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Standpunkte Zur Sorgfalt verpflichtet

Christoph Schork (Foto) und Thomas Sikorski arbeiten im ESG-Team der Rechtsanwalts-Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek
Christoph Schork (Foto) und Thomas Sikorski arbeiten im ESG-Team der Rechtsanwalts-Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek Foto: Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ist das umfangreichste „ESG“-Gesetz in Deutschland, aber nicht die einzige Neuerung: Mit der Entwaldungsverordnung hat die EU Umwelt- und Menschenrechtsrisiken in Lieferketten der im Binnenmarkt tätigen Unternehmen den Kampf angesagt, loben Christoph Schork und Thomas Sikorski vom ESG-Team der Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek. Um die Herausforderungen zu bewältigen, können Unternehmen systemische Parallelen für das Risikomanagement nutzen.

von Christoph Schork

veröffentlicht am 14.12.2023

aktualisiert am 17.12.2023

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Die sogenannte europäische „Anti-Entwaldungs-Verordnung (Entwaldungs-VO) vom Juni 2023 enthält unternehmerische Sorgfaltspflichten in Lieferketten zu bestimmten Rohstoffen (Rinder, Kakao, Kaffee, Ölpalme, Kautschuk, Soja und Holz) und daraus resultierenden Erzeugnissen (z.B. Schokolade, Palmöl, Luftreifen und Bekleidung aus Kautschuk, Sojabohnen, Bücher und Zeitungen, etc.).

Sie soll der weitgehend auf nicht nachhaltige Landwirtschaft zurückzuführenden Abholzung von bis zu 4,2 Millionen Quadratkilometer Regenwald seit 1990 etwas entgegensetzen. Weil der Schutz der Wälder als Lebensraum indigener Völker und unzähliger Tier- und Pflanzenarten zur Bekämpfung des Klimawandels unerlässlich ist, erhöht die Eu mit der neuen Verordnung den Druck auf die europäische Wirtschaft.

Denn Compliance-Abteilungen in Unternehmen müssen bereits zahlreiche andere Verordnungen und Gesetze zum Schutz von Umwelt und Menschenrechten umsetzen. Dabei sollten sie möglichst aufeinander abgestimmte Strukturen schaffen und die daraus resultierenden Synergien nutzen, um mit der wachsenden Regelungsdichte auf europäischer und deutscher Ebene effizient und effektiv umzugehen. In der Praxis wird dies jedoch – zumindest in absehbarer Zeit – mangels einer Verzahnung der unterschiedlichen Gesetze auf nationaler und europäischer Ebene – nicht immer möglich sein.

Gemeinsamkeiten der Gesetze

Betrachtet man das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), das seit Januar 2023 in Kraft ist, und die europäische Entwaldungs-VO, lassen sich jedoch Parallelen feststellen: Trotz unterschiedlichen Wortlauts fordern beide Gesetze zuerst ein Risikomanagementsystem (RMS) einzurichten, um Risiken zu erkennen und zu minimieren. Systematisch ist dabei sowohl laut LkSG wie auch nach der Entwaldungs-VO ähnlich vorzugehen: Zunächst steht die Informationsbeschaffung an, dann die Risikobewertung und schließlich die Reaktion auf eventuell festgestellte Risiken. Hinzu kommen verpflichtende Wirksamkeitsüberprüfungen und diverse Erklärungs-, Dokumentations-, Berichts- sowie Aufbewahrungspflichten.

Auch dafür lassen sich Parallelen feststellen. Obwohl die Entwaldungs-VO konkrete Vorgaben bezüglich einiger Informationen macht, verlangt der europäische Gesetzgeber zu maßgeblichen Aspekten wie Entwaldungsfreiheit und Legitimität im Erzeugerland bewusst lediglich „angemessen schlüssige und überprüfbare Informationen“. Diese Formulierung ist auslegungsbedürftig – und somit grundsätzlich nicht weit entfernt von der deutschen Lösung des LkSG: Es fordert von den Unternehmen eine „angemessene“ Risikoermittlung. In beiden Fällen stellt der Gesetzgeber also die Informationsbeschaffung in das Ermessen des Unternehmers.

