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Standpunkte Generika auf die politische Agenda setzen!

Bork Bretthauer, Geschäftsführer von Pro Generika
Bork Bretthauer, Geschäftsführer von Pro Generika Foto: Pro Generika

Zunehmende Arzneimittel-Engpässe bedrohen das ohnehin erodierende Vertrauen in die Politik, schreibt Pro-Generika-Geschäftsführer Bork Bretthauer in seinem Standpunkt. Um zu verhindern, dass die Engpässe in Zukunft zum immer größeren Problem werde, müsse die kommende Bundesregierung sich bei Generika endlich vom Hauptsache-billig-Prinzip verabschieden.

von Bork Bretthauer

veröffentlicht am 27.01.2025

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Keine Frage. Unser Land hat genug Probleme: Der russische Krieg gegen die Ukraine, die Präsidentschaft Donald Trumps, das EU-weite Erstarken rechtspopulistischer Parteien sowie eine marode Infrastruktur stellen die künftige Bundesregierung vor enorme Herausforderungen. Da mag die Tatsache, dass in unseren Apotheken regelmäßig die Medikamente knapp sind, als vergleichsweise kleines Problem erscheinen. Zumindest, wenn man nicht selbst betroffen ist. Und zumal jedwede Lösung ja Geld kosten würde und dies nun mal bekanntlich fehlt. Ich finde diese Haltung nachvollziehbar – und doch falsch. Denn sie negiert, wie sehr das Problem der Arzneimittel-Engpässe das Vertrauen der Menschen in unser Gesundheitssystem schwächt.

So ist es doch ein unverrückbares Leistungsversprechen unseres Sozialstaats, dass Arzneimittel immer verfügbar sind, wenn Menschen sie brauchen. Ein Verweis auf leere Kassen – das kann in der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt nur eins sein: die Aufforderung an die Politik, über die von ihr gesetzten gesundheitspolitischen Prioritäten neu zu entscheiden. Denn ein weiteres Bröckeln der Grundversorgung gefährdet beides, die Gesundheit und das Vertrauen der Menschen in die Handlungsfähigkeit der Politik.

Engpässe vergrößern die allgemeine Verunsicherung

Mit Blick auf Generika – diese machen 80 Prozent der Arzneimittel aus und sind aufgrund ihres niedrigen Preisniveaus seit Jahren von Engpässen betroffen – sind die Menschen bereits heute zutiefst verunsichert. Immer öfter fehlen Medikamente, die es zur Heilung sowohl von akuten Erkrankungen (Antibiotika, Fiebersaft für Kinder) als auch zur Behandlung von Volkskrankheiten (Diabetes, Bluthochdruck, Krebs) braucht. Das bedeutet inzwischen oft, dass nicht nur bestimmte Präparate fehlen: In letzter Zeit kommt es immer öfter vor, dass überhaupt kein adäquates Arzneimittel mehr zur Verfügung steht.

Zwar hat Noch-Gesundheitsminister Karl Lauterbach mit dem Lieferengpass-Gesetz ALBVVG gegengesteuert, nachdem die öffentliche Aufregung über diese Missstände im Jahr der Fiebersaft-Krise 2022 ihren Höhepunkt erreicht hatte. Doch jeder Mensch, der zuletzt auf bestimmte Arzneimittel angewiesen war, weiß: Geholfen hat das Gesetz kaum. Die Knappheit ist so groß wie eh und je.

Es bräuchte den Mut, das Regelungsnetz zu lösen

Und das ist kein Wunder. Zwar hat Lauterbach in der von ihm konstatierten „Über-Ökonomisierung“ bei Generika das Problem erkannt. Doch hat er nicht den Mut aufgebracht, den Knoten zu durchschlagen und das Problem bei den Wurzeln zu packen.

Und dies ist tatsächlich hausgemacht. In dem Wunsch, die Kosten für Generika gering zu halten, hat sich in den letzten Jahrzehnten Regelung auf Regelung getürmt. Inzwischen wird der Generika-Markt beherrscht von einem Netz aus Instrumenten, welches die Preise in den Keller drückt, Unternehmen von Investitionen abhält und welches – dies sei nur nebenbei bemerkt – bloß noch von einer Handvoll Fachleuten durchschaut werden kann.

Das Ergebnis ist ein völlig überregulierter Markt, in dem die zu erzielenden Preise derart niedrig sind, dass sich die Herstellung vieler Generika oft nicht mehr rechnet. Dass auf diese Weise Engpässe entstehen, ist so logisch wie dramatisch. Denn es gibt schlicht nicht mehr genug Unternehmen, die lebenswichtige Arzneimittel überhaupt noch produzieren können und wollen.

Wieder verlässt sich Deutschland auf Billig-Importe aus totalitären Staaten

Gleichzeitig hat das „Hauptsache-Billig“-Prinzip sicherheitspolitische Implikationen. Denn die Politik macht hier denselben Fehler, mit dem sie schon in anderen Bereichen Schiffbruch erlitten hat: Sie verlässt sich auf billige Importe aus totalitären Staaten. Wie sie unser Land seinerzeit abhängig von russischem Gas gemacht hat, nimmt sie nunmehr in Kauf, dass wir bei lebenswichtigen Arzneimitteln fast komplett von China abhängen.

Ein Handelskrieg etwa oder ein Überfall Chinas auf Taiwan, den viele Expertinnen und Experten befürchten, kann uns in eine dramatische Lage bringen. Schließlich wissen wir nicht, ob China die strategisch beförderte Abhängigkeit bei Arzneimitteln nicht politisch ausnutzen wird. Und wir haben auch keine Vorstellung davon, mit welchen Produktionskapazitäten wir etwaige Ausfälle auf chinesischer Seite kompensieren könnten.

Wer Deutschland fit für die Zukunft machen will, kommt am Generika-Problem nicht vorbei

Eine neue Regierung, die den Menschen den Glauben an ihr Land zurückgeben und Deutschland sicherheitspolitisch zeitgemäß aufstellen will, kommt daher am Generika-Problem nicht vorbei. Es ist höchste Zeit, diesen Wirtschaftszweig zu reformieren. Unternehmen brauchen kein Wirrwarr aus abschreckenden Preisregulierungen. Sie brauchen verlässliche Rahmenbedingungen, die eine auskömmliche Produktion und diversifizierte Lieferketten ermöglichen. Erst dann können sie die Versorgung wieder stabilisieren. So können die Verantwortlichen das Vertrauen der Menschen zurückgewinnen – und wir alle können uns auch sicherheitspolitisch ein wenig entspannen.

Der Abbau von Regelungen und Möglichkeit steigender Preise werden Geld kosten. Aber eins haben wir schmerzhaft gelernt: Wenn wir wie im Fall des russischen Gases erst zahlen, wenn es zu spät ist, wird es deutlich teurer. Im Fall von Arzneimitteln könnte der Preis unsere Gesundheit sein.

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