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Standpunkte Unternehmensrecht als Schlüssel zu mehr Nachhaltigkeit

Christian Kroll (Unternehmer)
Christian Kroll, Gründer und Geschäftsführer des Suchmaschinen-Unternehmens Ecosia Foto: Pako Quijada

Von der Einführung einer neuen Unternehmensrechtsform des Verantwortungseigentums können Ökonomie wie Ökologie profitieren, schreibt Christian Kroll, Gründer und Geschäftsführer der Ecosia GmbH, welche die gleichnamige, ökologisch-orientierte Internetsuchmaschine betreibt, in seinem Standpunkt-Gastbeitrag für Tagesspiegel Background.

von Christian Kroll (Unternehmer)

veröffentlicht am 08.05.2025

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Unternehmen stehen derzeit nicht nur vor wirtschaftlichen, sondern auch vor sozial-ökologischen Herausforderungen, wie wir sie lange nicht mehr erlebt haben. Dabei ist Nachhaltigkeit zum Diktum geworden, das häufig zu kurz gedacht wird. Denn Nachhaltigkeit sollte sich nicht nur auf ökologische, sondern auch auf ökonomische Herausforderungen beziehen, um einen gesamtgesellschaftlichen Nutzen mit sich zu bringen. Doch wie soll das in der gegenwärtigen und angespannten Situation gehen?

CSR: Greenwashing oder nachhaltige Transformation?

Corporate Social Responsibility (CSR) wird oft als Lösung für die ökologischen und sozialen Herausforderungen unserer Zeit dargestellt. Unternehmen setzen auf Nachhaltigkeitsstrategien, engagieren sich sozial und publizieren Umweltberichte. Doch bleibt die entscheidende Frage: Ist CSR ein passendes Instrument, diese Herausforderungen unserer Zeit zu adressieren – oder eher lästige Pflicht oder gar lediglich ein Hebel zur Imagepflege?

Viele Unternehmen nutzen CSR als Marketinginstrument, um sich als verantwortungsbewusst zu präsentieren, ohne fundamentale Änderungen vorzunehmen. Die Konsequenzen eines oberflächlichen Nachhaltigkeitsmanagements sind gravierend: Sobald Verbraucher und Investor erkennen, dass es keine wirklich wirksame CSR-Strategie gibt, erleiden Unternehmen erhebliche Reputationsverluste. Nachhaltigkeit – hier in ihrer sozial-ökologischen Dimension – muss tief in der Unternehmensstrategie verankert sein und darf nicht nur auf externen Druck oder regulatorische Anforderungen resultieren.

Gesetzliche Vorgaben: Steigender Druck auf Unternehmen

Unternehmen sind durch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verpflichtet, detaillierte und standardisierte Berichte nach den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) vorzulegen. Diese Berichte müssen extern geprüft werden. Seit diesem Jahr betrifft dies große Kapitalgesellschaften.

Die zunehmende Bedeutung der Nachhaltigkeitsbewertung – im sozial-ökologischen Sinn – beeinflusst auch die Kreditvergabe von Banken und Investitionsentscheidungen, was Unternehmen mit schlechter Nachhaltigkeitsbilanz vor Herausforderungen stellt.

Ökonomische Nachhaltigkeit durch Verantwortungseigentum

CSR allein reicht nicht aus, um die tiefgreifenden wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen. Nachhaltigkeit muss vielmehr von innen heraus gedacht werden – sie darf nicht bloßes Reaktionsmuster auf externen Druck oder regulatorische Vorgaben bleiben. Genau hier setzt Verantwortungseigentum – oder auch treuhändisches Eigentum – an: Eine Unternehmensform, die Eigentum anders als gewohnt definiert und eine Alternative zu kurzfristiger Profitmaximierung bietet. Eine Form von Eigentum an Unternehmen, bei der Kontrolle sowie Gewinne und Vermögen langfristig und rechtsverbindlich an das Unternehmen gebunden bleiben. Auf diese Weise wird ökonomische Nachhaltigkeit ins Zentrum gestellt, was auch neue Nachhaltigkeits-Perspektiven im sozial-ökologischen Sinn eröffnen kann.

Verantwortungseigentum bedeutet, dass Unternehmen dauerhaft und rechtlich verbindlich zwei Prinzipien in ihre DNA einschreiben: Selbstbestimmung und Vermögensbindung. Gewinne können nicht an Eigentümer ausgeschüttet werden, sondern werden reinvestiert, für die langfristige Entwicklung des Unternehmens verwendet oder gemeinnützig gespendet. Die Kontrolle verbleibt dauerhaft bei unternehmensnahen Personen, die dem Unternehmenszweck verpflichtet sind und das Unternehmen treuhändisch führen.

Das Unternehmen bleibt so unabhängig von spekulativen Übernahmen und kurzfristigen Kapitalinteressen. Dadurch entsteht eine unternehmerische Unabhängigkeit, die es ermöglicht, langfristige Entscheidungen zu treffen. All das ist kein Novum: Unternehmen wie Bosch, Zeiss, Rolex oder auch Novo Nordisk, das in Sachen Marktkapitalisierung größte Unternehmen Europas, haben schon vor Jahrzehnten und länger treuhändische Eigentumsstrukturen etabliert.

