In Zeiten des rasanten gesellschaftlichen und technologischen Wandels stehen wir auch in Zürich vor der großen Herausforderung, uns an die sich verändernden Bedürfnisse der Bevölkerung anzupassen und Verwaltungsdienstleistungen so zu gestalten, dass sie echten Mehrwert bieten. Schlechte Services werden mittlerweile nicht nur von den Nutzenden kritisch betrachtet und lautstark kommentiert. Sie sind auch teuer und aufwändig für die Verwaltung. Sie generieren unnötige Kosten für die Steuerzahler*innen und belasten die Mitarbeitenden zusätzlich.
So selbstverständlich es erscheinen mag, Nutzende bei der Gestaltung von Dienstleistungen einzubeziehen, so leicht rücken relevante Bedürfnisse in neuen Vorhaben nach anfänglichen Absichtserklärungen in den Hintergrund. Ich habe es schon oft erlebt: Projektteams kämpfen mit komplizierten Prozessen, ergeben sich vorherrschenden Strukturen und arbeiten mit einer ausgeprägten Innensicht.
Nutzendenzentrierung: Das Mindset einer smarten Verwaltung
Wir sind davon überzeugt, dass eine konsequent geforderte und gelebte Nutzendenzentrierung in der Verwaltung ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur Smart City ist. Für uns bedeutet das, die Bedürfnisse und Anliegen der Menschen in den Mittelpunkt der Entscheidungsfindung zu stellen – unabhängig davon, ob es sich dabei um Mitarbeitende der Stadt oder um externe Privatpersonen und Unternehmen handelt. Nur wenn wir die Bedürfnisse der Menschen wirklich verstehen und sie in der Entwicklung von digitalen (und auch analogen) Dienstleistungen im ganzen Prozess einfließen lassen, sind wir auch in der Lage, ein städtisches Angebot mit Mehrwert zu gestalten und zukunftsfähig weiterzuentwickeln.
Service Design als Arbeitsweise und Toolbox
Service Design ist eine unserer wichtigsten Methoden, um Nutzendenzentrierung in der Praxis konkret umzusetzen. Inspiriert von Wegbereitern der Disziplin aus dem Vereinigten Königreich (Lou Downe) und Deutschland (Martin Jordan) hat Service Design in den letzten Jahren auch in der Stadt Zürich an Bedeutung gewonnen. Es ist zu einer unverzichtbaren Komponente bei der Entwicklung und Verbesserung von städtischen Dienstleistungen geworden.
Unsere zwei erfahrenen Service-Designerinnen im Team von Smart City Zürich spielen dabei eine zentrale Rolle. Als Kompetenzzentrum für Nutzendenzentrierung trägt Smart City Zürich maßgeblich dazu bei, die Bedürfnisse der Menschen bei Service-Projekten immer ins Zentrum zu stellen. Wir unterstützen die verschiedenen Dienstabteilungen bei der digitalen Transformation und entwickeln mit Design-Thinking-Methoden und Prototyping digitale Abläufe, Produkte und Dienstleistungen, die einfach, klar und verständlich sind. Wirkung erbringen wir dabei nicht nur durch fachliche Expertise, sondern wir schaffen auch Bewusstsein für die Wichtigkeit der Nutzendenzentrierung in allen städtischen Abteilungen.
Anwendungen aus der Praxis: Geburtenprozess und Bestattungsberatung
Beispiele für den Einsatz von Service Design in Zürich sind die Projekte Geburtenprozess und Bestattungsberatung. Geburt und Tod sind hochemotionale Themen, und die damit verbundenen Dienstleistungen werden zu einem großen Teil von der öffentlichen Hand erbracht. In interdisziplinären Teams wurden diese Services daher analysiert und punktuell neu gestaltet. Beim neuen Beratungsangebot des Bestattungs- und Friedhofamts wurde für die hinterbliebenen Angehörigen eine digitale Entscheidungshilfe entwickelt, mit der die zahlreichen Möglichkeiten bei einer Bestattung (Sarg-/Urnenmodelle, Grabarten, Friedhöfe et cetera) auf einfache und übersichtliche Weise bereits im Vorfeld der Beratung vermittelt werden können.
Das schafft Raum im persönlichen Beratungsgespräch und entlastet gleichzeitig die Bestattungsberater*innen. Interessant war eine Schwerpunktverlagerung mitten im Projekt: Der anfängliche Auftrag sah vor, den gesamten Bestattungsprozess und vor allem die Logistik zu digitalisieren. Erkenntnisse aus Befragungen aller involvierten Parteien und ein komplettes Mapping des Prozesses zeigten aber, dass das größte Verbesserungspotential in der Neugestaltung der Bestattungsberatung liegt. Mit der neuen Lösung kann die Komplexität für die Hinterbliebenen und damit auch der Stress nach einem Todesfall erheblich reduziert werden, was sich positiv auf den gesamten Prozess auswirkt.
Digitaler Wizzard soll bürokratischen Aufwand für Eltern reduzieren
In einem zweiten, noch laufenden Projekt wird der Prozess des Zivilstandsamt für die Ausstellung von Geburtsurkunden überarbeitet und optimiert. Auch hier wurden alle involvierten Parteien – Eltern, Hebammen, Spitaladministration, Zivilstandsamt – bereits von Anfang an in das Projekt mit einbezogen, um eine ganzheitliche Sicht zu erhalten. Die zu Tage gebrachte Komplexität war hoch, gerade auch weil Unterschiede in Staatsbürgerschaft und Personenstand ganz unterschiedliche Anforderungen an die Dokumente stellen, die eingereicht werden müssen.
Sind die Eltern zum Beispiel verheiratet, aber beide keine Schweizer Staatsangehörigen, müssen sie in ihrem Herkunftsland erst die entsprechenden Urkunden besorgen und beglaubigen lassen. Das ist je nach Land unterschiedlich und kann eine Weile dauern. Bei einem verheirateten Schweizer Paar – oder auch wenn das ausländische Paar in der Schweiz bereits ein Kind bekommen hat – sind die Angaben beim Zivilstandsamt Zürich schon hinterlegt.
Ein digitaler Wizzard, der sich momentan noch in der Konzeptionsphase befindet, soll werdenden Eltern in Zukunft helfen, sich bereits vor dem Geburtstermin mit der Registrierung ihres Kindes zu beschäftigen und die nötigen Formulare vorausgefüllt zum Geburtstermin mitzunehmen. So können sie sich nach dem freudigen Ereignis ganz ihrem Baby widmen und müssen sich nicht mit der Bürokratie herumschlagen. Der Wizzard bildet einen „Entscheidungsbaum“ ab und hilft Eltern dadurch, die für sie nötigen Dokumente rechtzeitig zum Geburtstermin zu besorgen.