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Werkstattbericht Warum der Go-Live erst der Anfang ist

Lena Sargalski, CDO bei der Stadtverwaltung Bad Salzuflen
Lena Sargalski, CDO bei der Stadtverwaltung Bad Salzuflen Foto: Bad Salzuflen

Ein Online-Service allein macht noch keine erfolgreiche Digitalisierung, findet Lena Sargalski. Entscheidend ist, dass Bürger:innen ihn tatsächlich nutzen – und Mitarbeitende ihn aktiv empfehlen. Im Werkstattbericht schildert die CDO aus Bad Salzuflen, wie Kommunen digitale Angebote sinnvoll in bestehende Strukturen einfügen können und welche Rolle dabei die Verwaltung selbst als Multiplikator spielt.

von Lena Sargalski

veröffentlicht am 26.03.2025

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Seit Neuestem habe ich das Puzzeln für mich wiederentdeckt. Während ich im Arbeitsalltag Abläufe hinterfrage, Prozesse optimiere, Mitarbeitende berate und digitale Kompetenzen aufbaue, freue ich mich abends darauf, einzelne Teile zusammenzufügen, bis sich ein Gesamtbild ergibt. Es beginnt immer mit dem Rand, dann folgen die ersten zusammenhängenden Bereiche – und irgendwann ergibt alles einen Sinn. Genau dieses Gefühl hatte ich, als vor wenigen Wochen unser Serviceportal live ging. Ein weiteres Puzzleteil fügte sich in unsere digitale Strategie ein. Doch während ein Puzzle irgendwann vollständig ist, bleibt die Verwaltung in einem permanenten Transformationsprozess. Ein Go-Live bedeutet nicht, dass das Bild fertig ist – sondern, dass wir es weiterentwickeln müssen.

Ein Serviceportal allein reicht nicht – Integration ist der Schlüssel

Die Einführung eines Serviceportals wird oft als Meilenstein gefeiert. Doch Digitalisierung ist nicht mit einem Portal abgeschlossen – sie ist ein fortlaufender Prozess. Entscheidend ist nicht nur, dass wir digitale Angebote bereitstellen, sondern wie wir sicherstellen, dass sie auch genutzt werden. Für uns war schnell klar: Digitale Dienste dürfen nicht isoliert betrachtet werden, sondern müssen sich nahtlos in die bestehende städtische Website einfügen. Warum? Über 80 Prozent der Zugriffe auf unsere Website erfolgen mobil, und häufig ist das Eingangstor eine Suchmaschine.

Digitale Services sollten also dort bereitgestellt werden, wo Nutzer:innen bereits nach Informationen suchen – nicht auf separaten Plattformen mit zusätzlichen Logins. Gleichzeitig harmonisieren wir mit dem neuen Serviceportal die bestehenden Strukturen innerhalb des Ökosystems der Stadtverwaltung. Digitalisierung bedeutet nicht, möglichst viele Onlinedienste bereitzustellen, sondern genau jene, die sinnvoll sind, Prozesse optimieren und echte Entlastung schaffen – sowohl für Mitarbeitende als auch für Bürger:innen. Bestehende Komponenten wie die flächendeckende Etablierung unseres Prozessmanagements, unser Formularserver mit Workflow-Funktion und die elektronische Akte sowie die Anbindung weiterer Schnittstellen greifen Hand in Hand mit dem Serviceportal. Doppelstrukturen entfallen, die Datenpflege erfolgt automatisiert, Abläufe werden schneller.

Nutzerakzeptanz entscheidet über Erfolg – nicht die Technik

Ein Online-Service allein reicht nicht. Er muss ein echtes Problem lösen, besser sein als der analoge Prozess und aktiv beworben werden. Kein Bürger und keine Bürgerin hinterlegt online einfach so ein Sepa-Lastschriftmandat oder verlängert seine „SalzuflenCARD“. Kommunen investieren viel Zeit und Ressourcen in digitale Lösungen, nur um später festzustellen, dass diese kaum genutzt werden.

