Für den Gebäudesektor drängt die Zeit. Innerhalb der nächsten 20 Jahre muss er seine CO2-Emissionen von rund 102 Millionen Tonnen auf Netto-Null reduzieren. Mit dem Gebäudeenergiegesetz (GEG), dem Wärmeplanungsgesetz (WPG) und der EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) wurden von der Politik dafür bereits wichtige Weichen gestellt.
Die Richtung stimmt, doch noch bremsen bürokratische Hürden, konfligierende Gesetze und politische Unsicherheiten die Transformation. Damit sich das ändert, müssen jetzt einige Hebel umgelegt werden.
Endlich einen verlässlichen Förderrahmen schaffen!
Bau- und Sanierungsprojekte erfordern lange Vorlaufzeiten, oft bis zu 36 Monate. Damit Planungen in die Tat umgesetzt werden können, braucht es politische Kontinuität und finanzielle Planbarkeit. Die Realität sieht jedoch anders aus: Die Förderbedingungen der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) änderten sich in den vergangenen Jahren mehrfach und teils kurzfristig. Einige Programme wurden sogar abrupt eingestellt. Die Bau- und Sanierungsrate hat dadurch ein Rekordtief erreicht: Zwischen Januar und August 2024 sank die Zahl der Baugenehmigungen für Mehrfamilienhäuser im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 20 Prozent.
Eine Umkehr dieses Trends ist nur möglich, wenn alle demokratischen Parteien und gesellschaftlichen Akteure endlich an einen Tisch kommen und sich auf einen übergreifenden Konsens zur mehrjährigen Absicherung des Förderrahmens einigen. Dazu gehört auch eine zuverlässige Mittelausstattung der Förderprogramme. Hier sollten in Zukunft alle Möglichkeiten geprüft und notfalls auch über neue Wege nachgedacht werden.
Das könnten beispielweise die Einführung von Umlagesystemen oder Fonds sein, die außerhalb des Haushalts angesiedelt sind. Dabei ist klar, dass Steuergelder stets zielgerichtet und nicht nach dem Gießkannenprinzip verwendet werden müssen. Darüber hinaus gilt es auch die Mobilisierung von privatem Kapital zu erleichtern, um zügig eine Welle der energetischen Sanierung und des energieeffizienten Neubaus auszulösen.
EU-Taxonomie nach dem Worst-First-Prinzip
Ein weiteres Hemmnis auf dem Weg zur Klimaneutralität ist die EU-Taxonomie-Verordnung, die Kapitalströme in nachhaltige Investitionen lenken soll. Der Grund: Aktuell belohnt die Regelung primär Investitionen in ohnehin schon hocheffiziente Gebäude. Die energetische Sanierung von ineffizienten „Worst Performing Buildings“ wird dabei vernachlässigt – obwohl diese aus Klimaschutzsicht das größte Potenzial bieten.
Die Sanierung eines Gebäudes mit der Effizienzklasse G auf Klasse C bringt enorme Emissionsreduktionen, deutlich mehr als zum Beispiel von C auf A. Mit Blick auf die Kapitalströme ist deshalb ein Paradigmenwechsel dringend notwendig: Die EU-Taxonomie muss den Grundsatz „worst-first“ aufgreifen und gezielt Investitionen in die energetisch schlechtesten Gebäude lenken.
Datenbank hilft bei der Identifizierung
Die Umsetzung der neuen EU-Gebäuderichtlinie in nationales Recht bietet Deutschland die Chance, den Gebäudesektor zukunftssicher zu gestalten. Wichtig dabei ist jedoch, eine Balance zwischen ambitionierten Zielen und wirtschaftlicher Machbarkeit zu finden.
Eine wichtige Voraussetzung dafür ist eine nationale Gebäudedatenbank. Mit ihr könnten in Zukunft sämtliche Energieausweisdaten zentral erfasst und so bequem die energetisch ineffizientesten Gebäude identifiziert werden. Diese Datenbank ist essenziell, um die Mindeststandards der EU-Gebäuderichtlinie effizient umzusetzen und auch, um die Taxonomie-Konformität nachweisen zu können.
Jetzt die Weichen stellen
Ein „Weiter wie bisher“ ist keine Option. Die Transformation des Gebäudesektors ist unumkehrbar – aber sie muss wirtschaftlich erreichbar und sozial verträglich sein. Verlässliche Rahmenbedingungen, gezielte Förderung und eine Neuausrichtung der EU-Taxonomie sind die Hebel, um den Weg zur Klimaneutralität zu beschleunigen.
Die Herausforderungen sind groß, aber die Chancen sind es auch. Der Gebäudesektor kann zu einem Vorbild für die nachhaltige Transformation werden – wenn Politik, Wirtschaft und Gesellschaft an einem Strang ziehen. Jetzt ist der Moment, den Gebäudesektor fit für die Zukunft zu machen.