Die Einführung von Oberleitungs-LKW mit einem Dieselmotor als hybrider Komponente kann wirtschaftlich einen entscheidenden Beitrag zur Reduktion der Treibhausgasemissionen des weiter wachsenden Straßengüterverkehrs leisten. Zu diesem Schluss kommen das Fraunhofer ISI und weitere Forschungsinstitute in einer Machbarkeitsstudie für das Bundesverkehrsministerium (BMVI). Voraussetzung dafür sei, dass die benötigte Oberleitungsinfrastruktur durch die öffentliche Hand oder über die Nutzung von Public-Private-Partnership-Modellen (PPP) vorfinanziert und gut ausgelastet wird. Insgesamt seien die Ausstattung von ca. 4.000 km der meistgenutzten Autobahntrassen (30 Prozent des Gesamtnetzes) mit Oberleitungen und die Umrüstung von 250.000 Lkw (ca. 80 Prozent der schweren Nutzfahrzeuge) wirtschaftlich darstellbar. Die Kosten für den Oberleitungsbau werden in der Studie mit acht bis zehn Milliarden Euro taxiert.
Emissionsminderungspotenzial
Bei einem Fahrzeugbestand von 250.000 Hybrid-Oberleitungs-Lkw (HO-Lkw), so die Studienautoren, könnten rund 10 bis 12 Millionen Tonnen an Treibhausgasen im Vergleich zu einer Flotte mit herkömmlichen Diesel-Motoren eingespart werden – solange der genutzte Strom komplett regenerativ erzeugt wird. Bei der genannten Menge an umgerüsteten Fahrzeugen, rechnen die Autoren mit einem Anstieg der jährlichen Stromnachfrage um ca. 36 Terrawattstunden. Wobei die Herausforderung darin bestünde, dass die Nachfrage regional stark unterschiedlich ausfallen würde und weitgehend unflexibel wäre – also zeitlich nicht verschoben werden könnte. Ergänzende Flexibilität (Erzeugungsanlagen, Speicher o.ä.) an anderer Stelle im Energiesystem würde daher notwendig werden. Der notwendige Energieeinsatz falle bei den HO-Lkw aber wesentlich geringer aus als bei vergleichbaren Ansätzen zur Dekarbonisierung des LkW-Verkehrs auf Basis von mit erneuerbrarem Strom erzeugten Kraftstoffen.
Entwicklungsstand
Was die technische Reife anbelangt, sieht die Studie die HO-Lkw-Technologie derzeit in der „Marktvorbereitungsphase“. Unter guten Voraussetzungen sei der Beginn des Markthochlaufs aber ab 2020 möglich, heißt es in der Studie weiter. Um das Klimaziel für 2050 mit der Technologie zu erreichen, müsse die politische Entscheidungen für den Aufbau des Systems in den nächsten Jahren getroffen werden, ansonsten wären weitere Maßnahmen im Schwerlastverkehr zur Zielerreichung notwendig. Um die Wirtschaftlichkeit weiter zu verbessern, so die Studienautoren, sei zudem eine europäische Lösung anzustreben.
Als zentrales Hindernis für die Einführung von HO-Lkw identifiziert die Studie insbesondere Akzeptanzprobleme. Lkw-Hersteller befürchten Verluste in ihren Wertschöpfungskette, Logistikdienstleister Flexibilitätsverluste. Politisch steht das Konzept in Konkurrenz zur Verlagerung von Güterverkehr auf die Schiene. In einigen EU-Ländern friste das Thema außerdem nur ein „Nischendasein“.
Weiterer Forschungsbedarf
Zu den Akzeptanzproblemen der Technologie wie ihrer Integration in das Energiesystem empfehlen die Studienautoren weitergehende Analysen. Entstanden ist Studie im Rahmen der Begleitforschung zur Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie der Bundesregierung.