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Digitalisierung & KI

Standpunkte Mensch-KI-Arbeit: Gestaltungsimpulse für die Arbeitswelt

Katharina Hölzle, Leiterin des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO)
Katharina Hölzle, Leiterin des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) Foto: Fraunhofer IAO

Auch wenn sich viele Unternehmen noch im Experimentierstadium befinden, ist klar, dass Künstliche Intelligenz die Arbeitswelt verändert. Welche organisatorischen Begleitmaßnahmen es braucht, um die Potenziale zu heben und die Akzeptanz bei den Mitarbeitenden zu befördern, schreibt Katharina Hölzle.

von Katharina Hölzle, Leiterin des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO)

veröffentlicht am 18.04.2024

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Die Einführung von ChatGPT im November 2022 hat Wirtschaft, Politik, Gesellschaft und Wissenschaft aufgerüttelt. Seitdem haben zahlreiche Studien die Potenziale, aber auch Grenzen der Generativen Künstlichen Intelligenz (KI) aufgezeigt. ChatGPT konnte allein in den ersten zwei Monaten 100 Millionen Nutzende verzeichnen. Nahezu gleichzeitig wurden die ersten Studien durchgeführt, die den Nachweis der Leistungssteigerung durch dieses Tool in der Wissensarbeit bei unterschiedlichen Einsatzzwecken erbrachten. Dabei konnte gezeigt werden, dass die Steigerung abhängig von den ursprünglich vorhandenen Kenntnissen und Erfahrungen war. So war in einer Studie die Leistungssteigerung bei unerfahrenen Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmern deutlich höher durch die Nutzung einer generativen KI als bei erfahreneren Kolleginnen. Auch der positive Effekt von KI-Schulungen auf die Leistung konnte aufgezeigt werden.

Aktuell befinden sich in Deutschland viele Unternehmen in einem Experimentierstadium und erproben erste Anwendungen von KI. Dabei sind die Einsatzmöglichkeiten vielfältig – vom Einsatz in der Forschung und Entwicklung über die Optimierung von Prozessen, der Gestaltung neuer Geschäftsmodelle bis hin zur Unterstützung bei der Interaktion mit den Kunden. Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen verändern sich dadurch grundlegend. Mitarbeitende brauchen neue Fähigkeiten, es werden neue Berufsprofile geschaffen und die Mensch-Technik-Interaktion gewinnt zunehmend an Bedeutung.

Hier gilt es, ein neues Verständnis für die Rolle des Menschen und der Technologie zu finden. Bisher wurden digitale Technologien vor allem zur Automatisierung, Standardisierung und Befähigung des Menschen eingesetzt. KI-Technologien befähigen nun Computersysteme, Aufgaben und Probleme selbständig zu bearbeiten und zu lösen. Dadurch verändert sich das Verhältnis zwischen Mensch und Technologie, die Technologie nimmt eine deutlich aktivere Rolle ein.

Diese Veränderungen führen zu Sorgen bei den Mitarbeitenden hinsichtlich ihrer Rolle im Arbeitsprozess. Sie haben Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren oder ein mangelndes Vertrauen in KI-Anwendungen. Unternehmen sollten daher den bisher vor allem technisch-getriebenen Entwicklungsprozess durch organisatorische und menschenzentrierte Aspekte erweitern, um die Akzeptanz bei den Mitarbeitenden zu befördern. Insbesondere die potenziell negativen Konsequenzen wie Diskriminierung, Verletzung der Datensicherheit und Privatsphäre, die durch KI-Systeme entstehen können, müssen proaktiv adressiert werden. Es braucht eine menschenzentrierte Gestaltung der KI, oder Human-Centered AI (HCAI), wie es auf Englisch heißt. Bei der Entwicklung menschenzentrierter KI-Systeme muss der Fokus darauf liegen, die menschlichen Bedürfnisse und Interessen zu berücksichtigen, um vertrauenswürdige, zuverlässige, ethische und sichere KI-Systeme bereitzustellen.

Ein weiterer wichtiger Gestaltungsfaktor ist die Begleitung der Einführung von KI-Systemen durch entsprechende organisatorische Begleitmaßnahmen in den Unternehmen. Die Mitarbeitenden müssen proaktiv in die Gestaltung einbezogen werden und die Möglichkeit erhalten, spielerisch die Systeme auszuprobieren, Fähigkeiten zu erlernen und das Arbeitssystem aktiv mitzugestalten.

Die durch das BMAS geförderten KI-Studios am Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement IAT der Universität Stuttgart gemeinsam mit dem Fraunhofer IAO bieten genau diese Möglichkeiten. Sie wollen Beschäftigte und deren Interessensvertretungen aller Branchen und deutschlandweit über die Möglichkeiten, Einsatzgebiete und Grenzen von Künstlicher Intelligenz (KI) informieren und befähigen, die Einführung der Technologie aktiv und konkret mitzugestalten. Dabei bieten die KI-Studios vor Ort in Stuttgart und München sowie die beiden KI-Busse, welche zu den Unternehmen vor Ort fahren, eine Vielzahl interaktiver Demonstratoren, Workshops und Veranstaltungen an, die zeigen, wie KI-Technologien funktionieren und wie sie in der Arbeitswelt angewendet werden können. Dabei zeigen die KI-Demonstratoren keine idealisierte Welt, sondern laden dazu ein, sich über Fragen der Gestaltung Gedanken zu machen.

Neben der organisatorischen Begleitung und aktiven Einbindung aller beteiligten Akteure sollte ein besonderes Augenmerk auf die Etablierung einer individuellen AI-Literacy gelegt werden. Es braucht KI-Grundkompetenzen für alle Mitarbeitenden, berufsspezifische KI-Weiterbildung und lebenslanges Lernen. Auf strategischer Ebene müssen die Unternehmen generative KI als strategisches Thema etablieren und eine gemeinsame Daten-, KI- und Innovationsstrategie entwickeln. Es braucht KI-Innovationsökosysteme mit Akteuren aus der Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Gesamtwirtschaftlich haben wir einen Bedarf an großen, gemeinsamen Hardware- und Forschungsvorhaben, dabei ist ein Wettbewerb zwischen einzelnen Bundesländern der falsche Ansatz. Idealerweise sollten wir EU-weit denken, um gegenüber USA und Asien mithalten zu dürfen.

Katharina Hölzle ist Leiterin des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) und leitet zudem das Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement IAT der Universität Stuttgart.

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