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Energie & Klima

Analyse „Für 30 Milliarden Euro elektrifizieren wir Afrika“

In dem Moment, wo wir den Menschen in Afrika die Kilowattstunden bringen, können sie Geschäfte machen, sagt Thomas Duveau, Chefstratege des Berliner Energieunternehmens Mobisol. Im Interview mit Tagesspiegel Background spricht er über übersprungene Entwicklungsstufen, nachhaltige Entwicklungsziele und das Potenzial des afrikanischen Marktes für erneuerbare Energien.

veröffentlicht am 20.12.2017

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Herr Duveau, warum will man als deutsches Start-up im Bereich der erneuerbaren Energien ausgerechnet in Afrika aktiv werden?


Mobisol hat sich ganz bewusst für den afrikanischen Markt entschieden. Thomas Gottschalk, unser Gründer und zudem studierter Ingenieur für erneuerbare Energien, ist 2009 durch Afrika gereist. Aufgefallen ist ihm, dass die Menschen in den ländlichen Regionen keinen Zugang zu Strom haben, es aber gleichzeitig überall Sonne gibt. Also lag es klar auf der Hand, dass Solarstrom in diese Dörfer muss. Darauf zu warten, dass diese Haushalte irgendwann ans Stromnetz angeschlossen werden, kann man vergessen. Die Netzbetreiber interessieren diese Haushalte nicht. Die Alternative sind Kerosinlampen oder Dieselgeneratoren. Das ist nicht nur verhältnismäßig teuer, sondern ist auch schlecht für die Gesundheit.


Wie ist Gottschalk vorgegangen?


Er hat sich gefragt: Was sind denn die Eintrittsbarrieren, dass erneuerbare Energien in Ländern wie Deutschland funktioniert, aber beispielsweise in Ländern wie Afrika überhaupt nicht? Die Antwort ist über mehrere Monate in vielen Gesprächen entstanden: Afrikaner, die auf dem Land wohnen, haben kein Geld, eine Solaranlage von guter Qualität in bar zu bezahlen. Überhaupt nur ein Prozent der Bevölkerung Tansanias besitzt ein Bankkonto. Also muss man einen Zahlungsmechanismus finden. Wir haben dann sehr schnell herausgefunden, dass es funktioniert, wenn die Bezahlung über das Handy läuft. In Afrika nennt man das „Mobile Money“, also eine auf Handy-basierte Übertragung von Geld. 50 Prozent des Bruttosozialprodukts von Kenia wird bereits über das mobile Konto „M-PESA” ausgetauscht.


Welche Chancen resultieren daraus?


In Ländern wie Afrika kann man sich sogenannte „Leap frogs“ zu Nutze machen. Das heißt, dass gewisse traditionelle Infrastrukturstufen einfach übersprungen werden. Anstatt Banken gibt es also das „Mobile Money“, anstatt auf den Netzausbau muss man auf Dezentralität setzen, auf den sogenannten „off-grid“ Bereich.


Wie genau funktioniert das Geschäftsmodell von Mobisol? 


Wir liefern fertige Solarsysteme, bestehend aus einem Solarpanel von bis zu 200 Watt Leistung, einer Batterie und den Endgeräten wie beispielsweise LED-Lampen, Fernseher, Handyladestationen oder das Radio an Haushalte in Dörfern in afrikanischen Ländern. Zunächst sind wir in Tansania, Kenia und Ruanda gestartet, aber mittlerweile sind wir auch in der Elfenbeinküste und Äthiopien aktiv. Die Solarpanele werden auf den Dächern installiert. Die Haushalte können die Anlage in monatlichen Raten von etwa 20 US-Dollar in einem Zeitraum von drei Jahren abbezahlen und zwar über das Handy.


Können sich die Haushalte in den ländlichen Gebieten Afrikas das leisten?


Unserer Einschätzung nach können sich das – je nach Land – etwa 20 bis 50 Prozent der Bevölkerung Afrikas aus eigener Tasche leisten. Für den Rest braucht es Fördergelder. Hier kümmern wir uns bereits ganz gezielt um Partnerschaften mit deutschen oder afrikanischen Ministerien, Stiftungen oder internationalen Entwicklungsbanken.Denn unser Anspruch ist es, ganz Afrika zu elektrifizieren und zwar in den kommenden zehn Jahren. Wir haben eine Lösung entwickelt, die sehr viel günstiger ist als der Netzausbau und deutlich mehr kann als die Kerosinlampe. Und die Preise bei Solarsystemen werden weiter fallen.


Wie kommen Sie in den Dörfern an? 


Sehr gut, und zwar deshalb, weil wir uns von Beginn an daran orientiert haben, was die Leute wirklich brauchen. Was also brauchen sie? Bezahlbare, verlässliche Stromversorgung für das Handy, das Deckenlicht, den Fernseher, den Kühlschrank, den Ventilator. Das Problem ist ja derzeit, dass das Handy irgendwann leer ist und dann müssen die Dorfbewohner ist die nächste, größere Stadt fahren, um das Handy dort aufzuladen. Damit geht im Durchschnitt ein Tag pro Woche verloren.


Bitte nennen Sie ein paar Zahlen: Wie erfolgreich ist Mobisol mittlerweile in Afrika?


Wir haben etwa 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Tansania, Kenia und Ruanda. Wir haben über 500.000 Menschen mit Solarstrom ausgestattet, also die komplette Bevölkerung von Hannover mit 100 Prozent Solarenergie versorgt. Jedes Jahr werden dank Mobisol Solaranlagen über 50.000 Tonnen CO2 eingespart.


Sind Ihre Kunden ausschließlich Haushalte? 


