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Energie & Klima

Analyse Chinas neue Führungsrolle beim Klima

Eine erste Einschätzung deutscher Diplomaten in Peking über Chinas Rolle im Pariser Klimaabkommen nach dem Ausstieg der USA. Den Text des vollständigen Dokuments, das vom 7. Juni 2017 stammt, finden Sie hier:

von Background Redaktion

veröffentlicht am 09.06.2017

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 I.                 Zusammenfassung und Wertung


Nach dem Rückzug der USA aus dem Klimaabkommen kommt es entscheidend auf China an. Mit Blick auf Minderungsbeitrag und Finanzierung sieht sich Peking gesteigerten Erwartungen gegenüber. Vorerst begnügt sich China damit den unverhofft zugefallenen Reputationsgewinn einzustreichen, der sich allein schon aus der Tatsache ergibt, dass China


„unerschütterlich“ (MP Li Keqiang) zu seinen Zusagen steht. Indes ist nicht damit zu rechnen, dass China ohne weiteres seine Ambitionen steigern und seine Anstrengungen erhöhen wird. Im Gegenteil, die Volksrepublik wird der gewohnt harte Verhandler bleiben und ihrem potenziellen Führungspartner EU mehr als zuvor abverlangen. Angesichts der Totalverweigerung Washingtons ist Pekings Verhandlungsposition besser denn je. Die Führungsrolle, die China nun nolens volens zufällt, wird man unter dem Primat eigener Interessen mit willigen Partnern gemeinsam zu gestalten suchen. Der Nebeneffekt, die USA weiter auszugrenzen und selbst Verantwortung und Verlässlichkeit zu demonstrieren, ist dabei mehr als willkommen. Priorität Nr. 1 der chinesischen Führung bleibt die sich auf Wirtschaftswachstum gründende politische und soziale Stabilität im Land. Nur in dem Maße, wie ein gelingender Wirtschaftsumbau und eine positive Wirtschaftsentwicklung der bald weltgrößten Volkswirtschaft weitere Spielräume für zusätzliche Klimaschutzbeiträge eröffnet, wird China überhaupt dazu bereit sein mehr zu tun.


II.             Handlungsempfehlungen


Wir sollten die Klimaschutzkooperation mit China – wie beim Petersberger Dialog im Mai begonnen – verstärken und so den Boden dafür bereiten, dass China aus wohl verstandenem Eigeninteresse (Wirtschaftspotenzial, Weltgeltung, Umweltdividende) in einem Pariser Abkommen ohne die USA seine Anstrengungen steigert.


Dabei müssen wir realistisch bleiben: China wird seine internationale Klimapolitik weiterhin zuerst an seinen nationalen Bedürfnissen ausrichten und auch künftig weder ein echter Überzeugungstäter noch ein einfacherer Verhandlungspartner sein.


Zugleich sollten wir das Bewusstsein Chinas für seine nochmals gewachsene eigene Verantwortung fördern: Eine glaubwürdige Klima-Führungsmacht muss mit ambitionierten Minderungszielen und überhaupt gutem Beispiel (u.a. keine Finanzierung von Kohlekraftwerken im Ausland) vorangehen.


III.         Im Einzelnen


1. Wie reagiert China auf die Austrittsankündigung Trumps?


 Lange Zeit galt Peking, der weltgrößte Treibhausgasemittent, als Bremser in der internationalen Klimapolitik. Dann machte 2014 die grundsätzliche Einigung mit den USA, Emittent Nr. 2,  auf Reduktionsziele den Weg für das Übereinkommen von Paris (ÜvP) frei. 2016 war es Chinas StP Xi Jinping, der wiederum gemeinsam mit den USA durch die Ratifikation zum G20-Gipfel in Hangzhou den Weg für ein frühes Inkrafttreten des ÜvP ebnete. Die Reaktion auf einen Rückzug der USA aus dem ÜvP konnte China spätestens seit der US-Wahl im November 2016 vorbereiten. Im Januar 2017 hatte man sich festgelegt: StP Xi Jinping bekannte sich in Davos zum ÜvP und dessen Umsetzung. Dieser Linie blieb Peking treu: PM Li Keqiang betonte in Berlin, dass China zu seiner Verantwortung stehe und „unerschütterlich“ an seinen Versprechen im Rahmen des ÜvP festhalten werde. Am Tag nach Trumps Austrittsankündigung bestätigte das chinesische Außenministerium diese Haltung. Chinas Staatsmedien bewerten den Rückzug der USA aus dem Klimaabkommen als „globalen Rückschlag“ und als „kurzsichtig“. Weitere Bewertungen überlässt Peking den enttäuschten Verbündeten der USA.


