Personalmangel in Pflegeheimen, steigende Kosten für stationäre Pflegebetten, keine freien Plätze in Heimen – die Probleme in der Pflege sind Dauerbrenner-Themen. Doch die öffentliche Diskussion verfehlt oft den Kern des Problems. Ein aktuelles Positionspapier des BKK-Dachverbands zeigt: 84 Prozent der Pflegebedürftigen, geschätzt also 4,5 Millionen Menschen, werden zu Hause von Angehörigen oder Pflegehilfen versorgt. Viele greifen dabei auf Agenturen für 24-Stunden-Pflege zurück – eine zuverlässige, wenn auch teure und oft von Intransparenz und Ausbeutung geprägte Anstellungsart. Eine Alternative wäre die Privatanstellung. Doch hier fehlt die Unterstützung des Staates.
Häusliche Pflege über Pflegeagenturen organisieren
Eine gängige Option in der häuslichen Pflege ist der Rückgriff auf Pflegeagenturen, die Pflegekräfte entweder direkt anstellen oder Selbstständige vermitteln. Das hat den Vorteil, dass immer eine Pflegekraft zur Verfügung steht, auch bei Urlaub oder Krankheitsausfällen. Die größten Nachteile des Agenturmodells sind die hohen Kosten und die intransparenten Anstellungsverträge. Wie viel die Agentur erhält und wie viel an die Pflegekraft ausgezahlt wird, ist oft nicht ersichtlich. Oft erhalten Pflegekräfte ein Gehalt weit unter dem Mindestlohn, weil die Anzahl der Arbeitsstunden im Vertrag niedriger als die tatsächliche Arbeitszeit ist. Trotzdem ist bei einer Agenturlösung mit mindestens 3000 Euro Arbeitgeberkosten pro Monat zu rechnen.
Eine zweite Option ist die direkte, private Anstellung einer Pflegekraft. Klarer Vorteil der privaten Lösung ist der persönliche Bezug, denn die Pflegekraft kann eigenständig ausgewählt und angestellt werden. Man ist als Arbeitgebender direkt weisungsbefugt und kann ein faires Arbeitsverhältnis selbst gestalten. Auch wenn sich die Arbeitszeit nicht minuziös festlegen lässt, können ausreichend Stunden mit einem entsprechenden Lohn vereinbart werden, der die schwere Arbeit und stetige Einsatzbereitschaft wertschätzt. Stellt man eine Pflegekraft zum Mindestlohn für 40 Stunden an, liegen die gesamten Arbeitgeberkosten bei ungefähr 2800 Euro und damit unter den Agenturpreisen – und das, obwohl die Arbeitnehmenden einen höheren Lohn erhalten.
Bürokratische Hürden
Der entscheidende Nachteil der Privatanstellung ist jedoch der enorme bürokratische Aufwand: Jemanden privat oberhalb der Minijobgrenze von monatlich 538 Euro anzustellen, ist als Privatperson aufgrund der vielen Behörden-Vorschriften kompliziert und kaum zu bewältigen. Ein privater Arbeitgeber ist verpflichtet, eine Unfallversicherung bei der Unfallkasse des zuständigen Bundeslandes abzuschließen.
Zusätzlich muss der private Haushalt als „Betrieb“ gemeldet und dafür online eine Betriebsnummer bei der Bundesagentur für Arbeit beantragt werden. Anschließend muss das Arbeitsverhältnis bei der Krankenkasse und dem Finanzamt über die jeweiligen Internetportale (SV Meldeportal und Elster) angemeldet werden. Neben einer monatlichen Lohnabrechnung, müssen die Sozialbeiträge und Steuern monatlich deklariert und eingezahlt werden. Jährlich muss dann die Unfallkasse abgerechnet und eine zusätzliche Meldung beim Finanzamt getätigt werden.
Rechtliche Rahmenbedingungen fehlen
Um finanzielle Entlastung und andere Vorteile der Privatanstellung von Pflegekräften zu fördern, braucht es bessere Rahmenbedingungen aus der Politik. Trotz der stark wachsenden, hohen Zahl an häuslichen Pflegebedürftigen und trotz der enormen Schwarzarbeitsquote in Privathaushalten, bewegt sich auf politischer Ebene wenig.
Die notwendigen einzuleitenden Schritte sind klar: Es braucht einen rechtlichen Rahmen für die häusliche Pflege. Das Modell der 24-Stunden Pflege liegt nach wie vor in einem Graubereich: Das Arbeitsrecht sieht Bereitschaftszeit als Arbeitszeit und niemand darf in Deutschland 24 Stunden arbeiten. So entsteht ein prekäres Umfeld, das die rechtlich sichere Anstellung fast unmöglich macht.
Bürokratieabbau für private Arbeitgeber
Zudem müssen die enormen bürokratischen Hürden reduziert und weitere Anreize für private Arbeitnehmende gesetzt werden. So wurde bereits mehrmals die Einführung eines Zuschussmodells via Gutscheine für Privathaushalte im Koalitionsvertrag versprochen. Dies sollte nun endlich umgesetzt werden. Sinnvoll ist das jedoch nur bei gleichzeitigem Abbau der Bürokratie. So erhöht die Einteilung in Mini-, Midi- und sozialversicherungspflichtigen Anstellungen die Unsicherheit bei privaten Arbeitgebern: die Berechnung der Sozialbeiträge ist unklar und weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer wissen, was Netto übrig bleibt. Ebenso ist es schwer nachzuvollziehen, wieso Privathaushalte bei der Abrechnung wie Firmen behandelt werden. Die dadurch häufig notwendige Unterstützung von einem Steuerberater macht die Privatanstellung unnötig aufwändig und teuer und löscht den eigentlichen Kostenvorteil.
Das Problem der Bürokratie könnte durch die Regierung ohne Aufwand und zeitnah gelöst werden, indem sie die Nutzung privatwirtschaftlicher Start-up-Lösungen für die Abwicklung der Administration von privaten Anstellungen fördert und Bürgern im besten Fall kostenlos zur Verfügung stellt. So könnte das Potenzial der Privatanstellung vollständig ausgeschöpft, Pflegekosten gesenkt und Familien besser unterstützt werden.
Lena-Marei Ardelt ist stellvertretende Geschäftsführerin bei quitt und verantwortet das Business Development.