Der kürzlich vorgelegte Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC hat es erneut gezeigt: Es besteht massiver und umgehender Handlungsbedarf, um die Temperatur-Ziele des Pariser Klimaabkommens in Reichweite zu halten. Damit der Finanzsektor als wesentlicher Beschleuniger der Transformation auftreten kann, braucht es jedoch mehr Transparenz in Sachen Klima- und Nachhaltigkeitsrisiken in Unternehmen.
Die EU hat mit ihrer überarbeiteten Sustainable-Finance-Strategie wichtige Schritte hin zu einem nachhaltigen Finanzsystem aufgezeigt, doch der aktuelle Gesetzesentwurf der EU-Kommission zur Ausweitung von Offenlegungsvorschriften für Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive / CSRD) greift zu kurz. Neben großen Unternehmen ab 250 Mitarbeiter:innen sieht er die Ausweitung der Berichtspflichten auf kleine und mittelständische Unternehmen nur für börsennotierte Unternehmen vor. Im Ergebnis würden so lediglich 49.000 von 22,2 Millionen Unternehmen in Europa unter den Anwendungsbereich der CSRD fallen. Das ist nicht nur als Datengrundlage für Investitionsentscheidungen im Finanzsektor zu wenig, sondern wird auch für die kleinen und mittelständischen Unternehmen selbst zum Nachteil.
Nachhaltige Berichterstattung als Geschäftstreiber
Gerade aus deutscher Sicht ist das problematisch. In Deutschland gehören 99,4 Prozent aller Unternehmen zum Mittelstand (Statista 2021). Nicht nur weisen besonders viele dieser Unternehmen einen hohen Transformationsbedarf auf, wie zum Beispiel im Baugewerbe. Auch kommen mit dem von der Bundesregierung festgesetzten Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2045 weitgreifende Umstellungsprozesse auf sie zu. Daher wird die Fähigkeit mittelständischer Unternehmen, mit Nachhaltigkeitsdaten zu arbeiten, entscheidend sein, um den technologischen Wandel zu bewältigen.
Gegen die Ausweitung der Berichtspflichten auf mittelständische Unternehmen wird oftmals eine zusätzliche finanzielle Belastung angeführt. Tatsächlich aber übersteigt der Nutzen der Nachhaltigkeitsberichterstattung – zum Beispiel durch vereinfachteren Zugang zu Kapital – die Verwaltungskosten um das bis zu Sechsfache. Zu diesem Schluss kommt die Europäische Kommission im Abschlussbericht ihrer „Study on the Non-Financial Reporting Directive“. Auch sinken demnach die zusätzlichen Initialkosten der Nachhaltigkeitsberichterstattung bereits nach dem ersten Jahr deutlich.
So wird nachhaltiges Wirtschaften international von kleinen und mittelständischen Unternehmen selbst als wichtiger Trend gesehen, da dies den Unternehmen zunehmend weitere Vorteile bietet. Eine transparente Kommunikation von Klimarisiken, aber auch über den eigenen Impact auf Umwelt und Gesellschaft, schafft Ansehen bei der Kundschaft und verhindert Reputationsrisiken laut einer Studie des Beratungsunternehmens Capgemini. Zusätzlich profitieren Unternehmen von Kosteneinsparungen durch die Optimierung ihres Energie- und Ressourcenverbrauchs.
Da Investoren und andere Unternehmen die Nachhaltigkeitsinformationen einsehen können, steigen die Chancen für die Gewährung von Krediten oder die Vergabe von Aufträgen. Nicht zuletzt können durch die erhobenen Daten Risiken rechtzeitig bewertet und ihnen sicherer vorgebeugt werden.
Vorteile für den deutschen Mittelstand sichern
Kleine und mittelständische Unternehmen bilden das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Es muss daher im besonderen Interesse aller Parteien liegen, diesen möglichst effektiv unter die Arme zu greifen. Dazu gehört, es ihnen zu ermöglichen, ihr transformatives Potential bestmöglich auszuschöpfen. Für die Finanzierung von Umstellungen auf nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten durch Investitionen ist die Offenlegung von aktuellen und zukünftigen Chancen und Risiken essenziell. Deshalb ist es zu begrüßen, dass die die neue Bundesregierung im Koalitionsvertrag ankündigt, die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) auf europäischer Ebene zu unterstützen. Trotz der Erwähnung bleibt der Koalitionsvertrag allerdings unkonkret, wie diese Unterstützung genau aussehen wird. Es reicht nicht, der Europäischen Kommission die Verantwortung gänzlich zu überlassen.
Die Bundesregierung sollte sich deshalb innerhalb der EU aktiv für eine ambitionierte Richtlinie für Nachhaltigkeitsberichterstattung einsetzen. Dazu gehört eine Ausweitung des Anwendungsbereichs auf transformationsrelevante kleine und mittelständische Unternehmen, und zwar unabhängig von einer Börsennotierung. Transformationsrelevant sind all jene Unternehmen, deren Geschäftsmodell erhebliche Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft hat oder die besonders von Klima- und Nachhaltigkeitsrisiken betroffen sind. Da das Gesetzeswerk bisher keine Definition von diesen Hochrisiko-Unternehmen kennt, sollte sich die neue Bundesregierung zudem für die zügige Entwicklung einer solchen Definition einsetzen.
Ein falsch verstandener Schutz vor zusätzlichen Berichtspflichten für den Mittelstand muss in jedem Fall vermieden werden. Der Effekt wäre eine Benachteiligung dieser wichtigen Unternehmen beim Zugang zu attraktiver Finanzierung und im internationalen Wettbewerb zum Ziel eines treibhausgasneutralen Wirtschaftens.
Auch national sollte die neue Bundesregierung die Sustainable-Finance-Agenda dringend weiter vorantreiben. Das bedeutet insbesondere, die konkreten Abschlussempfehlungen des Sustainable-Finance-Beirats zügig umzusetzen und den deutschen Finanzplatz zu einem führenden Standort für nachhaltige Finanzen zu machen.