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Digitalisierung & KI

Standpunkte Promptest du das genauso?

Lisa Steigertahl, Innovationsstrategin
Lisa Steigertahl, Innovationsstrategin Foto: Katja Hentschel

Statt ChatGPT zu fragen, wie viele Kalorien eine Avocado hat, sollten wir KI nutzen, um uns besser in andere hineinzuversetzen, schreibt Innovationsstrategin Lisa Steigertahl. So kann die Technologie einen gesellschaftlichen Mehrwert liefern.

von Lisa Steigertahl

veröffentlicht am 15.04.2025

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Wie man in den Wald ruft, so schallt es auch hinaus – ein Prinzip, das sowohl für den Umgang mit Künstlicher Intelligenz (KI) als auch mit Menschen gilt. Die Mensch-Maschine-Beziehung steckt noch in der Findungsphase: Antworten passen nicht immer zu den Erwartungen, generierte Bilder nicht zur Vision, und Texte treffen nicht den eigenen Stil. Aber liegt das allein an der Technologie?

Digitale Kompetenz, englisch „Digital literacy“ genannt, wird in Deutschland sträflich vernachlässigt. Nach dem D21-Digital-Index verfügen nur 49 Prozent der Deutschen überhaupt über digitale Basiskompetenzen. Während 60 Prozent der Menschen mit hohem Bildungsniveau Künstliche Intelligenz (KI) nutzen, sind es bei Menschen mit niedrigerem Bildungsniveau nur 17 Prozent. Dabei ist KI für alle da! Diese KI-Anwendungslücke gilt es dringend zu schließen.

Während die Technologie täglich besser wird, tun wir uns schwer, Schritt zu halten. Wir erwarten fehlerfreie Systeme, ohne selbst ausreichend Übung im Umgang mit ihnen zu haben oder überhaupt Zeit in unsere Weiterbildung zu investieren. Häufig wird die Schuld bei der Politik, im Bildungssystem oder bei den Medien gesucht – teils zu Recht. Während andere Länder digitale Kompetenz und Technologien selbstverständlich in Bildung, Verwaltung und Arbeitswelt integrieren, bleiben moderne Technologien, Tablets und Smartboards in deutschen Ämtern und Schulen Mangelware. Und wenn es doch Projekte gibt, bleiben sie oft auf kleine Pilotgruppen beschränkt und gehen nie in den Echtbetrieb. Warum? Auch hier wird schnell mit dem Finger auf andere gezeigt.

KI für den Perspektivwechsel

Doch die Verantwortung liegt nicht allein bei anderen. Wir selbst müssen bereit sein, die Möglichkeiten des technologischen Fortschritts zu nutzen und unsere Erfahrungen zu teilen. Wir haben hier auch eine gesellschaftliche Verantwortung: Der Zugang zu Technologien muss für alle sichergestellt werden. Digitale Plattformen öffnen Türen für Menschen, die sonst ausgeschlossen wären. Mehr Diversität hilft, verschiedene Perspektiven zu berücksichtigen und macht Ergebnisse anschlussfähiger – sei es im Beruf, beim Behördengang, im privaten und ehrenamtlichen Umfeld.

Wir nutzen Prompts zu selten, um uns in andere hineinzuversetzen. Moderne KIs sind keine bloßen Suchmaschinen. Anstatt nur zu fragen, wie viele Kalorien eine Avocado hat, oder uns in Plastikverpackungen zu designen, sollten wir ChatGPT und Co. nach neuen Perspektiven und Gegenargumenten fragen, oder eben einfach als weiteres Teammitglied annehmen und integrieren.

Der erste Schritt: die eigene Inkompetenz erkennen und neue Routinen entwickeln. KI-Kompetenz ist keine Frage des Alters. Denn wir alle lernen noch, entdecken die neuen Möglichkeiten und bauen nach und nach Routine und Vertrauen auf. Lernen mit KI heißt: prompten, prompten, prompten. Erst Zeit nehmen, das Ziel zu definieren und dann bewusst prompten, zum Beispiel auch Format, Zielgruppe oder Umfang vorgeben. Wer nicht weiß, wie es geht, fragt die KI oder tauscht sich mit anderen aus. Dieses Gefühl der Selbstwirksamkeit ist gerade jetzt besonders wichtig und darf auch Spaß machen.

Gesellschaft gemeinsam prompten

Unser Instinkt trügt nicht: Etwas läuft schief. Politik, Gesellschaft und Verwaltung spielen nicht immer als Team. Ungleichheit wächst, Kriege und Cyberangriffe destabilisieren, wir fühlen uns ohnmächtig. Dieses Gefühl sollte zum Handeln motivieren, denn wir wissen, was uns stört und in welcher Gesellschaft wir eigentlich leben möchten. Warum also nicht die Gesellschaft „prompten“, die wir uns wünschen? Schritt für Schritt, Prompt für Prompt.

Kompetenz im Umgang mit Technologie bedeutet nicht nur, für sich selbst zu lernen, sondern auch für andere mitzudenken und Technologien zum gesellschaftlichen Vorteil und unser Gemeinwohl einzusetzen. Staatliche Sicherheit kann zum Beispiel durch moderne Technologien gestärkt, Amtsgänge durch Digitalisierung erleichtert und digitale Plattformen für mehr Mitbestimmung und Teilhabe geschaffen werden. Bürgerinnen und Bürger müssen im Fokus stehen – nicht einige, sondern alle.

Der Mut und die Vision, mit der wir fragen, beeinflussen langfristig, wie wir zusammenleben. Fragen wir also nach und vertrauen wir einander mehr. Auch die Politik braucht einen Vertrauensvorschuss, um sich mutiger auf große Themen konzentrieren zu können. Immer weniger Menschen möchten politische Ämter übernehmen – verständlich angesichts des enormen Drucks und der ständigen Kritik.

Neuwahlen als Chance

Wir haben gewählt – eine Gelegenheit, uns selbst und unsere Einstellungen zu reflektieren. Geben wir den Gewählten den Raum, ihre Arbeit zu machen. Erkennen wir zum Beispiel also auch die positiven Signale im Koalitionsvertrag an. Ein eigenständiges Digitalministerium, beschleunigte Gründung und Bürokratieabbau, Chancengleichheit, Mitbestimmung und gute Löhne, all das sollte zuversichtlich stimmen. Fehler werden passieren, doch unser Umgang mit ihnen, die Bewertung und Berichterstattung, kann den demokratischen Dialog verbessern und Lösungen anschlussfähiger machen.

Die Demokratie lebt vom Dialog und der Teilhabe. Sprechen wir also miteinander und steigen wir aktiver in unsere Gesellschaft ein. Lernen wir mit der neuen Regierung als Gesellschaft und nicht nur als Individuen dazu. Die Fragen und Prompts, die wir stellen, und die Antworten, die wir akzeptieren – von Technologien oder Menschen – werden entscheiden, ob wir als Gemeinschaft Konflikte bewältigen oder befeuern. Für eine wehrhafte Demokratie müssen wir enger zusammenstehen.

Lisa Steigertahl ist Expertin für die digitale Transformation von Gesellschaften. Ihr Fokus liegt auf datenbasierter Politik, der digitalen Transformation der Verwaltung sowie der Automatisierung durch moderne Technologien wie Cloud-Infrastrukturen und Künstliche Intelligenz. Als Innovationsstrategin berät sie den öffentlichen Sektor bei der Entwicklung und Umsetzung digitaler Lösungen. Zuletzt war sie bei Microsoft Deutschland tätig.

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