Braucht Berlin ein kommunales Stadtwerk, das erneuerbare Energien
produziert, an möglichst viele Berliner Kunden verkauft und außerdem
noch als Dienstleister tätig wird – etwa bei der energetischen Sanierung
öffentlicher Gebäude? Bei der Antwort auf diese Frage stießen am
Donnerstag im Parlament zwei Welten aufeinander. Rot-Rot-Grün begrüßte
das neue Projekt euphorisch als einen Motor der Klimawende. Die
Opposition lehnte das Stadtwerk als ideologisch getriebenes und für den
Steuerzahler teures Experiment strikt ab.
Nun ist das Stadtwerk nicht ganz neu, und der Streit darum auch nicht.
Im Oktober 2013 beauftragte das Landesparlament den Senat, einen
„integrierten Dienstleister“ als rechtlich selbstständige
Tochtergesellschaft der Berliner Wasserbetriebe (BWB) zu gründen. Das
neue Stadtwerk darf bisher ausschließlich erneuerbare Energien
produzieren und nur diese am Berliner Markt vertreiben. Die Produktion
und der Vertrieb von Strom aus anderen Quellen ist nicht erlaubt. Dies
war ein Kompromiss zwischen den ehemaligen Regierungspartnern SPD und
CDU. Spötter sprachen von einem „Bonsai-Stadtwerk“.
Das soll nun wachsen. Oder wie es der Grünen-Energieexperte Stefan Taschner in der Parlamentsdebatte sagte: „Wir entfesseln die Stadtwerke“. Es solle Strom nicht nur nachhaltig herstellen, sondern auch preiswert verkaufen. Erst im Herbst 2015 ist das kleine Versorgungsunternehmen an den Start gegangen und zählt bisher 2500 Kunden. Mittelfristig peilt die Koalition über 100000 Kunden an, die mit günstigem Ökostrom versorgt werden sollen, der nicht nur aus dem Umland importiert, sondern auch in der Stadt mit Hilfe von Solardächern oder aus Blockheizkraftwerken produziert werden soll. Mit einer Änderung des Berliner Betriebegesetzes werden dem Stadtwerk auch weitere Aufgaben zugewiesen, etwa als Berater oder energetischer Sanierer. Um endlich auf die Beine zu kommen, erhält das Klein-Unternehmen eine Kapitalspritze von 100 Millionen Euro.
Alle Berliner seien aufgerufen, Kunde des Stadtwerks zu werden, sagte
der SPD-Abgeordnete Jörg Stroedter. Der Ex-Wirtschaftssenator Harald
Wolf (Linke) sprach von einer „längst überfälligen Entscheidung“. Bisher
sei berlin Schlusslicht beim Primärverbrauch erneuerbarer Energien, die
privaten Konzerne hätten die Energiewende verschlafen. Der Opposition
warf er vor, Schwarzmalerei zu betreiben.
Das sah der FDP-Abgeordnete Henner Schmidt anders. Das Stadtwerk biete
wenig Nutzen, aber hohe wirtschaftliche und finanzielle Risiken.
Bundesweit gingen die renditen von Stadtwerken gegen Null. Der
CDU-Kollege Jürn Schultze-Berndt sprach von einem „leichtfertigen Umgang
mit Steuergeldern“ und auch der AfD-Mann Christian Buchholz sieht
„langfristig hohe Kosten auf die Berliner zukommen“.