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Sustainable Finance

Standpunkte Worauf es bei der SFDR-Überarbeitung ankommt

Timo Busch ist Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Hamburg
Timo Busch ist Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Hamburg Foto: privat

Seit gut 3,5 Jahren gibt es sie nun, die EU-Offenlegungsverordnung. Die von der EU-Kommission Ende letzten Jahres durchgeführte Konsultation zu dessen Evaluierung und Weiterentwicklung zeigt deutlich: Die jetzige Regulierung ist zu komplex, zu unklar und letzten Endes nicht hinreichend hilfreich für Anlegende, meint Professor Timo Busch in seinem Standpunkt-Gastbeitrag.

von Timo Busch

veröffentlicht am 26.09.2024

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Klar ist, was das ursprüngliche Ziel der EU war: Die Umlenkung der Kapitalflüsse zu nachhaltige(re)n Wirtschaftsaktivitäten. Die Verordnung (EU) 2019/2088 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor, im englischen kurz SFDR, sollte dazu ein wichtiger Baustein sein und Transparenz schaffen. Klar ist auch, dass der Markt aus dieser Verordnung etwas gemacht hat, was teilweise nicht der Intention aus Brüssel entsprach. Gleichzeitig muss sich allerdings auch der EU-Gesetzgeber die Kritik gefallen lassen, dass eine unkoordinierte Nicht-Verzahnung mit den weiteren Regulatorik-Strängen zu Sustainable Finance attestiert werden muss. Im SFDR-Kontext sei hier insbesondere auf die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenz nach MiFID II beziehungsweise IDD hingewiesen.

Mangels EU-weit akzeptierter Orientierungshilfen für nachhaltige Geldanlagen stürzte sich der Großteil des Marktes auf die mittlerweile berühmten Artikel 8 und 9 der Offenlegungsverordnung, um Produkte als nachhaltig zu deklarieren. Nicht selten hört man hier „hellgrün“ und „dunkelgrün“ als Differenzierungsmerkmal. Ebenso erscheint die Gleichsetzung von Artikel-9-Produkten mit Impact verkürzt und nicht selten auch für Anlegende irreführend.

Bisher zu unklare regulatorische Vorgaben

Unglücklich ist auch die Verwendung zweier verschiedener Definitionen einer nachhaltigen Investition: Zum einen mit Bezug zur (grünen) EU-Taxonomie, und zum anderen im Kontext der Offenlegungsverordnung. Mit ersterem kann immerhin mittels quantifizierbarer Einheiten und in Verknüpfung mit Kennzahlen zu Umsatz, Kapital- und Betriebsausgaben gearbeitet werden, auch wenn heutige Taxonomiekonformitäts-Quoten weiterhin im unteren einstelligen Bereich sind.

Im Kontext der Offenlegungsverordnung grenzt der Artikel 2(17) der SFDR den Begriff „sustainable Investment“ mit den Bedingungen „contribution“, „DNSH“ und „good governance“ auf allgemeiner Ebene ein. Das bedeutet, dass Investitionen zu einem Nachhaltigkeitsziel beitragen sollen (contribution), keine anderen Nachhaltigkeitsziele verletzen dürfen (Do No Significant Harm, DNSH) und Verfahrensweisen einer guten Unternehmensführung (good governance) berücksichtigen sollen. Darüber hinaus gibt er Finanzmarktteilnehmern keine Konkretisierung zur Ausgestaltung an die Hand. Im Gegenteil, die europäische Finanzmarktaufsicht (Esam) bekräftigte, dass jeder Produktanbieter im Rahmen der Vorgaben frei sei in der Ausgestaltung der eigenen Definition und Umsetzung von „sustainable investment“ und lediglich offenlegen müsse, wie er es letzten Endes gemacht habe.

