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Standpunkte Wie Selbstmedikation entlasten könnte

Victor Geus ist Area Managing Director Central Europe bei Kenvue
Victor Geus ist Area Managing Director Central Europe bei Kenvue Foto: Quelle: Kenvue

Um das Gesundheitssystem zu entlasten, sollte die eigenverantwortliche Selbstmedikation gefördert werden. Denn damit müssten Arztpraxen erheblich weniger Besuche von Patienten mit leichten Beschwerden bewältigen.

von Victor Geus

veröffentlicht am 30.04.2024

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Das deutsche Gesundheitssystem steht seit Jahren unter Druck: Steigende Ausgaben auf der einen Seite stehen zu geringen Einnahmen auf der anderen gegenüber. Allein für 2024 – so hat es der zuständige Schätzerkreis des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) errechnet – besteht eine Finanzierungslücke von 3,2 Milliarden Euro, die unter anderem durch die Beitragszahler geschultert werden muss. Wer hier für Entlastung sorgen will, muss die eigenverantwortliche Selbstmedikation stärker ins Blickfeld nehmen, also die selbstbestimmte Behandlung mit rezeptfreien Arzneimitteln mit dem Ziel, das eigene gesundheitliche Wohlbefinden wieder herzustellen.

Dazu zwei Fakten: Schon heute werden jedes Jahr europaweit 1,2 Milliarden Fälle von leichten Beschwerden mit rezeptfreien Medikamenten selbst behandelt, so die Association of the European Self-Care Industry (AESGP). Und in Deutschland spart ein Euro, der für rezeptfreie Arzneimittel ausgegeben wird, dem Gesundheitssystem und der Volkswirtschaft rund 29,74 Euro. Sei es, um eine verstopfte Nase, Allergiesymptome, Kopfschmerzen oder eine Verstopfung selbstständig zu behandeln.

Von möglichen Entlastungen für die Arztpraxen hierzulande war dabei noch gar nicht die Rede. Viele von ihnen kommen den gestiegenen Anforderungen nicht hinterher, weil es ihnen unter anderem an medizinischem Fachpersonal fehlt – lange Wartezeiten für Patienten sind die Folge. In einer Online-Befragung des Zentralinstituts kassenärztliche Versorgung gemeinsam mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) gaben 90 Prozent der befragten Vertragsärzte und -psychotherapeuten an, die Patientenversorgung werde durch die derzeitigen Belastungen eingeschränkt. Noch erschreckender: Rund 73 Prozent der Hausärzte fühlen sich durch ihre Arbeit ausgebrannt. Man darf davon ausgehen, dass das System ohne die eigenverantwortliche Selbstmedikation kollabieren würde – denn entfiele sie, wären auf einen Schlag mehr als 60.000 zusätzliche ärztliche Vollzeitkräfte erforderlich.

Eigenverantwortung stärken

Es führt also kein Weg daran vorbei, den Zugang zu rezeptfreien Medikamenten nicht nur sicherzustellen und die Selbstmedikation als zentrale Säulen im Gesundheitssystem aufrechtzuerhalten, sondern diese noch weiter zu stärken. Dazu ist es zum einen erforderlich, die Eigenverantwortung der Verbraucher weiter auszubauen. Zum anderen gilt es, die Rolle der Apotheken als vertrauenswürdige und kompetente Quelle für professionelle Beratung zu festigen, um die Arztpraxen zu entlasten.

Dass und wie gut das funktionieren kann, belegt eine aktuelle Umfrage von Kenvue zur eigenverantwortlichen Selbstmedikation. Danach sind sich viele Verbraucher in Deutschland bereits bewusst, wie wichtig Apotheken sowohl für die fachkundige, individuelle Beratung als auch für die gesundheitliche Aufklärung sind. Nahezu jeder zweite Befragte (44 Prozent) hat im vergangenen Jahr, statt eines Arztes, in einer Apotheke um Rat gefragt, obwohl eine ärztliche Beratung aus eigener Sicht angebracht gewesen wäre. Zwei Fünftel (40 Prozent) gaben an, dass es für sie üblich sei, sich an eine Apotheke zu wenden, wenn es um Gesundheitsberatung geht. Fakten wie diese untermauern, wie das Gesundheitssystem bereits heute durch die zuverlässige und unkomplizierte Gesundheitsberatung in der Apotheke entlastet wird – aber auch durch ihre Teilnahme an Kampagnen zur Gesundheitsförderung oder beispielsweise zur Raucherentwöhnung.

Aber wie ist es um die Eigenverantwortung bestellt? Auch hierüber gibt unsere Studie Auskunft. 84 Prozent der Verbraucher hierzulande trauen sich zu, leichte Beschwerden selbst zu behandeln. Auf die Frage nach konkreten Gründen, warum man bei leichten Beschwerden eine Apotheke aufsuche, sagten rund die Hälfte (44 Prozent), sie wüssten selbst, was zu tun sei. Etwas mehr als ein Drittel (36 Prozent) benannten sogar die Zeitersparnis aufseiten der Ärzte als Grund. Im Gegenzug würden mehr als ein Drittel der Befragten bei leichten Beschwerden einen Arzt aufsuchen, um sich abzusichern (36 Prozent); zwei von zehn (19 Prozent), um sich bei der Auswahl oder Dosierung von Medikamenten beraten zu lassen.

Entlastung fürs Gesundheitssystem

Wie bereits erwähnt, müssten Arztpraxen erheblich mehr Besuche von Patienten mit leichten Beschwerden bewältigen, wenn die eigenverantwortliche Selbstmedikation entfiele. Das bestätigt auch unsere Befragung. Danach würde fast die Hälfte (49 Prozent) der Verbraucher einen Arzt aufsuchen, um ein Rezept für ein nicht länger rezeptfrei erhältliches Medikament zu erhalten. Mindestens genauso beunruhigend: Die verbleibenden 51 Prozent würden im Falle einer Einschränkung gänzlich auf eine wirksame medizinische Behandlung verzichten.

Aus all diesen Zahlen lässt sich eine klare Forderung ableiten: Um das Gesundheitssystem zu entlasten, müssen wir die eigenverantwortliche Selbstmedikation fördern. Indem wir die Vielfalt an rezeptfreien Arzneimitteln erweitern, etwa durch effizientere Regelungen bei der Zulassung. Indem wir die Rolle der Apotheken stärken, um einen niedrigschwelligen Zugang zu wirksamen Therapien und individueller Beratung sicherzustellen und sie als Quelle primärer Gesundheitsversorgung zu etablieren. Und indem wir die Gesundheitskompetenz der Verbraucher weiterentwickeln und alle Beteiligten im Gesundheitswesen in ihrem gesetzlichen Auftrag unterstützen.

Victor Geus ist Area Managing Director Central Europe bei Kenvue 

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