Kürzlich hat an dieser Stelle Klaus-Dieter Hommel, Vorsitzender der Eisenbahnergewerkschaft EVG, eine Kraftanstrengung zur Stärkung der Schiene angemahnt. Die von Verkehrsminister Volker Wissing und Bahnchef Richard Lutz vorgestellte „Generalsanierung des Netzes“ sieht er nur im integrierten Konzern DB gewährleistet.
Ohne zu beschreiben, was genau er meint, beschwört er die gemeinsame Verantwortung von Transport- und Infrastruktursparten im DB-Konzernvorstand. Mofair als Verband der Wettbewerbsbahnen – deren Interesse an einem Hochleistungsnetz von exzellenter Qualität mindestens genau so hoch ist wie das der DB-Transporttöchter – schaut genauer hin.
Beginnen wir mit dem, wo EVG und Mofair absolut einig sind: Über Jahrzehnte hinweg wurde die Schieneninfrastruktur auf Verschleiß gefahren. Mangelnde Kapazität und miese Qualität sind nicht vom Himmel gefallen, sondern haben sich über lange Zeit aufgebaut. An der Infrastruktur kann man einige Jahre sparen, erstmal ohne dass viel passiert. Die Sparorgien der Nullerjahre haben aber ein Echo, das wir jetzt deutlich vernehmen. Die Pünktlichkeit im Fernverkehr liegt unter 60 Prozent. Nach und nach wird auch der Regionalverkehr stärker in Mitleidenschaft gezogen.
Es reicht also nicht, sich an den 86 Milliarden Euro der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zu berauschen, wenn diese Mittel über zehn Jahre nicht einmal ausreichen, um das durchschnittliche Anlagenalter auch nur zu halten. Und für Aus- und Neubau sind zwei Milliarden Euro jährlich geradezu lächerlich wenig, wenn die Infrastrukturprojekte des Deutschlandtakts nicht erst zu Beginn des 22. Jahrhunderts fertiggestellt werden sollen.
Ebenfalls einig ist sich die Branche, dass die Trassen- und Stationspreise deutlich sinken müssen, wenn die Schiene nur annähernd faire Wettbewerbsbedingungen zum Auto und zur Straße haben soll. Mofair hat sich klar zum Grenzkostenprinzip bekannt. Es soll also nur das berechnet werden, was die Fahrt eines weiteren Zuges an Kosten verursacht. Damit würden etwa vier Fünftel der Trassenpreise entfallen.
Scheindebatte um Ende des integrierten DB-Konzerns
Aufhorchen lässt allerdings, dass die EVG vor einer neuerlichen Debatte um das Ende des integrierten Konzerns warnt. Eine solche Debatte führt ja niemand. SPD, Grüne und FDP haben sich in ihrem Koalitionsvertrag zum integrierten Konzern – und damit vor allem zum konzerninternen Arbeitsmarkt – bekannt. Damit ist diese Debatte beendet. Gegen etwas anzuargumentieren, was niemand auf der Agenda hat, bringt wenig Erkenntnisgewinn.
Wichtiger ist es, sich die anderen Festlegungen des Koalitionsvertrags anzusehen: Die Gemeinwohlorientierung einer einheitlichen Infrastrukturgesellschaft ist zwar interpretationsfähig. Aber ein paar Anhaltspunkte bietet der Vertrag schon: Die Gewinnverpflichtung soll von der Infrastruktur genommen werden – statt wie heute eine Dividende an den Konzern und über diesen an den Staat auskehren zu müssen.
Der „Finanzierungskreislauf Schiene“ (in der Realität so komplex, dass er eher aussieht wie eine „ausgefranste Acht“) muss ein Ende haben. Zusammengelesen mit der Festlegung, dass künftig deutlich mehr in die Schiene als in die Straße investiert werden soll, ergibt sich hier ein wichtiger Hebel für den Klimaschutz.
Es zeigt sich jedoch an vielen Stellen, dass es gerade die Gewinnorientierung der Infrastruktursparten im integrierten Konzern in seiner heutigen Aufstellung war und ist, die neben der strukturellen Unterfinanzierung für die jetzigen Probleme verantwortlich ist: Weil die DB-Infrastrukturtöchter sparen mussten bis der Arzt kommt, wurden bisher immer nur die Gewerke ersetzt, die abgängig waren (statt gebündelt zu sanieren). Es durften keine speziellen Ersatzteile auf Vorrat gelegt werden.
Immer wieder wurden IT-Projekte wie die dringend benötigte Kommunikationsplattform Bau ausgebremst und kaputtgespart. Weil sich Bund und DB nicht auf einen Eigenanteil der DB einigen können, sind zwei der drei Projekte des Starterpakets der „Digitalen Schiene“ seit Jahren nicht einmal begonnen. Nur am Digitalen Knoten Stuttgart wird tatsächlich gebaut. Anders als behauptet, ermöglicht nur die gemeinwohlorientierte Infrastrukturgesellschaft eine konsequente Digitalisierung.
Neues Vertrauen nur bei strukturellen Reformen
Die Diskussion über die „Generalsanierung“ des hochbelasteten Netzes ist wichtig und richtig. Dass die irrsinnige Zahl der Finanzierungstöpfe (je nach Zählung zwischen 20 und 172!) und die dahinterstehenden Finanzierungslogiken deutlich reduziert beziehungsweise vereinfacht werden müssen, wird niemand ernsthaft bestreiten. Aber: Dass es heute so kompliziert und überbürokratisiert ist, liegt an dem über Jahrzehnte gewachsenen Misstrauen zwischen Politik und Verwaltung auf der einen sowie dem DB-Konzern auf der anderen Seite. Zu oft in der Vergangenheit hat der DB-Konzern gerade bei der Infrastruktur Geld nicht so eingesetzt wie zuvor vereinbart.
Die notwendigen zusätzlichen Mittel und den damit einhergehenden neuerlichen Vertrauensvorschuss gibt es von der Politik nicht einfach so, sondern nur im Paket mit strukturellen Reformen. Aus Mofair-Sicht sind dies neben der einheitlichen Infrastrukturgesellschaft, zu der neben Gleisnetz und Stationen auch das Bahnstromnetz gehören muss, eine Rechtsformänderung weg von der Aktiengesellschaft, um den Bundeseinfluss und die Qualitätsausrichtung absichern zu können.
Hinzu tritt die konsequente Fortführung der finanziellen und personellen Entflechtung. Deren Kernstück ist die Beendigung der Ergebnisabführungs- und Beherrschungsverträge zwischen Infrastruktursparten und der Konzernholding. Nicht zuletzt sollen im Aufsichtsgremium der Infrastrukturgesellschaft Vertreter der Zugangsberechtigten, also der Eisenbahnverkehrsunternehmen und der Aufgabenträger, vertreten sein. Sie werden die Qualitätsentwicklung streng überwachen.