Erweiterte Suche

Smart City

Standpunkte Digitale Transformation braucht starke Netzwerke

Ann Cathrin Riedel, Geschäftsführerin von Next
Ann Cathrin Riedel, Geschäftsführerin von Next Foto: Paul Alexander Probst

Verwaltungsmodernisierung ist so viel mehr als Onlinezugangsgesetz und Registermodernisierung, findet Ann Cathrin Riedel. Es braucht neue Strukturen, einen Kulturwandel und starke Netzwerke. Was das mit gestopften Hähnchen zu tun hat, lesen Sie im Standpunkt.

von Ann Cathrin Riedel

veröffentlicht am 15.06.2023

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen

In meiner Twitter-Bio steht: „you’ll probably hear about the Hackhähnchen“. „Häckhähnchen?!“, werden Sie sich fragen – und ja, ich stopfe ein Hähnchen mit Hackfleisch (aber auch mit Reis und Mandelsplittern) und serviere das dann. Zum „Hackhähnchen“ möchten mittlerweile viele kommen. Etwas stolz macht mich das schon. Es ist aber nicht wegen des gestopften Hähnchens selber – das merken die Gäste spätestens bei der Ankunft – sondern bei dem Format „Hackhähnchen“, das sich mehr aus Zufall entwickelt hat.

Ich koche gerne und wollte immer einen großen Esstisch haben. Als ich den endlich hatte, lud ich elf Freund:innen ein und dieses Format etablierte sich. Es kamen auch Menschen hinzu, die ich gar nicht kannte, aber spannend fand und eigentlich erst an meiner Wohnungstür kennenlernte. Ich wollte Menschen zusammenbringen, bei denen ich dachte, dass sie sich mal kennenlernen sollten. Weil sie sympathisch sind, klug, witzig und spannende Dinge tun. Und einige wollte ich selber auch einfach mal kennenlernen.

So entstand das Hackhähnchen, das heute irgendwas zwischen Mysterium und Running Gag ist, aber vor allem ein privates Format, das mir viel Freude bereitet ­und meinen Gästen auch. Sie vergrößern ihr Netzwerk und ich bin froh, dass so Menschen zusammenfinden, die auf unterschiedliche Weisen die Probleme dieser Welt lösen. Allein kann das schließlich niemand. So haben sich zum Beispiel ein Professor und ein ehemaliger Mitarbeiter von ProSiebenSat1 bei mir kennengelernt und mir später erzählt, dass sie zusammen an einem Projekt gegen Cybermobbing gearbeitet haben – eine Kampagne im Rahmen von Germany’s Next Top Model.

Magie des Netzwerkens

Das ist für mich die Magie des Netzwerkens: Man lernt neue Leute kennen, durch den Austausch entstehen neue Synergien, es werden neue Ideen geboren und manchmal kann sich unverhofft weitergeholfen werden. Vielleicht direkt am selben Abend, vielleicht erst Wochen oder Jahre später. Vielleicht auch nie. Ein Mehrwert ist trotzdem da: Man hatte einen angeregten Abend.

Warum erzähle ich das? Netzwerke haben einen enormen Wert. Das ist eigentlich keine Neuigkeit. Für die öffentliche Verwaltung aber schon. Um das Netzwerken und den Austausch in diesem Bereich zu fördern, wurde 2018 das Next-Netzwerk gegründet, das ein eingetragener Verein ist. Seit März diesen Jahres darf ich die Geschäftsstelle leiten. Das Next-Netzwerk ist der Ort, wo die „Gold Nuggets“ der Verwaltung zusammenkommen, so sagte es die Bundestagsabgeordnete Anke Domscheit-Berg. Und sie hat Recht.

Mit wenig Erfahrung in der öffentlichen Verwaltung, aber mit der Hypothese, dass wir zahlreiche kluge, talentierte, motivierte und kreative Menschen im öffentlichen Dienst haben, bin ich an die neue Tätigkeit herangegangen und diese Erwartung wurde mir nicht nur bestätigt, sondern auch übertroffen.

Insbesondere in den Kommunen haben wir Menschen sitzen, die allen Widrigkeiten zum Trotz unsere Verwaltung kreativ und mit viel Elan transformieren. Die Widrigkeiten sind – und damit bestätigte sich meine zweite Hypothese – Prozesse und Strukturen, an denen ein Vorankommen bei der Transformation unserer Verwaltung scheitert. Vorgaben, die nicht zu erfüllen sind, die Fernab der Bedarfe der Kommunen sind und vor allem, wie in der Verwaltung insbesondere im Bund, immer noch gearbeitet wird.