 2. Inwieweit profitiert China vom Ausstieg der USA?


Durch den Rückzug der Weltmacht USA streicht China „windfall profits“ ein: fast ohne eigenes Zutun erhält China die Chance, sich seinerseits als Führungsmacht zu positionieren und Verantwortungsbewusstsein sowie Verlässlichkeit zu demonstrieren. Dies kommt China zu einer Zeit gelegen, in der es mit seiner Belt & Road-Initiative (BRI) an nicht weniger als einer Zeitenwende bzw. einer Korrektur der Weltgeschichte baut: Der Aufstieg des Westens seit Entdeckung Amerikas kehrt sich um; mit dem „Wiederaufblühen“ des „Reichs der Mitte“ kommen die Impulse wieder aus dem Osten. Chinas Defizit an Softpower reduziert sich allein durch die Tatsache, dass China im Klimaabkommen verbleibt.


Je mehr Trump, die USA auf einen Isolationskurs führt, desto mehr kann China international Geländegewinne machen. Während China beim Thema Freihandel und Globalisierung angesichts des eignen Protektionismus nur Worte zu bieten hat (u.a. Davos-Rede von StP Xi Jinping), kann China beim Thema Klimaschutz nun auch durch Taten (Reduzierung des Kohleverbrauchs, massive Investitionen in erneuerbare Energien, seit drei Jahren stagnierende CO2-Emissionen) glänzen und sich so der internationalen Gemeinschaft als eine Alternative zur bisherigen Führungsmacht andienen. Entgegen wachsender repressiver Tendenzen im Inneren erscheint China so nach außen als Weißer Ritter.


Der Rückzug der USA bietet China die Kontrastfolie, sich als verantwortungsvolles Mitglied der Weltgemeinschaft zu erweisen, das nach dem Grundsatz „pacta sunt servanda“ vereinbarte Ziele akzeptiert und einhält, obwohl es bekanntlich – etwa im Südchinesischen Meer – immer wieder Ausnahmeregeln für sich reklamiert.


3. Welche Risiken und Nebenwirkungen ergeben sich für China?


Peking fällt mit der Rolle einer globalen Klima-Führungsmacht mehr Verantwortung zu. Vor allem die Augen von Entwicklungsländern, deren CO2-Emissionen wesentlich geringer sind als die Chinas, werden sich künftig stärker auf China richten. Hier ist China aber mit seinen NDC-Zielen, die Raum für eine Ambitionssteigerung lassen, komfortabel aufgestellt. Auch wird kaum ein Staat ein Interesse daran haben, verfrüht und außerhalb der Mechanismen des ÜvP darüber zu diskutieren, wer fehlende Minderungsbeiträge der USA übernimmt. Zudem dürfte China seine nun einsetzende Süd-Süd-Klimaschutz-Kooperation als Zeichen der Übernahme von Verantwortung verstanden wissen wollen und sich gerade dort als Partner anbieten, wo die USA ausfallen.


4. Was können wir von China erwarten?


China ist beim Klimaschutz kein Überzeugungstäter, hat aber aus Eigennutz gute Gründe am Klimaschutz und am ÜvP festzuhalten. Klimaschutz deckt sich mit dem Ziel, China von der Geißel des Smogs zu befreien und seine Volkswirtschaft und Energieversorgung umzubauen. Nicht auszuschließen ist selbst, dass der Rückzug der USA die nationalen Klimaschutzanstrengungen Chinas eher drosseln wird. Im Staatsapparat und in Staatsindustrie gibt es viele, die durch Klimaschutz viel zu verlieren haben und daher die Befürchtung nähren werden, dass ein Rückzug der USA zu Lasten Chinas geht. Diese werden davor warnen, zu viel zu schnell zu tun.


Ein Interesse an einer Neuverhandlung des Pariser Abkommens hat China nicht. Es kann mit dem Vereinbarten gut leben und profitiert von seinem Status als „Entwicklungsland“, den es sich auch in anderen Zusammenhängen je nach politischer Opportunität gern selbst zuschreibt.


5. Wird China sein Klimaengagement steigern?


Seine zentrale ÜvP-Zusage, den Höchststand seiner CO2-Emissionen spätestens 2030 zu erreichen, wird China nach Ansicht von Experten bereits 2025 oder gar früher erreichen. Manche spekulieren sogar, dass bereits ein Höchststand erreicht wurde. Aus dieser Sicht gäbe es also viel Spielraum für gesteigerte Klimaschutzbeiträge Chinas. Dennoch ist nicht zu erwarten, dass China außerhalb der Mechanismen des ÜvP erweiterte Zusagen zur CO2-Minderung machen wird. China wird bei der Umsetzung des ÜvP nicht allein vorangehen, sondern im Gegenzug zu eigenen Ambitionssteigerungen anderen, vor allem seinem Führungspartner EU einiges abverlangen. Auf neue Ziele wird sich die Regierung erst nach Klärung aller wirtschaftlichen, technologischen und politischen Fragen einlassen. Die Höhe eigener Ambitionssteigerungen wird Peking entscheidend davon abhängig machen, dass ausreichender Spielraum für stabilitätssicherndes Wachstum bleibt.

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