Ferner ist sowohl nach nationalem, als auch nach europäischen Recht eine Risikoanalyse und -bewertung durchzuführen. Sollte ein Risiko oder eine Verletzung festgestellt werden, sind die Unternehmen nach dem LkSG verpflichtet, Präventions- und Abhilfemaßnahmen in die Wege zu leiten. Ebenso sind nach der Entwaldungs-VO Maßnahmen zur Risikominderung verpflichtend, solange es sich nicht um ein vernachlässigbares Risiko handelt.

Hürden wegen unterschiedlicher Ausgestaltung

Trotz der systematischen Gleichläufe ergeben sich gewichtige Unterschiede zwischen den Rechtsakten bei der detaillierten Ausformung der jeweiligen Pflichten. Beispielweise sieht die europäische Regelung einen (wenn auch nicht abschließenden) Katalog an Kriterien für die Risikobewertung vor, den das LkSG in dieser Form nicht kennt. Das Lieferkettengesetz stellt zwar ebenfalls auf bestimmte Kriterien zur Risikobewertung ab, zählt aber anders als die EU-Entwaldungs-VO nicht potenziell risikoträchtige Umstände auf, wie etwa die Präsenz indigener Völker.

Im Fokus des LkSG stehen vielmehr Angemessenheitsaspekte wie etwa die eigene Einflussmöglichkeit des Unternehmens oder die Schwere der drohenden Verletzung. Diese unterschiedliche Ausrichtung kann folglich zu deutlich unterschiedlichen Bewertungsprozessen führen. Sie wird auch bereits die Informationsbeschaffung erheblich beeinflussen, da die Weichen insoweit anders zu stellen sind.

Einheitliches Vorgehen bei der praktischen Umsetzung

Dennoch können Unternehmen ihre internen Strukturen dank der systematischen und teilweise inhaltlichen Überschneidungen sinnvoll aufeinander abstimmen. Beispielsweise sehen LkSG und Entwaldungsverordnung vor, eine für das Risikomanagementsystem verantwortliche Person zu benennen. Das LkSG lässt es dabei zu, dass diese Person unterhalb der Geschäftsführung angesiedelt ist, während die Entwaldungsverordnung die Führungsebene verpflichtet. Fällt ein Unternehmen in den Anwendungsbereich beider Rechtsakte, kann es daher sinnvoll sein, die für Sorgfaltspflichten in den Lieferketten verantwortliche Person auf der Geschäftsführungsebene anzusiedeln, um eine Fragmentierung von Kompetenzen zu vermeiden.

Auch könnten sie etwa ein gemeinsames Risikomanagementsystem verwenden, um zugleich menschenrechts- und umweltbezogene Risiken und Entwaldungsrisiken zu überwachen. Insbesondere können Selbsterhebungen (Self-Assessment-Fragebögen), die für die Risikoanalyse nach dem LkSG an die Zulieferer übermittelt werden, um Fragen zum Entwaldungsrisiko und zu den zu sammelnden (Geo-)Daten ergänzt werden. Gleichermaßen könnten Unternehmen auch den Fragebogen der Aufsichtsbehörde BAFA zur Berichterstattung eigenständig um Fragen zur entwaldungsfreien Lieferkette erweitern und somit gesammelte Informationen möglichst effizient für beide Berichte verarbeiten.

Die Verzahnung der Sorgfaltspflichten aus unterschiedlichen Rechtsakten wird vorerst zwar nicht reibungslos funktionieren. Da aber die wachsende Regelungsdichte zu Lieferketten Unternehmen zunehmend auf die Probe stellt und sich in erhöhtem Arbeitsaufwand und einer stärkeren Kostenbelastung niederschlägt, sollten und können Unternehmen regulatorische Überschneidungen schon jetzt möglichst effizient, arbeits- und kostensparend nutzen.

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