E-Mail-Anhänge sind kein Kollaborationstool

Das ist auch etwas, das mir bei meiner Tätigkeit im Beirat zur Umsetzung der Digitalstrategie Deutschlands aufgefallen ist und vor einigen Tagen Netzpolitik sagte: Wie kann gute, zeitgemäße Zusammenarbeit zwischen den Ressorts erfolgen, wenn das einzige Kollaborationstool der E-Mail-Anhang ist? Das ist nicht nur müßiges Arbeiten, es ist auch fehleranfällig und kostet viel Zeit und Geld.

Über den Fachkräftemangel, der sich durch die Pensionierungswelle nochmal verschärfen wird, und die Attraktivität von Bundesministerien als Arbeitgeber haben wir da noch gar nicht gesprochen. Die Ampel-Koalition hat sich im Koalitionsvertrag eigentlich vorgenommen, dass sie das Silodenken zwischen den Ressorts überwinden möchte und das Arbeiten agiler und digitaler erfolgen soll. Maßnahmen dafür kann ich leider noch nicht erkennen.

Wir werden uns noch lange darüber unterhalten können und müssen, wie Leuchtturmprojekte in die Fläche kommen, warum Digitalprojekte scheitern und wie viel Geld wir wirklich verschwenden, wenn Projekte nicht nachhaltig verankert und damit finanziert werden. Wir müssen uns auch im öffentlichen Dienst stärker damit beschäftigen, wie wir miteinander arbeiten wollen und sollten, um gerade in Zeiten knapper werdender Haushaltsmittel alle möglichen Effizienzen zu heben.

Next kann und will dafür eine Maßnahme sein. Bei uns kommen Menschen der öffentlichen Hand zusammen, die aus eigenem Antrieb heraus ihr Wissen und ihre Fähigkeiten in unseren Communites miteinander teilen wollen. Das sind Menschen, die Spaß am Austausch über digitale Themen haben, Gleichgesinnte in ihren Fachgebieten suchen und einen Mehrwert im Vernetzen sehen. Sie haben begriffen, dass die digitale Transformation nur gelingt, wenn man das eigene Wissen teilt und Kontakte knüpft. Zum Beispiel durch unsere Speeddating-Sessions während unserer Communities, um Menschen kennen zu lernen, die man mal anrufen kann, wenn man Rat braucht oder doch nochmal weiter über eine skizzierte Herausforderung sprechen möchte.

Mit über 3.000 Aktiven in unseren Communities sehen wir, wie hoch der Bedarf ist und der Wille sich auszutauschen und zu lernen – dass Vernetzung ein elementarer Bestandteil der Verwaltungsmodernisierung ist. Ebenso wie Fähigkeiten im Projekt- und Innovationsmanagement.

Kulturwandel für die Transformation

Verwaltungsmodernisierung ist so viel mehr als Onlinezugangsgesetz (OZG) und Registermodernisierung. Um die Transformation der Verwaltung erfolgreich umzusetzen, braucht es einen Kulturwandel, der agilere Strukturen und nachhaltigere Prozesse integriert, eine angemessene Organisationsentwicklung und starke Netzwerke, in denen gemeinsam auf den Wandel in der Verwaltung hingewirkt werden kann. Verwaltungsmodernisierung ist bedeutsamer, als manch einer meinen mag. Das Vertrauen in einen funktionierenden Staat und damit unser demokratisches System hängt davon ab.

Die Koalition hat die Bedeutung dieses Bereichs dadurch erkannt, dass sie ihn zum Thema des ersten Kapitels im Koalitionsvertrag machte. Diese Bedeutung sollte sich auch in den kommenden Haushaltsverhandlungen widerspiegeln. All die Formate und Vorhaben, die für die Verwaltungsmodernisierung von Bedeutung sind, brauchen Mittel im Haushalt. Dazu gehören der Digitalcheck, die Work4Germany-Fellowships, das Govlab und natürlich auch Next.

Zurück zum Hackhähnchen: Das Rezept werde ich weiterhin nicht preisgeben. Aber mein Rezept für erfolgreiches Netzwerken: Habt Spaß dabei! Glaubt daran, dass jedes Gespräch, jeder neue Kontakt wertvoll ist. Selbst wenn man nur einmalig einen bereichernden Abend hatte.

Ann Cathrin Riedel ist Geschäftsführerin von Next e.V., einem Expert:innen-Netzwerk für die digitale Transformation der Verwaltung. Davor verantwortete sie die internationale Digitalpolitik bei der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. Sie ist Vorsitzende von Load e.V. – Verein für liberale Netzpolitik. Im Jahr 2022 wurde sie in den Digitalbeirat zur Umsetzung der Digitalstrategie der Bundesregierung beim Bundesministerium für Digitalisierung und Verkehr und in den Digitalrat des Landes Sachsen-Anhalt berufen.

Beim Creative Bureaucracy Festival in Berlin hält sie heute einen Talk zum Thema „Es geht nur zusammen! Netzwerke als Katalysatoren für Erfolg und Wandel“.

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen