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Werkstattbericht Das EfA-Prinzip: Licht und Schatten

Philipp Stolz, Leiter Stabsstelle Digitalisierung, Stadt Schorndorf (Foto: privat)
Philipp Stolz, Leiter Stabsstelle Digitalisierung, Stadt Schorndorf (Foto: privat) Foto: privat

Das EfA-Prinzip bringt eine Entlastung durch Digitalisierung – hat aber einige Schwachstellen, schreiben Philipp Stolz und Jessica Holzwarth von der Stadtverwaltung Schorndorf. In ihrem Werkstattbericht erläutern sie, wie man die Herausforderungen bewältigen und kleinere Kommunen bei den EfA-Leistungen einbinden kann.

von Philipp Stolz und Jessica Holzwarth

veröffentlicht am 21.08.2024

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„Stell dir vor, du und deine Freunde müsstet für ein Schulprojekt jeweils ein Referat über dasselbe Thema vorbereiten. Anstatt dass jeder von euch das Referat komplett alleine erstellt, macht einer von euch die Arbeit und teilt das fertige Referat mit allen anderen. So spart ihr Zeit und Mühe, weil nicht jeder das Rad neu erfinden muss.“ So die vereinfachte Erklärung des EfA-Prinzips („Einer-für-alle“) erstellt durch ein bekanntes KI-Sprachmodell.

Im akademischen Kontext verwerflich, im digitalpolitischen Kontext aber die momentan bevorzugte Strategie: Arbeitsteilung, Nachnutzung und Vereinheitlichung als Grundprinzipien der föderalen Zusammenarbeit.

Wenn eine Top-Down-Governance politisch nicht gewollt bzw. durchsetzbar ist und der Leidensdruck nicht ausreichend ist, um staatsrechtlich nachzubessern, ist das EfA-Prinzip sinnvoller als das frühere Chaos der ersten OZG-Jahre und deren unklare Verantwortlichkeiten, mangelnde Standardisierung sowie einer kompletten Vernachlässigung des Backends einer Verwaltungsdienstleistung.

Heute werfen wir einen Blick in den Maschinenraum und wollen der Frage auf den Grund gehen, ob die Nachnutzung einer EfA-Leistung sich tatsächlich so einfach darstellt, wie die Weitergabe eines Referats in der Schule.

EfA: Entlastung durch Ende-zu-Ende-Digitalisierung

Zunächst die positiven Nachrichten: EfA-Leistungen funktionieren und sie kommen auch bei Kommunen gut an. Das sollten wir in dieser Form auch ruhig häufiger offen und positiv kommunizieren. Die Stadt Schorndorf konnte zum Beispiel die elektronische Wohnsitzanmeldung, das virtuellen Bauamt und Aufenthaltstitel über EfA-Leistungen implementieren und ist auch bei der E-Waffe (ein Online-Dienst für waffenrechtliche Genehmigungen) und der Verpflichtungserklärung auf einem guten Weg. Die entsprechenden Lösungen bieten – anders als viele ihrer Vorgänger oder artverwandte Dienstleistungen – eine Ende-zu-Ende-Digitalisierung, sodass für die Mitarbeitenden in den Verwaltungen tatsächlich auch eine Entlastung durch die Digitalisierung der eigenen Dienstleistung entsteht und keine Doppelbelastung oder Parallelstruktur.

Der Aufwand für die technische Implementierung ist zwar meist höher, aber er lohnt sich – insbesondere bei sehr nachgefragten Dienstleistungen. Zudem scheint sich im Umgang mit EfA-Leistungen eine stärkere Professionalisierung im Projektmanagement der kommunalen Rechenzentren einzustellen: Die Zusammenarbeit bei der Implementierung ist meist gut strukturiert und effektiv. Bei der elektronischen Wohnsitzanmeldung etwa war seitens unserer Verwaltung nach dem Ausfüllen eines zweiseitigen Fragebogens der Großteil der technischen Implementierung abgeschlossen.

Auch EfA-Leistungen haben Schwachstellen

Dennoch zeichnen sich einige Herausforderungen und Schwachstellen beim aktuellen Vorgehen ab. So ist es nahezu unmöglich, eine haltbare Finanzplanung bei der Übernahme der EfA-Leistungen aufzustellen. Zwar werden die Kosten für EfA-Leistungen in den ersten Nutzungsjahren meist durch Bund oder Land übernommen, aber wie es danach weitergehen wird, darüber wird zwischen den Verantwortlichen noch heftig gestritten.

Nicht mit am Tisch sitzen hier leider die Kommunen, die letztendlich aber den überwiegenden Teil dieser Dienstleistungen zu bestreiten haben werden und deren finanzielle Ausstattung – dem Subsidiaritätsprinzip zum Trotz – in den letzten Jahren nicht in dem Maße gewachsen ist, wie die Aufgabenfülle, der sie nun gegenüberstehen.

Hinzu kommt noch, dass trotz besagter Versprechen bei jeder EfA-Leistung Kosten für die nachnutzende Organisation entstehen, die eben doch nicht übernommen werden. Sei es die Anbindung an eine Datenbank oder ein Onlinebezahlverfahren, die Entwicklung einer Schnittstelle, Schulungskosten, et cetera.

