Themen Anwendung, Umsetzung und wirtschaftlicher Nutzung der KI dürfen wir den Anschluss nicht verpassen. Dazu muss die Politik zweigleisig vorgehen. Sie sollte jetzt entschlossen die Anwendung von KI fördern. Parallel dazu muss sie eine Meinungsbildung anstoßen, wie wir den Missbrauch von KI eindämmen können. Das muss schnell erfolgen, um eine deutsche Position in die europäische Abstimmung der KI-Verordnung einfließen zu lassen.

Dabei sollten wir uns an die Bereitstellung der Corona-Impfstoffe erinnern: Der Staat hatte alles unterstützt, damit der Biontech-Wirkstoff schnell auf den Markt kam. Gleichzeitig gab es strenge Regeln für die Zulassung, damit das volle Vertrauen der Bürger:innen entstehen konnte.

Praktische Leitlinien statt Abschreckungsbürokratie

Dies wäre extrem wichtig, da der aktuelle Stand beim so genannten AI Act stark in Richtung Verbote und Verhinderung läuft. Ähnlich wie beim Datenschutz versucht die EU, hier einen Goldstandard zu entwickeln. Das ist grundsätzlich nachvollziehbar. Doch darf der AI Act nicht zu einer Abschreckungsbürokratie führen und zu einer Sammlung von Verboten verkommen, die Innovationen verhindern.

Gerade das scheint aber der Fall zu sein, da viele Einsatzfelder und Codezeilen geprüft werden sollen. Damit müssen große Unternehmen wie kleine Start-ups massenhaft Dokumentationen erstellen, teilweise mehrfach, bevor sie überhaupt mit der Verprobung ihrer Lösungen anfangen dürfen. Das Resultat: Sie wandern ab oder geben ihre Ideen auf. Wir können es uns nicht leisten, die mit Abstand wichtigste Zukunftstechnologie aus den Händen zu geben und komplett dem Wettbewerb aus Nordamerika und Asien zu überlassen.

Dabei zeigt wiederum die Freigabe des Biontech-Impfstoffes, wie es richtig gehen kann: Der Staat unterstützt unbürokratisch die schnelle Entwicklung, Produktion und Verbreitung, gleichzeitig erfolgt die Zulassung reguliert, um durch Prüfung und geordnete Freigabe des Impfstoffes das Vertrauen der Bürger:innen zu gewährleisten. 

Neben Regulierung müssen die Signale aber auch deutlich in Richtung Förderung gehen:

  • Steuerliche Anreize für Pilotanwendungen, zum Beispiel wenn KI-Lösungen zu mehr Nachhaltigkeit in den Unternehmen führen, etwa durch smartes Energiemanagement von Bürogebäuden oder Transparenz bei Lieferketten.
  • Leuchtturmprojekte für den Einsatz von KI-Lösungen gerade auch im öffentlichen Bereich schaffen. Warum nicht ein „Bürger-Chat“? Die Auswahl und Bearbeitung von Anträgen wird KI-basiert unterstützt, zum Beispiel durch ChatGPT.
  • Schließlich brauchen wir ein durchgängiges Qualifizierungskonzept, mit dem auf schulischer, universitärer sowie betrieblicher Ebene der kompetente Umgang mit KI vermittelt und erlernt wird.

Bei einem derart emotional aufgeladenen Thema wie KI darf der Staat nicht in die Angstfalle tappen und alles verbieten. Sowohl das Vertrauen der Bürger:innen als auch die Erfolge von Unternehmen sind elementar für unsere Gesellschaft. Daher ist die Bundesregierung gefordert, KI-Technologien beherzt zu unterstützen und gleichzeitig ausgewogene Regelwerke auf den Weg zu bringen. Das bringt den Unternehmen Planbarkeit und den Bürger:innen Sicherheit.

Schon eine programmatische Regierungserklärung dazu kann eine wichtige Orientierung geben. Ein solches Signal würde jetzt gut ankommen: Die Politik hat das Thema auf der Agenda und unterstützt KI! Dann haben wir gute Chancen, Weltmeister in der Anwendung von KI-Lösungen zu werden.

Eric Schott ist Mitgründer und CEO der Technologieberatung Campana & Schott. Zudem ist der studierte Wirtschaftsingenieur Honorarprofessor am Institut für Technologie- und Innovationsmanagement an der Technischen Universität Berlin.

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