Verantwortungseigentum bedeutet nicht Enteignung

Entgegen häufiger Missverständnisse bedeutet Verantwortungseigentum ausdrücklich keine Enteignung. Die Eigentümerinnen und Eigentümer behalten die volle Kontrolle über die Geschicke ihres Unternehmens – sie entscheiden nur bewusst, dass sie sich nicht persönlich am Unternehmensgewinn bereichern. Auch marktübliche Gehälter, leistungsorientierte Vergütungen oder notwendige Investitionen bleiben möglich. Es handelt sich also keineswegs um eine Art asketischen Unternehmertums, sondern um einen bewussten Rahmen, eine spezielle Finanzverfassung, die das Unternehmen in den Dienst seines Zweckes stellt.

Ebenso wichtig: Verantwortungseigentum garantiert nicht automatisch soziale oder ökologische Nachhaltigkeit. Es geht hier in erster Linie um die Sicherung der ökonomischen Nachhaltigkeit, indem Unternehmen langfristig und unabhängig wirtschaften können. Diese langfristige Stabilität wiederum schafft die Grundlage für zukunftsgerichtete Investitionen in nachhaltige Innovationen, soziale Projekte oder klimaschonende Technologien. Verantwortungseigentum öffnet also den Raum für eine zweck- und gemeinwohlorientierte Unternehmensführung – verpflichtet sie aber nicht automatisch dazu. Jedes Unternehmen bleibt in der konkreten Umsetzung frei, den eigenen Zweck weiterzuentwickeln.

Attraktiv für Familienunternehmen

Gerade für Familienunternehmen, die ohnehin generationenübergreifend denken, bietet das eine besonders attraktive Perspektive: Lässt sich die Nachfolge familienintern nicht regeln, bietet treuhändisch verfasstes Eigentum eine wertvolle Alternative. Es schützt vor Zerschlagung und ermöglicht, dass das Unternehmen auch in Zukunft seinem ursprünglichen Geist treu bleibt. Für Start-ups wiederum kann es eine interessante Option sein, wenn die Gründerinnen und Gründer ihre Vision eines werteorientierten Wirtschaftens langfristig erhalten wollen – selbst dann, wenn sie später aus dem Unternehmen ausscheiden.

Der volkswirtschaftliche Nutzen von Verantwortungseigentum liegt auf der Hand: Unternehmen mit einer solchen Struktur sind krisenresistenter, weil sie nicht primär auf kurzfristige Quartalszahlen schielen. Sie können stabiler reinvestieren, weil Gewinne rechtsverbindlich der Unternehmensentwicklung dienen. Sie stärken die Innovationskraft, weil Forschung und Entwicklung nicht hinter Renditeerwartungen zurückstehen müssen. Sie gewinnen das Vertrauen von Konsumenten und Investoren, weil sie glaubwürdig für nachhaltiges Wirtschaften stehen – nicht als kurzfristige Marketingstrategie, sondern als gelebte Struktur. Und indem treuhändisches Eigentum die Unabhängigkeit von Unternehmen stärkt, fördert es zugleich auch den Wettbewerb und beugt Kapitalkonzentration vor. All das ist keine Hypothese, sondern wissenschaftlich bewiesen.

Die Leerstelle: eine eigene Rechtsform

Trotz all dieser Vorteile gibt es in Deutschland (und vielen anderen Ländern) bis heute keine eigenständige Rechtsform für Verantwortungseigentum. Unternehmen, die diesen Weg gehen möchten, sind gezwungen, auf komplizierte juristische Hilfskonstruktionen zurückzugreifen – wie beispielsweise Stiftungsmodelle. Dies stellt einen Wettbewerbsnachteil dar und schränkt die unternehmerische Freiheit, sich verbindlich für eine langfristige Wirtschaftsweise zu entscheiden, erheblich ein.

Die neue Bundesregierung sollte alles daran setzen, hier für Chancengleichheit zu sorgen und eine eigenständige neue Rechtsform für treuhändisches Eigentum einzuführen. Eine Expertengruppe renommierter Rechtswissenschaftler hat bereits im September einen fertigen Gesetzentwurf für eine sogenannte „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“ vorgelegt. Man muss ihn nur umsetzen.

Denn treuhändisches Eigentum ist längst mehr als eine alternative Nische. Es bietet eine konkrete Chance, Wirtschaft zukunfts- und wettbewerbsfähig zu gestalten. In einer Zeit, in der Klimakrise, soziale Ungleichheit und fragile Lieferketten die Wirtschaft destabilisieren, brauchen wir Unternehmensmodelle, die sich langfristig und resilient aufstellen.

In einem Potpourri von Lösungsansätzen ist eine eigenständige Rechtsform für langfristiges Unternehmertum ein wichtiges noch fehlendes Element: Ein modernes, zukunftsorientiertes Verständnis von Eigentum, das langfristige wirtschaftliche Stabilität mit gesellschaftlichem Mehrwert verbindet.

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