Zunächst eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse: Für die letzten Kilometer der Erdgas-Pipeline Nordstream 2 gründet die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns die landeseigene “Stiftung Klima- und Umweltschutz MV”. Sie wird teilfinanziert mit insgesamt 60 Millionen Euro der russischen Nord-Stream-2-AG, um den klimaschädlichen Pipelinebau zu vollenden.
Untermauert wird das mit folgenden Argumenten: Erdgas sei als Brückentechnologie trotz oder sogar wegen der Klimakrise geeignet; wir bräuchten das Gas für unsere Versorgungssicherheit; Nord Stream 2 sei ein europäisches Projekt. Dabei ist Erdgas hochgradig klimaschädlich, der Gasbedarf sinkt und das EU-Parlament hat sich diese Woche für einen sofortigen Baustopp eingesetzt. Aber der Reihe nach.
Inmitten der Klimakrise bauen wir einen fossilen Tempel
2020 war das global zweitwärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Nur 2016 lag die Durchschnittstemperatur höher. Insgesamt waren die letzten zehn Jahre die wärmste Dekade überhaupt und in Europa verschärfen wir gerade die Klimaziele massiv.
Das Nature Magazin zeigte jüngst, wie fatal die Gas-Förderung ist. Ein Viertel der weltweiten Methan-Emissionen kommen durch die Förderung in die Atmosphäre – und Methan ist bis zu 80 Mal schädlicher fürs Klima als CO2. Forscher*innen machen die Gasförderung weltweit für rund ein Drittel der Emissionen aus fossilen Energien verantwortlich. Erdgas ist ein Klimakiller und wir errichten gerade einen neuen fossilen Infrastrukturtempel, der bis 2050 Gas liefern soll. So erreichen wir unsere Klimaziele niemals.
Keine eigenen Gasbedarfsrechnungen
Ein bitterer Witz an der Sache ist: Schon 2015 monierte der Europäische Rechnungshof an den durch die EU unterstützten Gasprojekten: „Der (Gas-)Bedarf wird seit Jahren überschätzt, weil die EU keine eigene Rechnung anstellt, sondern sich auf externe Prognosen verlässt.“ Sogar das Bundeswirtschaftsministerium geht in Prognosen von sinkenden Bedarfsmengen aus.
Wir brauchen das Gas also nicht. Doch die Gaslobby hält dagegen. Wie unverfroren, konnten wir im Juli 2020 anlässlich der Wasserstoffstrategie der EU-Kommission sehen. Etliche Prognosen für den Wasserstoff- und Erdgasbedarf der EU kamen federführend aus einer Studie der Gasindustrie. Ist die Landesregierung mit ihren Berechnungen klüger als der Europäische Rechnungshof und das Bundeswirtschaftsministerium? Nein, sie ist einfach nur dreist.
Keine Gas-Projekte mehr notwendig
Manuela Schwesigs drohender Ikarusflug kommt im Europäischen Parlament nicht gut an. Das fordert jetzt einen sofortigen Baustopp der Pipeline und will damit Deutschlands energiepolitische Achterbahnfahrt beenden. Im Brüsseler Parlament versteht kaum jemand, wieso wir uns in Putins Hände bei der Energieversorgung begeben. Denn Ziel der Energiewende ist einerseits die Klimakrise einzudämmen, andererseits aber auch eine europäische „strategische Autonomie“ in der Energieversorgung zu erreichen. Beides geht nur mit erneuerbaren Energien. Nord Stream 2 blockiert deren schnelle Entwicklung.
Anstatt also jetzt in die Zukunft zu investieren, wird eine Pipeline für rund zehn Milliarden Euro gebaut. Als Gegenentwurf zeigt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin auf, welche Investitionen in welche Technologien fließen müssten, damit wir so schnell wie möglich 100 Prozent Erneuerbare in der EU erreichen. Darunter befindet sich kein einziges Gas-Projekt. Auch der Chef der Europäischen Investitionsbank betonte jüngst, das Gas-Zeitalter sei vorbei.
Noch nicht in Betrieb, schon aus der Zeit gefallen
Fassen wir zusammen: Ein Drittel der fossilen Emissionen weltweit kommen durch Gas-Projekte zustande und im Jahr 2021 soll trotzdem das größte fossile Infrastrukturprojekt Deutschlands fertiggestellt werden. Obwohl die Grundversorgung mit Gas gesichert ist. Wir brauchen keine neue Pipeline. Und zu guter Letzt entwickelt sich die Pipeline zur größten Blockade der deutschen Außenpolitik. Das EU-Parlament hat sich erneut gegen das Projekt und damit die Energiepolitik Deutschlands gestellt. Nord Stream 2 ist noch nicht einmal in Betrieb, wirkt aber schon jetzt wie aus der Zeit gefallen.
Die Studentin Theresia Crone kommt aus Schwerin und engagiert sich seit Februar 2019 bei Fridays for Future. Sie ist im Zukunftsrat der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern und legte kürzlich den Vorsitz des „Rat für Umwelt und Nachhaltigkeit“ aus Protest gegen die Unterstützung des Landes für Nord Stream 2 nieder.
Michael Bloss ist Abgeordneter
der Grünen im Europaparlament und
verhandelt derzeit das Europäische Klimaschutzgesetz.