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Standpunkte Biodiversität ist ein Muss im Risikomanagement

Armina Schädle (Foto), Managerin Financial Services, und Tania Jötten, Senior Associate für Risikomanagementprozesse, von der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG
Armina Schädle (Foto), Managerin Financial Services, und Tania Jötten, Senior Associate für Risikomanagementprozesse, von der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG Foto: KPMG

Finanzakteure müssen ihr Risikomanagement um die Herausforderung der Naturkrise erweitern, meinen Armina Schädle, Managerin Financial Services, und Tania Jötten, Senior Associate für Risikomanagementprozesse, von der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG in ihrem Standpunkt-Gastbeitrag. Sie beraten Banken zu Veränderungsprozessen im Risikobereich, insbesondere zu Nachhaltigkeitsrisiken (ESG).

von Armina Schädle

veröffentlicht am 16.02.2023

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Nur 29 der 100 umsatzstärksten deutschen Unternehmen sehen einen Verlust der biologischen Vielfalt (Biodiversität) als Geschäftsrisiko an. Das ist eines der Ergebnisse des „KPMG Survey on Sustainability Reporting“ 2022, für den die Berichterstattung der jeweils hundert umsatzstärksten Unternehmen aus 58 Ländern ausgewertet wurde – darunter die 250 größten der Welt. (Tagesspiegel Background berichtete.)

Dies zeigt: Es gibt Aufholbedarf – auch für Finanzinstitute, von denen inzwischen die Aufsichtsbehörden fordern, Biodiversität im Risikomanagement angemessen zu berücksichtigen. Der Verlust der Artenvielfalt in der Tier- und Pflanzenwelt stellt damit in zweierlei Hinsicht ein Geschäftsrisiko für Finanzakteure dar. Denn deren Firmenkunden sind so gut wie ausnahmslos direkt oder indirekt von der Natur abhängig und damit von den Folgen durch Biodiversitätsverlust bedroht. Das bestätigt auch der Global Risks Report 2022 des Weltwirtschaftsforums, der den Verlust der biologischen Vielfalt als eines der drei größten Risiken für die kommenden zehn Jahre einstuft.

Doch wie lassen sich Risiken in puncto Biodiversität überhaupt erfassen und bewerten? Beim Klimaschutz ist man sich einig: Es geht hauptsächlich um die Reduzierung von CO2-Emissionen. Eine solche transparente Metrik gibt es bei der Biodiversität nicht. Hier sind die Ursachen und Treiber der Zerstörung von Ökosystemen vielfältig. Das macht das entsprechende Risikomanagement komplexer.

Biodiversität hat viele Risiko-Treiber

Zu unterscheiden ist zwischen physischen Risiken und Übergangsrisiken (Transitionsrisiken) durch den Verlust der Biodiversität. Physische Risiken entstehen, wenn natürliche Systeme gestört werden. Ein Beispiel ist das fortschreitende Artensterben, das unter anderem zum Verlust der für die Nahrungsmittelproduktion notwendigen Bestäuber – Insekten und Vögel – führt.

Die physischen Risiken betreffen vor allem Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei und Viehzucht, da ihre Produktion von intakten Ökosystemen – Böden und Gewässern – abhängt. Aber auch andere Branchen, etwa der Energiesektor, das verarbeitende und das Baugewerbe, der Transportsektor, der Bergbau und die Rohstoffgewinnung haben negative Einflüsse auf die Natur und fördern den Verlust der Biodiversität – was auf sie und ihre Geldgeber zurückschlagen kann.

Hier manifestieren sich Übergangsrisiken. Darunter versteht man finanzielle Verluste, die Instituten direkt oder indirekt infolge des Anpassungsprozesses an eine kohlenstoffärmere, naturverträgliche und nachhaltigere Wirtschaft entstehen können. Solche Risiken könnten beispielsweise aufgrund vielfach recht unverhofft verabschiedeter politischer Maßnahmen zum Klima- und Umweltschutz, aufgrund des technischen Fortschritts oder durch Veränderungen bei Markstimmungen und Präferenzen zum Tragen kommen.

Darum muss das Risikomanagement der Finanzinstitute Länder und Regionen im Hinblick auf Übergangsrisiken im Auge behalten. Denn es gelten je nach Land unterschiedliche Regeln zur Bewahrung der Biodiversität, an denen sich Unternehmen orientieren. Finanzinstitute, die diese Unternehmen finanzieren, tragen indirekt das Risiko des Biodiversitätsverlusts mit, das dadurch entstehen könnte, dass diese Firmen Regeln missachten.

Auch der Import und Export von Waren gehört zu den Risikofaktoren bei der Biodiversität: Geht er umweltfreundlich vonstatten – oder trägt er zur Zerstörung der Natur und zur Ausbeutung der natürlichen Ressourcen bei? Davon können etwa in der EU Handelsgenehmigungen abhängen. Nicht zuletzt stellt auch das Reputationsrisiko eine wesentliche Komponente dar, welche beim Abwägen von Geschäft und Risiko einkalkuliert werden sollte. So kann beispielsweise eine übermäßige oder toxische Verschmutzung durch ein Unternehmen oder seine Zulieferer ansässige Arten bedrohen und zu einer erheblichen Rufschädigung führen.

All diese Beispiele zeigen: Für das Risikomanagement zum Thema Biodiversität müssen Finanzakteure ein multidimensionales Netz aus Risikotreibern zusammenstellen.

Interne Transparenz als Teil der Lösung im Kerngeschäft

Einige Finanzinstitute haben Biodiversität bereits in ihre Risikotreiberanalyse aufgenommen, um zu untersuchen, ob die biologische Vielfalt oder der Verlust von Ökosystemen große Auswirkungen auf ihr Portfolio hat oder haben könnte. Einige von ihnen fragen das Thema auch mit qualitativen Fragen im Kundengeschäft ab.

Erste Häuser versuchen, Biodiversität ins Kreditscoring zu integrieren und im Stresstesting unterschiedliche von der Norm abweichende, aber plausible Szenarien zu simulieren, um bei Kreditentscheidungen eine transparentere Entscheidungsfindung zu gewährleisten.

Neben den zentralen Herausforderungen, Transparenz zum eigenen Risiko zu schaffen und regulatorisch auf dem Laufenden zu bleiben, sollten Banken und Finanzdienstleister über das regulatorische Mindestmaß bei Biodiversität hinaus gehen und mehr Eigeninitiative an den Tag legen.

Denn: Der Schutz der Biodiversität ist ein globales Thema, das jedes Portfolio betreffen wird. Dem wird sich in Zukunft keiner entziehen können: Das gilt für Gesellschaft, Politik, Unternehmen und Finanzakteure.

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