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Energie & Klima

Standpunkte EEG abschaffen? Besser nicht!

Milan Nitzschke, BWE-Vizepräsident und BEE-Vorstand
Milan Nitzschke, BWE-Vizepräsident und BEE-Vorstand

Die Abschaffung des EEG wäre ein Schuss ins Knie, argumentiert Milan Nitzschke von den Erneuerbaren-Verbänden BWE und BEE. Zwar entfiele der staatliche Zuschuss, es gäbe aber weniger Erneuerbare und somit dauerhaft höhere Strompreise. Statt es abzuschaffen, sollte das Gesetz ausgebessert werden.

von Milan Nitschke

veröffentlicht am 05.06.2024

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Manch ein Politiker fordert jetzt wieder, das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) abzuschaffen, das für den weltweit einmaligen Erfolg beim Ausbau Erneuerbarer und für die rasante Technologieentwicklung von Wind, Solar & Co. in Deutschland verantwortlich ist. Man müsste sich eigentlich fragen, warum. Aber vielleicht muss man das auch gerade nicht. Daher hier lieber ein Antwortversuch, warum man es besser nicht abschaffen sollte:

Das EEG ist die Weiterentwicklung des Stromeinspeisegesetzes von CDU/CSU und FDP aus dem Jahr 1990 und wurde 2000 von SPD und Grünen beschlossen. Da waren also alle dabei. Und das EEG wirkt. Seit mehr als 20 Jahren ermöglicht es den Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland, mehr, schneller und günstiger als in jedem anderen Land. Bei der Einführung des EEG betrug der Anteil der Erneuerbaren am Stromverbrauch noch sechs Prozent. Mittlerweile machen sie fast 60 Prozent aus. Würde es das EEG nicht geben, hätten wir immer noch Erneuerbare-Energien-Anteile wie Frankreich, Polen oder die Benelux-Staaten, die allesamt bei nur etwa der Hälfte liegen.

Deutschland ohne EEG würde bedeuten, dass wir den Anteil an Kohlestrom gegenüber heute verdoppeln müssten. Die deutsche EEG-Menge entspricht zudem allein etwa zehn Prozent des gesamten europäischen Stromverbrauches. Wäre diese Menge Grünstrom nicht verfügbar, würde der europäische CO2-Preis massiv steigen, der Strompreis sowieso. Das EEG ermöglicht einerseits, dass Deutschland seine Klimaziele erreichen kann, und es stellt andererseits sicher, dass die CO2- und Energiekosten nicht durch die Decke gehen. Der Ausbau der Erneuerbaren muss auch weiterhin forciert werden. Dazu ist das EEG das effektivste Instrument.

Kern des EEGs ist die gesetzlich garantierte Mindestvergütung. Sie dient dazu, Investitionen in erneuerbare Stromerzeugung bankable zu machen, so dass auch KMU investieren können. Während die Akteure in vielen europäischen Ländern vor allem Staatsbetriebe oder multinationalen Konzernen mit hohen Renditeerwartungen sind, ist die erneuerbare Stromerzeugung in Deutschland privat und mittelständisch geprägt.

Grundlage dafür ist das EEG, das es möglich macht, neue EE-Anlagen mit bis zu 90 Prozent Fremdkapital zu finanzieren. Würde die gesetzliche Absicherung entfallen, würde das die Aufnahme von Fremdkapital massiv erschweren und durch Risikoaufschläge verteuern. Übrigens würden auch Industrie-PPA teurer, denn auch für sie bestehen Banken weiterhin auf Absicherung durch das EEG. Die bisherige Akteursvielfalt und resultierende Branchendynamik ginge verloren. Damit würde Deutschland eines wesentlichen Standortvorteils in der Energiewirtschaft beraubt. Der Umbau der Energiewirtschaft würde nicht nur langsamer, sondern auch teurer werden.