Das Problem? Es fehlt eine durchdachte Strategie für die Nutzerakzeptanz. Bürger:innen nutzen digitale Angebote nicht zufällig. Ausgangslage ist immer ein konkreter Bedarf – nur wenn sie gezielt darauf hingewiesen werden, sei es durch einen persönlichen Kontakt in der Verwaltung, eine Information auf einem Bescheid oder eine zielgruppenspezifische Kampagne, steigt auch die Nutzung digitaler Services.

Mundpropaganda als Erfolgsfaktor – warum die Verwaltung der beste Multiplikator ist

Was mich während der Einführung des Serviceportals besonders gefreut hat: die hohe Mitwirkungsbereitschaft unserer Fachbereiche. Sobald Mitarbeitende erkennen, dass digitale Prozesse ihre Arbeit erleichtern, werden sie zu echten Botschafter:innen. Sie empfehlen Online-Services aktiv weiter, verweisen in Gesprächen mit Bürger:innen auf digitale Angebote und übernehmen damit eine Schlüsselrolle in der Verbreitung digitaler Verwaltungsangebote.

Ein Beispiel: Der Onlinedienst zum Mülltonnentausch. Kurz nach dem offiziellen Go-Live stieg die Nachfrage enorm – und das ganz ohne öffentlichkeitswirksame Werbemaßnahmen. Der Erfolg beruhte einzig auf einer inhaltlich gut aufbereiteten Themenseite und der Mundpropaganda unserer Abfallberatung. Diese internen Multiplikatoren sind entscheidend, um digitale Angebote erfolgreich zu etablieren.

Nach dem Go-Live: Die eigentliche Arbeit beginnt jetzt

Ein typischer Fehler vieler Digitalisierungsprojekte: Das Portal geht online – und dann passiert erstmal nichts. Keine gezielte Erfolgskontrolle, keine strategische Anpassung, keine Weiterentwicklung. Dabei ist genau diese Phase entscheidend. Unsere Strategie war daher von Anfang an: Nutzungsdaten systematisch auswerten, Erkenntnisse daraus ziehen und die Services gezielt weiterentwickeln. Welche Dienstleistungen werden stark nachgefragt? Wo gibt es technische oder kommunikative Hürden? Welche Gruppen erreichen wir noch nicht?

Die Analyse von Nutzungsdaten wird oft vernachlässigt, obwohl sie wertvolle Einblicke bietet, um Prioritäten zu setzen und Ressourcen dort einzusetzen, wo sie den größten Mehrwert bringen. Und der stetige Austausch mit den Fachbereichen bleibt bestehen, das Serviceportal wird ein integraler Bestandteil für die künftige Ausrichtung.

Was wir jetzt brauchen: Eine neue Art des digitalen Denkens

Serviceportale sind wichtig, keine Frage. Sie sind ein großer Schritt in Richtung digitale Verwaltung. Aber sie sind kein Selbstzweck. Ihr Erfolg hängt davon ab, ob sie konsequent weiterentwickelt werden – mit klarem Fokus auf Nutzer:innen, echten Mehrwerten und einer Verwaltung, die Digitalisierung nicht als reines IT-Projekt, sondern als Kulturwandel begreift.

Was mir am Ende des Tages am wichtigsten ist: Dass wir mutig bleiben. Dass wir bestehende Strukturen hinterfragen, neue Wege gehen und erkennen, dass Digitalisierung nicht bedeutet, „mehr IT“ zu haben – sondern eine Verwaltung, die wirklich smarter arbeitet. Der Go-Live unseres Serviceportals war ein großer Moment. Aber für mich in meiner Rolle als Chief Digital Officer ist er vor allem eines: ein weiteres Puzzlestück. Und das Bild ist längst noch nicht vollständig.

Lena Sargalski arbeitet als Chief Digital Officer bei der Stadtverwaltung Bad Salzuflen in Ostwestfalen-Lippe. Seit Januar 2024 leitet sie kommissarisch den Stab Strategie, Innovation und Digitalisierung. Neben den Aufgabenbereichen Strategieentwicklung, interne Digitalisierung und interkommunale Zusammenarbeit liegt ein Fokus auf der aktiven Ausgestaltung des digitalen Wandels in der Stadtgesellschaft. Von ihr bisher in dieser Rubrik erschienen: Der blinde Fleck im kommunalen Datenmanagement

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