Werkstattbericht Smarte Werkzeuge für eine emissionsfreie Zukunft

Leipzig gehört zu den 100 europäischen Modellstädten der EU-Mission für Klimaneutralität. Mit datenbasierten Lösungen will die Stadt Digitalisierung, Klimaschutz und Beteiligung verschränken, schreibt Beate Ginzel von der Leipziger Stadtverwaltung im Werkstattbericht. Am Beispiel von vier Projekten gibt sie Einblick in Leipzigs smarte Transformation.
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Jetzt kostenfrei testenAnfang Mai wurde Leipzig in Vilnius mit dem Label „Klimaneutrale und smarte Stadt“ der EU-Mission ausgezeichnet – als eine von 100 europäischen Modellkommunen. Es ist ein starkes Signal: Der Wandel zur klimaneutralen Stadt ist machbar – wenn Digitalisierung, Klimaschutz und Beteiligung zusammen gedacht werden.
Leipzig ist längst mehr als Testfeld – es ist eine Vorreiterstadt. Auf dem Weg zur Klimaneutralität setzt die Stadt gezielt auf datenbasierte, smarte Lösungen. Vier Projekte stehen exemplarisch für diesen Ansatz: die praktische Umsetzung und der Betrieb von smarten Technologien in Bestandsquartieren in Leipzig im EU-Projekt „Sparcs“, der Aufbau des Energie-Atlas Leipzig im MPSC-Projekt des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) „Connected Urban Twins“, das Mobilitätsprojekt „AIAMO“ gefördert durch das Bundesministerium für Verkehr (BMV) und die Entwicklung von Klima-Challenges innerhalb der Leipzig App im EU-Projekt „EnAct“.
Sparcs: Blaupausen für klimapositive Quartiere
Im EU-Projekt Sparcs hat Leipzig als „Lighthouse City“ gemeinsam mit Partnern wie den Leipziger Stadtwerken und der Universität Leipzig innovative Lösungen für energiepositive Quartiere entwickelt. Im Fokus stand das Dunckerviertel im Leipziger Westen – ein ehemaliges Industrieareal, das sich zu einem lebendigen Stadtteil mit hoher sozialer und ökologischer Dynamik gewandelt hat. Hier wurden unter anderem Photovoltaikanlagen, intelligente Heizsysteme und Elektromobilitätslösungen erprobt. Die Ergebnisse fließen in eine umfassende Roadmap für die gesamtstädtische Transformation ein und dienen als Modell für andere Städte.
Digitale Zwillinge als Fundament
Mit dem Energie-Atlas Leipzig steht der Stadt ein präzises Instrument zur Verfügung, das Potenziale für erneuerbare Energien im urbanen Raum sichtbar macht. Im Rahmen von Connected Urban Twins wird er Teil eines umfassenden digitalen Zwillings, der energetische, infrastrukturelle und soziale Daten integriert. Die Vision: komplexe Wechselwirkungen besser verstehen – und klima- und ressourcenschonend gestalten.
Mobilität neu gedacht: AIAMO
Im Forschungsprojekt AIAMO entwickelt Leipzig gemeinsam mit führenden Partnern ein System zur KI-gestützten, umweltsensitiven Verkehrssteuerung. Rund 50 Umweltstationen liefern Echtzeitdaten zu Luftqualität und Verkehrsfluss. Maßnahmen lassen sich so gezielt simulieren und vorausschauend umsetzen – etwa bei Großveranstaltungen oder an kritischen Knotenpunkten wie der Eutritzscher Straße. Leipzig wird damit zur Blaupause für zukunftsfähige Mobilität.
Klima-Challenges: Beteiligung trifft Motivation
In der Leipzig-App entstehen aktuell sogenannte „Klima-Challenges“ – niedrigschwellige, spielerisch angelegte Formate, die Bürgerinnen und Bürger zu klimafreundlichem Verhalten motivieren. Wer Energie spart, das Fahrrad statt dem Auto nutzt oder lokale Initiativen unterstützt, kann Punkte sammeln und Leipzig aktiv auf dem Weg zur Klimaneutralität begleiten.
Klimaneutralität braucht die Wirtschaft
Ein oft unterschätzter Hebel auf dem Weg zur Klimaneutralität ist die Wirtschaft. Leipzig zeigt hier, wie es gehen kann: Über 50 Unternehmen beteiligen sich aktiv am städtischen Klimastadtvertrag. Sie haben 818 Maßnahmen zur CO₂-Reduktion auf den Weg gebracht – von der energetischen Sanierung über Umstellung der Mobilität bis zu Prozessoptimierungen. Damit leisten sie nicht nur einen bedeutenden Beitrag zum Klimaschutz, sondern investieren auch gezielt in die eigene Wettbewerbsfähigkeit.
Denn: Der Wandel rechnet sich. Wer frühzeitig auf klimaneutrale Prozesse, Ressourceneffizienz und digitale Technologien setzt, senkt langfristig Kosten, wird resilienter gegenüber regulatorischen Risiken und steigert seine Innovationskraft.
Unternehmen mit hohem digitalen Reifegrad kommen beim Klimaschutz nachweislich schneller voran. Sie können durch datenbasierte Steuerung, Prozessautomatisierung und Simulationstechnologien gezielt Emissionen reduzieren – oft mit geringeren Kosten. Laut Capgemini Research könnten digitale Technologien bis zu einem Drittel der Emissionsreduktionen beitragen, die für das Erreichen der Pariser Klimaziele bis 2030 nötig sind. Und laut UN Global Compact betrachten mittlerweile 98 Prozent der CEOs weltweit Nachhaltigkeit als zentrale Führungsaufgabe – ein klarer Trend in Richtung digital gestützter Nachhaltigkeitstransformation.
Leipzigs Smart-City-Ansatz nutzt dieses Potenzial – auch im Schulterschluss mit der lokalen Wirtschaft. Die Stadt schafft die digitalen Grundlagen, auf denen die Stadtverwaltung und die Wirtschaft ihre eigenen Klimastrategien entwickeln und umsetzen können – datenbasiert, vernetzt und zukunftssicher.
Smart, klimaneutral, zukunftsfähig
Smart City wird in Leipzig als strategisches Werkzeug für den Klimaschutz verstanden. Es geht nicht um mehr Technik, sondern um bessere Entscheidungen – datenbasiert, vernetzt und partizipativ. Mit offenen Daten, kooperativen Netzwerken und digitaler Innovationskraft beginnt die Stadt der Zukunft schon heute.
Beate Ginzel leitet das Referat seit dem Jahr 2019. Zuvor war sie Abteilungsleiterin im Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbau. Ginzel war zehn Jahre wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Stadtentwicklung und Bauwirtschaft an der Universität Leipzig und als Architektin in Deutschland, den Niederlanden und Tansania tätig.
Zuletzt von ihr in dieser Rubrik erschienen: „Wie Digitale Zwillinge faktenbasierte Politik unterstützen“
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