So ist allein schon die Wahl des maßgeblichen Berechnungsansatzes (Aktivitätenbasiert/ Gesamteinheits- beziehungsweise Unternehmensbasiert) eine Weichenstellung zu grundsätzlich tendenziell hohen oder niedrigen Quoten ein- und desselben Portfolios. Legt man hier Aktivitäten zugrunde, würden tatsächlich nur die Bereiche (zum Beispiel Investitionsausgaben eines Unternehmens, CapEx) berücksichtigt, die genau den regulatorischen Vorgaben entsprechen. Bei der unternehmensbasierten Betrachtung müssen hingegen zuvor definierte Schwellenwerte erreicht werden, dann gilt das ganze Unternehmen als „nachhaltige Investition“.

Entsprechend große Unterschiede ergeben sich aufgrund der Auslegung beziehungsweise „Strenge“ der vorstehend genannten Bedingungen. Eine große ESG-Agentur simulierte für den STOXX Europe 600, dass es zu einer Bandbreite zwischen 13 Prozent und 84 Prozent an nachhaltigen Investitionen kommen kann. Das Ziel der besseren Vergleichbarkeit von Produkten ist hiermit nicht erreicht. In Folge hat sich nicht zuletzt die Esma Ende Juli sehr kritisch zu besagtem Artikel 2(17) geäußert.

Impact ist nicht gleich Impact

Aber noch eine ganz andere Schwachstelle wird kaum thematisiert: Das übergelagerte Ziel der EU war und ist doch, mehr Geld in nachhaltige(re) Aktivitäten zu lenken, wo es ja letzten Endes Wirkung in Richtung einer nachhaltigeren Wirtschaft entfalten soll. Wer die jetzige SFDR genau studiert, dem fällt auf, dass der Begriff Impact nirgendwo klar definiert wird. Es wird darum nicht deutlich, inwiefern einzelne Investments beziehungsweise Finanzprodukte aktiv zur Transformation der Realwirtschaft beitragen beziehungsweise Wirkung entfalten. Die bereits erwähnten Definitionen von „sustainable investments“ beziehen sich lediglich auf die Investition oder die ökonomische Aktivität, ohne auf den Beitrag von Anlegenden einzugehen. In der Wissenschaft sprechen wir in diesem Kontext von „company impact“ und „investor impact“. Company Impact bedeutet, dass Unternehmen sich verbessern; Investor Impact beschreibt den Effekt, dass entsprechende Verbesserungen auf die Initiative oder das Agieren des Investors zurückzuführen sind. Auf Investitionen bezogen reden wir von „Impact-aligned“- beziehungsweise „Impact-generating“-Investments. Impact-aligned steht hierbei für ein Investment ohne Investor Impact und Impact-generating für ein Investment wo der Investor aktiv involviert war und sich somit die realwirtschaftliche Veränderung zuschreiben kann.

Diese Differenzierung ist elementar wichtig, denn nur so kann dargestellt werden, ob ein Investor zu einer realwirtschaftlichen Veränderung beiträgt oder ob er (lediglich) in Finanzprodukte mit bereits guter Performance investiert. Die derzeitige SFDR versäumt zwischen einem konventionellen ESG-Ansatz zur Rendite-Risiko-Optimierung und Anlagen mit Wirkungspotential und damit konkreten Beiträgen für eine nachhaltigere Wirtschaft zu unterscheiden. Die EU-Regularien zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD/ESRS) sind hier einen wesentlichen Schritt weiter, in Form der doppelten Wesentlichkeit und mit der klaren Unterscheidung zwischen nachhaltigkeitsbezogenen Risiken, Chancen und Wirkungen.

Für die Revision der SFDR ergeben sich somit einige Baustellen, die die neue Kommission angehen muss. Die beiden Wichtigsten aus meiner Sicht: Klarheit erhöhen und bestehende Inkonsistenzen mit anderen Regulatoriksträngen abbauen. Hier sehe ich den größten Verbesserungsbedarf. Welchen Sinn macht ein Nebeneinander von SFDR und der Nachhaltigkeits-Präferenzabfrage nach MiFID II beziehungsweise IDD? Zumindest in der derzeitigen Ausgestaltung: keinen. Im Gegenteil, es ist zu beobachten, dass seit der Einführung der verpflichtenden Präferenzabfrage der Kanal zwischen Produkthersteller und -nachfrager stark gestört und die Finanzberaterschaft eher abgeschreckt vom Vertrieb nachhaltiger Geldanlagen ist.

