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Standpunkte Warum die Ärzteschaft besseres E-Learning braucht

Felix Stockmar, Co-Founder und CEO des Medical Education Start-ups Medudy
Felix Stockmar, Co-Founder und CEO des Medical Education Start-ups Medudy Foto: Medudy

Durch E-Learning für Mediziner:innen könnten Fort- und Weiterbildungen praxisnah und flexibel gestaltet werden, ist sich Felix Stockmar sicher. Er ist Mitgründer und Geschäftsführer des Start-ups Medudy, das eine medizinische Fortbildungsplattform aufbaut. Um die Angebote des digitalen Lernens zu verbessern, bräuchte es jedoch einige Änderungen.

von Felix Stockmar

veröffentlicht am 08.01.2025

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Die Fort- und Weiterbildung von Mediziner:innen ist nicht nur ein rechtlicher Pflichtaspekt, sondern ein entscheidender Hebel zur Verbesserung der Patient:innenversorgung. In einer Zeit, in der digitale Technologien nahezu alle Aspekte der Medizin durchdringen, bleibt das E-Learning-Angebot in der ärztlichen Weiterbildung hinter den Erwartungen zurück. Es mangelt an Relevanz, Flexibilität und Praxistauglichkeit. Doch wie kann sich das ändern und was sind die Schlüsselfaktoren für ein zukunftsweisendes E-Learning?

Präsenzveranstaltungen wie Wochenendseminare, Kongresse und Workshops prägen nach wie vor die berufliche Fort- und Weiterbildung in der Medizin – ein bewährter Rahmen, der aber zunehmend an seine Grenzen stößt. Digitale Alternativen bieten große Vorteile: Sie sparen Zeit und Kosten, erleichtern den Zugang und lassen sich besser in den oft hektischen Klinikalltag integrieren.

Traditionelle Formate und ihre digitalen Schatten

Doch die Umsetzung in der Praxis bleibt holprig. Viele Anbieter scheitern an technischen Problemen, fehlender didaktischer Raffinesse oder den starren Anforderungen der CME-Zertifizierung, die eine Mindestdauer von 45 Minuten fordert, ungeachtet der Form.

Häufig werden also Übertragungen von Präsenzformaten eins zu eins ins Digitale vorgenommen. Das Ergebnis sind dann langatmige Videoaufzeichnungen, die weder inhaltlich noch audiovisuell überzeugen. Aber auch zeitlich gebundene Webinare mit einer Länge von bis zu 90 Minuten sind verbreitet. Eine derartige Praxis verschwendet die Potenziale moderner Lernmethoden und verfehlt den Wunsch nach praxisnaher und flexibler Fort- und Weiterbildung.

Das Potenzial des digitalen Lernens

E-Learning, gut umgesetzt, bietet enorme Möglichkeiten: Inhalte lassen sich ort- und zeitunabhängig konsumieren, was nicht nur Reise- und Übernachtungskosten spart, sondern auch die medizinische Versorgung unberührt lässt. Personalisiertes Lernen, das auf individuelle Wissenslücken eingeht, wird durch digitale Tools möglich. Besonders effizient ist sogenanntes Microlearning. Kurze und auf das Wesentliche eines Themas reduzierte Lerninhalte eignen sich gut, Wissen schnell zu lehren und anwendbar zu machen.

E-Learning-Formate können außerdem KI besonders effektiv nutzen, zum Beispiel bei der unkomplizierten Aktualisierung oder Übersetzung von Inhalten in andere Sprachen mit entsprechender Qualitätskontrolle. So können Ärzt:innen besser mit dem rasant wachsenden medizinischen Wissen Schritt halten. Interaktive Formate wie Fallbesprechungen, Foren oder Workshops machen den Austausch unter Kolleg:innen einfacher und effizienter, und das Wissen ist weltweit zugänglich.

Doch trotz dieser Chancen häuft sich die Kritik an den bestehenden Angeboten. Viele digitale Plattformen zeichnen sich beispielsweise durch textlastige Inhalte ohne Interaktivität aus, was das Engagement der Teilnehmer sinken lässt. Klare Strukturen, multimediale Elemente und gut durchdachte didaktische Konzepte sind notwendig, um komplexes Wissen anschaulich und fesselnd zu vermitteln. In einem ärztlichen Kontext, in dem schnelle Entscheidungsfindung und ständiges Lernen unverzichtbar sind, müssen diese Inhalte gezielt und ansprechend aufbereitet sein.

Strategien für zukunftsfähiges E-Learning

Die digitale Weiterbildung der Medizin braucht ein Umdenken. Es gilt, drei zentrale Hebel zu betätigen:

1. Qualitätsstandards und Zertifizierung anpassen: Die CME-Kriterien sollten reformiert werden, um digitalen Formaten adäquat Rechnung zu tragen. Für innovative Formate wie kurze, interaktive Module oder Praxisaufgaben, die eine hohe Lerneffizienz bieten, müssen andere Maßstäbe gelten. Starre Vorgaben wie eine Länge von 45 Minuten sind überholt.

2. Hürden für digitale Tools abbauen: Die Nutzung digitaler Tools sollte früher und stärker gefördert werden. In Universitäten und Kliniken sind die Barrieren für ihren Einsatz noch zu hoch, weil sich zu wenig mit ihnen beschäftigt wird. Verantwortliche sollten sie prüfen und bei positiver Bewertung empfehlen oder sie sogar für Student*innen und Assistenzärzt*innen mitfinanzieren.

3. Infrastruktur und staatliche Anreize: Digitale Bildungsplattformen zu entwickeln und zu unterhalten, ist kostenintensiv. Eine gezielte Förderung von Forschung und Entwicklung auf diesem Gebiet, durch staatliche Zuschüsse oder steuerliche Anreize, könnte ein Umfeld schaffen, in dem qualitativ hochwertige E-Learning-Lösungen entstehen.

Was jetzt getan werden muss

Die ärztliche Fort- und Weiterbildung steht an einem Wendepunkt. Die Zeit, in der der digitale Fortschritt hinter den Möglichkeiten zurückbleibt, muss enden. Ein umsichtiger Ausbau und die Anpassung der E-Learning-Infrastruktur werden nicht nur die Flexibilität und Effizienz verbessern, sondern auch die Zufriedenheit und Qualifikation der Mediziner:innen nachhaltig steigern.

Das wiederum ist ein wichtiger Schlüssel, um die Patient:innenversorgung kontinuierlich zu verbessern. In einer Welt, die sich rasant wandelt, darf der medizinische Bereich nicht zurückfallen. Die Zukunft der ärztlichen Fort- und Weiterbildung ist digital, und sie muss jetzt beginnen.

Felix Stockmar, CEO und Co-Founder von Medudy, ist seit 15 Jahren im Bereich Medical Education tätig. Bei Medudy verantwortet er das Thema Business Development und Sales.

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