Die Sicherungsfunktion des EEG für die notwendigen Investitionen in ein zukunftsfähiges Energiesystem wird also weiter gebraucht. Sie ermöglicht ein ausreichendes Angebot an Strom und den Wettbewerb zwischen erneuerbaren Erzeugungskapazitäten. Die Investition in das EEG zahlt sich aus, erst recht, nachdem die Zeit hoher Mindestvergütungen längst vorbei ist. Je mehr Anlagen aus der Anfangszeit des EEG mit vergleichsweise hohen Vergütungen durch neue Anlagen mit deutlich geringeren Erzeugungskosten, aber viel mehr Erzeugung ersetzt werden, desto mehr sinken die spezifischen Förderkosten.

EEG-Paradoxon: Strompreis sinkt, Staatsausgaben steigen

Die staatlichen Kosten des EEG hängen wiederum an einem ganz anderen Mechanismus, dem sogenannten EEG-Paradoxon: Je erfolgreicher das EEG darin ist, sauberen Strom bereitzustellen, desto mehr sinken CO2- und Strompreis als Ergebnis von wachsendem Angebot. Damit erhöhen sich aber die Differenzkostenzwischen EEG-Vergütung und Marktpreis. Früher wurden diese Differenzkosten auf die Strompreise umgelegt, Kosten und Entlastung fanden sich also auf der gleichen Rechnung. Heute aber, nach Entscheidung der Ampel, übernimmt der Staat die Förderkosten zur Entlastung der Stromverbraucher.

Das kann man machen, aber dann darf man sich nicht beklagen, dass, je erfolgreicher das EEG den Strompreis senkt, der staatliche EEG-Finanzierungsbedarf umso höher wird. So liegt er in diesem Jahr wieder auf den Werten von 2021 und Vorjahren, übrigens aber auch nicht höher. Und mittelfristig werden technischer Fortschritt, vereinfachte Verfahren und der Wegfall von Altanlagen aus dem EEG insgesamt zu einer Absenkung des Zuschussbedarfes bis hin zu Null am Ende des Weges führen. Kurz: Mit EEG haben wir mehr Erneuerbare, geringere Preise, dafür kurzfristig einen höheren Zuschuss – ohne EEG dagegen weniger Erneuerbare, einen geringeren staatlichen Zuschuss, aber dauerhaft höhere Strompreise.

Wenn eine Abschaffung des EEG also ein Schuss ins Knie wäre, kann man es dann zumindest verbessern? Das geht auf jeden Fall, denn mit der Aufblähung von ursprünglich dreieinhalb auf heute 195 Seiten sind reihenweise Bürokratismen ins Gesetz gekommen, die seine Anwendung erschweren. Hier kann man vereinfachen. An anderer Stelle, beispielsweise im Hinblick auf die EU-Strommarktrichtlinie und um Auswüchse wie in der Hochpreisphase von 2022 zu vermeiden, könnten dafür Regelungen eingefügt werden, die neben den Mindestvergütungen auch Erlösobergrenzen festlegen. Für Direktvermarkter wiederum müssen Anreize gesetzt werden, Strommarktpreise nicht unter Null fallen zu lassen.

Vor allem aber braucht das EEG eine Komponente, die nicht nur die Erzeugung, sondern auch die Verfügbarkeit von Erneuerbare-Energien-Strom absichert, also Anreize schafft, Erzeugung mit flexiblen Lasten, Speicherung, Power2Heat, Wasserstoffproduktion etc. zu kombinieren. Klar, all diese Technologien werden kommen, sowieso. Genauso wie aber die Erneuerbaren ohne EEG nicht schnell ausgebaut worden wären, so werden auch flexible Stromsenken und Systemintegration ohne entsprechende Stellschrauben im EEG nicht schnell genug kommen. Konzentrieren wir uns doch besser darauf.

Milan Nitzschke ist Vizepräsident des Bundesverbandes Windenergie (BWE) und Vorstandsmitglied im Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE). Darüber hinaus ist er Geschäftsführer des Unternehmens SL Naturenergie aus Gladbeck und Vorstandsmitglied im LEE NRW.

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