Der deutsche Generationenvertrag für das Klima sieht vor, dass das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2045 erreicht wird. Bis 2030 bereits sollen die Emissionen um 65 Prozent gegenüber 1990 sinken. Diese Ziele wird Deutschland nur erreichen, wenn das Innovationspotenzial auch auf kommunaler Ebene gehoben wird. Um einen erfolgreichen Pfad zur Klimaneutralität zu gehen, braucht es ein klares Verständnis, wo wir stehen und was wir tun müssen, es braucht den Einsatz von Daten, Modellen und Visualisierungen – kurz: Digitalisierung. Für eine Nation, die im Digitalisierungs-Index Europas im Jahr 2022 insgesamt auf Platz 13 und in der Kategorie „Öffentliche Dienste“ auf Platz 18 landet, ist der Klimawandel somit ein dringlicher Appell, die Potenziale zu heben, die entstehen, wenn wir die Klimaziele mit dem Motor der Digitalisierung verknüpfen.
Record, Report, Reduce: Klimaziele datengetrieben erfassen und erreichen
Klimaziele brauchen ein datengetriebenes Verständnis für den Status quo und ein transparentes Monitoring für angestrebte Reduktionsmaßnahmen. Der erste Schritt von einem statischen zu einem dynamischen Klimapfad ist die Digitalisierung von Klimadaten, welche Organisationen heute oft noch händisch aus verschiedenen Silos oder Dritt-Systemen zusammentragen. Durch eine Digitalisierung der Prozesse können Daten automatisiert gesammelt (Record), klassifiziert und leichtverständlich dargestellt (Report) und schließlich analysiert werden, um Dissonanzen zu erkunden und Maßnahmen zur beispielsweise CO2-Verringerung aufzusetzen (Reduce). So sind Daten nicht nur vorhanden, sondern werden zu einem essenziellen Hebel für eine erfolgreiche Klimazielerreichung.
Von den Vorreiter-Kommunen lernen
Ein Blick in die Kommunen zeigt: Es gibt sie bereits, die Vorzeigebeispiele, die den Motor der Digitalisierung einsetzen, um dem Klimawandel zu begegnen. Die Stadt Dortmund etwa soll bis 2030 klimaneutral sein und setzt dafür auf ein digitales und dynamisches Klimabarometer. Damit folgt die Kommune ihrem Leitspruch „Klima ist Heimspiel“ und positioniert sich als Vorreiter des agilen Klimaschutzes in Deutschland. Entlang des Record- und Report-Gedankens zeigt das online für alle zugängliche Dashboard den Klimaaktionsplan der Stadt und wird als Planungs- und Kommunikationsinstrument verwendet. So können sektorübergreifend Entscheider:innen und auch die Öffentlichkeit informiert und aktiviert werden.
„Pendlerverkehr: Was müssen wir ändern?“, ist beispielsweise eine Frage, die die Stadt angeht, um die Emissionen zu reduzieren, die heute noch von fossil betriebenen Autos verursacht werden. Zielbild ist ein Mobilitätsmix aus Rad- und Fußverkehr, Elektroautos und öffentlichem Nahverkehr. Welcher Mix zielführend und auch realistisch ist, kann anhand von Szenarien im Dashboard dargestellt und diskutiert werden.
Die Definition von Reduce-Maßnahmen, die solch ein umweltfreundliches Verhalten sodann fördern und inzentiveren, vervollständigen den Klimaaktionsplan. Wichtig ist: Die laufenden Maßnahmen, die sich allein im Verkehr auf 88 belaufen und vom Ausbau der Radinfrastruktur bis zu Hot-Spot-Analysen für Elektromobilität reichen, werden kontinuierlich mit den gesteckten Klimazielen abgeglichen. Dies führt zu einer realistischen Einschätzung, ob die vorgenommenen Aktivitäten ausreichend sind oder ob Umsetzungslücken bestehen, und erlaubt den Wandel von statischen hin zu lebendigen Klimaschutz-Aktionsplänen.
In der heutigen Version bildet das Dortmunder Dashboard den Umstellungspfad für die Sektoren Gebäude und Verkehr ab. Eine agile Weiterentwicklung erlaubt die Integration der neuesten wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse sowie die Aufnahme weiterer Sektoren wie Industrie oder Landwirtschaft.
Anlass zur Freude ist besonders, dass die Chancen der Digitalisierung in den Ämtern genutzt werden, in denen auch die fachliche Expertise sitzt. So sind es die Umweltämter, die den Schritt in Dortmund wagen und datenbasiert agieren. Und das Thema wird bereits weitergedacht: Auch Klima-Investitionspläne zur Schließung von Finanzierungslücken sollen integriert werden, sodass am Ende nicht nur ein „Return on Climate“, sondern auch ein „Return on Investment“ in den Büchern steht.
Die Möglichkeiten des digitalen Klimaschutzes nutzen
Trotz der bestehenden Bestrebungen hat bisher noch keine europäische Kommune das Ziel der Klimaneutralität erreicht. So zeigt der Klimaschutz-Index symbolisch zwei unbesetzte Plätze an der Spitze. Interessant ist, dass dahinter skandinavische Länder folgen und somit die Staaten, die auch im Digitalisierungs-Index im europäischen Vergleich ganz vorne stehen. Deutschland liegt im Klimaschutz-Index mit Platz 16 – wieder einmal – im Mittelfeld.
Das Gute daran ist: Wenn auch jeder für sich, so arbeiten alle an dem gesellschaftlichen Ziel der Klimaneutralität und wir haben jetzt noch die Gelegenheit, von den Besten zu lernen. Die Community derer, die einen digitalen Fahrplan für eine klimaneutrale Zukunft anwenden und diesen öffentlich teilen, wächst: Das Land Schweden, Städte wie Helsingborg, Nottingham, Dortmund und Heidelberg, aber auch der Kreis Siegen-Wittgenstein nutzen die Chancen bereits und setzen auf eine gemeinsame digitale Plattform.
So helfen Daten nicht nur die richtigen Maßnahmen zu priorisieren und zeitnah auf Umsetzungslücken zu reagieren, sondern auch dabei, gemeinsam der Klimawende zu begegnen. Lassen Sie uns die Möglichkeiten für den digitalen Klimaschutz nutzen – denn bald haben wir weit mehr zu verlieren als nur die Zeit.
Henrike Etzelmüller verantwortet das Thema Sustainable Cities und Regions für Microsoft Deutschland. Als Botschafterin für digitale Transformation ist sie zudem aktive Vorsitzende des Arbeitskreises Smart City & Smart Region im Bitkom. Aktuell organisiert sie „Sustainability Foren“ für Kommunen. Eines findet am Mittwoch in Köln statt, eines am 28. März in München.