Eine weitere Schwäche wurde durch das OZG 2.0 bereits adressiert: Die Fragmentierung und Zersplitterung der öffentlichen Dienstleistungen im digitalen Raum. Für Bürgerinnen und Bürger (aber auch die Verwaltung) ist es höchst unkomfortabel, diverse öffentliche Leistungen auf jeweils individuellen Websites vorzunehmen und dabei verschiedenste Authentifizierungs- und Registrierungsverfahren über sich ergehen zu lassen.

Es braucht mehr Öffentlichkeitsarbeit

Zudem verhindert man dadurch, dass Bürgerinnen und Bürger eine Vertrautheit und Sicherheit im Umgang mit staatlichen Online-Diensten entwickeln. In Schorndorf steht die Bürgerperspektive immer im Fokus aller Digitalisierungsprojekte. Auch die Idee der EfA-Leistungen nimmt sich nun endlich der Herausforderung an, dass Bürger:innen von Deutschland auch über die Bundesländergrenzen hinweg umziehen und Verwaltungsdienstleistungen in Anspruch nehmen müssen. In unserer täglichen Realität sind die derzeitigen Einzellösungen enorm abschreckend für die Antragsteller. Ein einheitlicher „Shop“ für Onlineanträge für ganz Deutschland wird durch die EfA-Leistungen nun langsam Realität. Die Zentralisierung auf eine Bundesplattform, in Verbindung mit einer einzigen Authentifizierung über die DeutschlandID ist in unseren Augen daher ein richtiger und lohnender Schritt.

Schon jetzt sollten wir die Gelegenheit nutzen, die neuen technischen Möglichkeiten der Bürgerschaft attraktiv zu vermitteln: Für jede EfA-Leistung gibt es ein technisches (Nach-)Nutzungskonzept. Eine Marketingstrategie mit modernen Kommunikationsmaterialien (wie Fotos, Social-Media-Beiträge, Pressetexte), mit denen man die Bevölkerung über diese neuen Möglichkeiten informiert, fehlt meist noch, ist aber von fundamentaler Bedeutung: Nur wenn die Menschen wissen, dass die neuen digitalen Prozesse zur Verfügung stehen und welche Vorteile sie bringen, werden sie darauf umstellen.

Es gilt also die Öffentlichkeitsarbeit im Bereich digitaler Dienstleistungen zu intensivieren, und das in einfacher Sprache und mit kurzen klaren Schritt-für-Schritt Anleitungen – bestenfalls per Social-Media-tauglichen Videos. Unseren Bürger:innen muss vermittelt werden, dass sie keine Angst haben müssen etwas falsch zu machen. Gute Onlineanträge leiten den Antragsteller durch das Formular und weisen direkt auf fehlende Informationen oder Nachweise hin. Ein klarer Vorteil, denn das kann Papier nicht.

Vielleicht müssen wir unseren Bürgerinnen und Bürgern auch einfach mehr zutrauen: Als das Ausländeramt unserer Stadt an einem Werktag außerplanmäßig geschlossen hatte, wurden so viele EfA-Anträge für den Aufenthaltstitel digital eingereicht wie noch nie. Die Menschen verwenden die neuen Tools – sie wissen nur oft nicht, dass es sie gibt oder der gewohnte, analoge Weg scheint so viel bequemer als der digitale Klick.

Den kleinen Kommunen fehlt es an Unterstützung

Die größte Herausforderung nun aber zuletzt: EfA ist nichts für kleine Kommunen. Man stelle sich Schulfreunde aus dem ChatGPT-Beispiel der Einleitung vor, die gegenseitig Referate für einander schreiben. Kleine Kommunen sitzen in diesem Gleichnis nicht am Tisch.

Zur Einordnung: Die Stadt Schorndorf hat ca. 40.000 Einwohner:innen und eine sehr gut ausgestattete Digitalisierungsabteilung, bei der sich jedoch nur eine Projektmanagerin hauptsächlich mit E-Government, OZG und EfA beschäftigt. Das mag für Leser:innen aus Berlin oder Hamburg provinziell klingen, wir müssen uns aber vergegenwärtigen: Über 85 Prozent der deutschen Städte sind deutlich kleiner und in den allermeisten Fällen personell noch schlechter aufgestellt. Hier gibt es niemanden, der den EfA-Markplatz nach neuen Leistungen durchsucht.

Damit digitale Verwaltungsdienstleistungen in der Fläche überall ankommen scheint daher auch die derzeitige EfA-Strategie nicht geeignet. Hier wird der Flickenteppich des OZG lediglich etwas dichter. Sinniger wäre es:

  • Kurzfristig: kleinere Kommunen bei der Implementierung von EfA-Leistungen durch regionale Akteure (kommunale Landesverbände, Landkreise, kommunale Rechenzentren) stärker zu unterstützen
  • Mittelfristig: die Antragsstellung und -bearbeitung in unserem Staatswesen zu zentralisieren und im föderalen System neu zu ordnen
  • Langfristig: die Vision einer proaktiven Verwaltung (einer Verwaltung ohne Online-Antrag, aber mit rennenden Daten) zu kommunizieren und voranzutreiben.

Falls dieser Werkstattbericht dabei hilft, kann er gerne nachgenutzt werden.

Mit Jessica Holzwarth, Projektmanagerin in der Stabsstelle Digitalisierung der Stadtverwaltung Schorndorf. Philipp Stolz ist Leiter der Stabsstelle Digitalisierung in Schorndorf (Baden-Württemberg). Bisher von ihm erschienen:Verschlaft die KI-Transformation nicht!

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