Mit Haushalten haben wir ursprünglich angefangen. Wir machen aber zunehmend die interessante Beobachtung, dass etwa ein Drittel unserer Kunden mit der Anlage Geld macht. Und zwar dadurch, dass sie die sichere Stromquelle dafür nutzen, selbst ein Geschäft zu betreiben. Da wird beispielsweise ein sogenanntes „Village Cinema“ aufgezogen. Oder es kann endlich eine Werkstatt gegründet werden, weil Strom sicher und bezahlbar ist. Wir als Mobisol expandieren also zunehmend ins Gewerbe. Da entstehen unglaublich viele neue Geschäftsmodelle. In dem Moment, wo wir den Menschen die Kilowattstunden bringen, können sie ihr Geschäft verwirklichen.


Es gab mal das Gerücht, dass die Solarpanele geklaut werden. Stimmt das?


In unserem ursprünglichen Geschäftsplan hatten wir die Annahme, dass etwa fünf Prozent der installierten Panele geklaut werden oder das Zahlungssystem umgangen wird. Das erste Panel, was uns geklaut wurde, wurde in Berlin geklaut. Die Diebstahl-Quote liegt eigentlich bei Null. Unsere Panele sind gut installiert und zudem müsste der Dieb ja ins Haus und die Batterie mitnehmen. Man darf auch nicht vergessen, dass der soziale Zusammenhalt in den afrikanischen Dörfern hoch ist. Ein Dieb würde da sicherlich auffallen. Eine Alarmanlage in jedem System garantiert darüber hinaus, dass ein sehr lautes Signal erklingt, sollte es doch jemand mit Diebstahl versuchen.


Merken Sie Unterschiede zwischen einzelnen afrikanischen Ländern? Beispielsweise sind Sie ja in Äthiopien erst vor Kurzem eingetreten. Wiederum ist Mobisol in Kenia, Tansania und Ruanda seit Jahren aktiv.


Allen Ländern ist tatsächlich gemeinsam, dass sie ländliche Gebiete haben, die nicht elektrifiziert sind. Etwa 30 Prozent der Menschen leben in den Hauptstädten dieser Länder. Die anderen 70 Prozent leben auf dem Land ohne Zugang zu Strom. Wir sind außerdem aktiv in der Elfenbeinküste, wo wir mit einem lokalen Partner aus der Mikrofinanzierung unterwegs sind. Das läuft dann so, dass wir weiterhin Panele, Batterie und Geräte liefern. Das Angebot wird aber unter Umständen unter einem anderen Namen vertrieben wird. Die Zusammenarbeit mit dem lokalen Partner hilft sehr, denn dieser kennt seinen eigenen Markt sehr gut. Uns würde das ein paar Jahre kosten, einen neuen Markt erst wieder kennenzulernen.


Warum bauen denn die lokalen Partner kein eigenes Geschäft auf?


Der Vorteil von Mobisol besteht darin, dass alle unsere Prozesse digitalisiert sind. Das heißt, es geht viel schneller und günstiger, aber dennoch liefern wir eben die qualitativ guten Produkte. Zudem decken wir alle Services ab, von der Lieferung bis zur Reparatur. Der Partner muss nur das Produkt vertreiben. Vor Ort bilden wir als Mobisol dann Personal aus, das die Solarpanele und die Batterie installieren und warten kann. Unseren Partnern kommt zugute, dass sie die Fehler, die wir begangen haben, nicht wiederholen müssen. Wir liefern ein schon erprobtes Geschäftsmodell, zusammen mit deutscher Technologien.


Tauschen Sie sich als Mobisol mit der Politik aus?


Das Interesse ist auf jeden Fall groß. Wir wissen, wie wir den afrikanischen Kontinent in den kommenden zehn bis fünfzehn Jahren vollständig elektrifizieren können. Da würden wir uns mehr Zusammenarbeit wünschen, sei es mit der Weltbank, mit deutschen Ministerien oder auch den Ministerien in Afrika. Wir wollen mithelfen, eines der Nachhaltigen Entwicklungsziele wirklich zu realisieren, nämlich die 100-prozentige Elektrifizierung bis 2030.


Insgesamt würde das für Afrika pro Haushalt ungefähr 300 Euro kosten, für eine komplette Ausstattung, inklusive Fernseher und Internetzugang. Also für die 100 Millionen Haushalte, die in Afrika noch keinen Strom haben, nur 30 Milliarden Euro. Innerhalb von zehn Jahren. Also drei Milliarden Euro pro Jahr. Das wäre in unserer Sicht die effektivste Investition auf dem ganzen Kontinent. Mit enormen Chancen für ländliches Wachstum, sicheren Jobs und weniger CO2-Emissionen.


Wie umkämpft ist derzeit der afrikanische Markt für erneuerbare Energien?


Wir reden über 100 Millionen Haushalte, die noch keinen Strom haben und wir sind vielleicht, wenn es hoch kommt, sieben Unternehmen, die einen guten Ruf haben und vernünftige Produkte im Bereich erneuerbare Energien vertreiben. Das sind meistens Unternehmen aus dem Ausland. Wir alle zusammen decken gerade mal drei Prozent dieses Marktes ab. Mobisol freut sich also über jede neue Konkurrenz und jede Firma, die in Afrika im Sektor erneuerbare Energien aktiv wird. Der Bedarf ist riesig. Warum nehmen sich nicht mehr Firmen dem Problem an? Weil viele leider eben nicht diese letzte Meile der Elektrifizierung in diesen ländlichen Regionen bedienen wollen. Für sie ist schlicht die Hürde zu hoch und es ist einfach nicht attraktiv. Ich für meinen Teil bin da übrigens sehr gerne unterwegs.

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