Positive und negative Konsequenzen deutlich machen

Bei einer Revision der SFDR sollte es also erst einmal darum gehen, Produktanbietern ein Rahmenwerk an die Hand zu geben, mit dem sie darlegen können, welche wesentlichen ökologischen und sozialen Konsequenzen – positive wie negative – mit dem konkreten Finanzprodukt verbunden sind. Und dies idealerweise unabhängig ob nachhaltig oder nicht – also eine Art verpflichtende Mindest-Transparenz für alle Finanzprodukte. Über diese reine Offenlegung hinaus erachte ich zusätzlich als elementar, ein System für Produktkategorien zu entwickeln. Hier liegen zahlreiche Vorschläge auf dem Tisch: In Großbritannien hat die britische Finanzaufsicht (FCA) bereits vier Produkt-Labels eingeführt. Die niederländische Aufsicht hat eine Klassifikation für Produkte vorgeschlagen, die nach Investor Impact und Sustainability Performance differenziert. Die EU Kommission hat im Rahmen der SFDR Konsultation Ende 2023 Feedback zu einem System mit vier Produkt-Kategorien eingeholt, in dem im Juni erschienen gemeinsamen Opinion-Papier aller EU-Aufsichtsbehörden (ESAs) wurden zwei Kategorien favorisiert. Und nicht zuletzt hat auch die Bafin vor kurzem drei mögliche Produktkategorien zur Diskussion gestellt.

Zusammen mit meinen Wissenschaftskollegen am Lehrstuhl und den in die Prüf- und Bewertungsarbeiten des FNG-Siegels involvierten Partnern haben wir selbst einen Vorschlag in die Diskussion zur SFDR-Revision eingebracht, der genau auf solch eine Kategorisierung abzielt. Es freut mich sehr, dass hier große Schnittmengen zu dem Vorschlag der ESAs und den anderen Entwürfen bestehen. Im Kern geht es darum: Anleger brauchen eine einfache Orientierungshilfe, die aufzeigt, was den Finanzprodukten in puncto Transformations- beziehungsweise Impact-Potential für gesellschaftliche und/oder ökologische Lösungsbeiträge innewohnt. Aus meiner Sicht bietet sich hierfür eine Vierer-Klassifizierung an: (1) ESG-Produkte: Finanzprodukte, die ESG-Risiken & -Chancen adressieren und managen; (2) Transition-Produkte: Finanzprodukte, die in Titel investieren, die sich in Richtung Nachhaltigkeit transformieren; (3) Sustainable-Produkte: Finanzprodukte, die in Titel investieren, die schon nachhaltig sind; (4) Impact-Produkte: Finanzprodukte, bei denen ein positiver Investor Impact – also ein aktiver Beitrag des Investors – nachgewiesen werden kann.

Noch dicke Bretter bohren

Für die ersten drei Produktkategorien liegen eigentlich alle Voraussetzungen für die Umsetzung vor, man muss nur noch genau definieren, was die Mindestkriterien sind. Und genau dies diskutieren wir bereits in einem neu gegründeten Arbeitskreis mit unseren Partnern vom FNG, um so das etablierte FNG-Siegel weiter zu entwickeln und fit für die Zukunft zu machen. Eine konkrete Herausforderung zeichnet sich hier seit der ESMA-Namensregulierung für Fondsnamen ab: Was macht man mit Produkten, die keinen Transition-Fokus haben und zeitgleich nicht die strengen Paris-aligned Benchmark-Ausschlüsse erfüllen? Für die vierte Produktkategorie sehe ich noch größeren Forschungsbedarf und weitreichende Abstimmungsprozesse mit Produktanbietern und Datenanbietern. Zwar existieren schon viele Impact-Produkte, das Thema Investor Impact und die damit verbunden Wirkungskanäle sind aber noch dicke Bretter. Aber auch die sollten wir angehen! Eine revidierte SFDR sollte hierzu die konzeptionelle Grundlage sein. Und ich bin mir sicher: Auch Anlageberater würden sicher gerne mit einer solch einfachen und logischen Produktkategorisierung arbeiten.

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