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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Eine, die alles kann?

Anne-Susan Freimuth, Senior Consultant beim Verkehrsplanungsbüro Ramboll
Anne-Susan Freimuth, Senior Consultant beim Verkehrsplanungsbüro Ramboll Foto: privat

Alle Probleme rund ums Parken löst eine Quartiersgarage sicher nicht. Aber richtig geplant und konsequent umgesetzt, hat sie viel Potenzial für eine autoärmere Gestaltung von Quartieren. Worauf es dabei ankommt.

von Anne-Susan Freimuth

veröffentlicht am 05.07.2024

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Quartiersgaragen dienen zunächst einmal dem Abstellen von Fahrzeugen in einem Wohngebiet. Und da jede Fahrt mit einem Parkvorgang beginnt und endet, sind leicht zugängliche Abstellmöglichkeiten für die Autonutzenden selbst sehr wichtig. Aber da stehende – wie auch fahrende – Autos viel Platz beanspruchen, ist das Thema „Parken“ für die gesamte Quartiersgestaltung und -entwicklung relevant.

Untersuchungen und sicher auch Ihre eigenen Erfahrungen zeigen: Weniger Stellplätze unmittelbar vor der Haustür bedeuten weniger Autoverkehr, mehr wohnungsnahe Abstellmöglichkeiten hingegen mehr Autobesitz und insgesamt mehr Autoverkehr. Quartiersgaragen bieten die Möglichkeit, die Autonutzung und damit das Mobilitätsverhalten zu beeinflussen.

Eine Quartiersgarage ist zunächst einmal ein Parkbau, also ein Parkhaus oder eine Tiefgarage, der vor allem den Parkraumbedarf der Bewohnerschaft eines Quartiers abseits des Straßenraumes an einem oder mehreren Orten bündelt. Je nach Konzept können auch weitere Nutzergruppen wie Besuchende die Garage nutzen oder andere Nutzungen wie Paketstationen untergebracht werden. Die Zugänglichkeit und die Nutzung sind in einem Nutzungskonzept für die Quartiersgarage festzulegen.

Kein Zwang zum Autoverzicht

Quartiersgaragen sind frühzeitig in das Konzept für die Gebietsentwicklung einzubeziehen. Idealerweise existiert auf gesamtstädtischer Ebene bereits eine Strategie zum Umgang mit Quartiersgaragen, die sich auch in bauordnungsrechtlichen Vorgaben wie der Stellplatzsatzung, planungsrechtlichen Elementen oder Leitlinien wiederfinden. Die Stadt Berlin hat beispielsweise eine Studie zum Umgang mit dem ruhenden Verkehr in Neubaugebieten erstellt. Auch in Düsseldorf erfolgt eine Betrachtung auf städtischer Ebene. Viele Städte setzen auch darauf, das Thema Quartiersgaragen im Rahmen von Mobilitätskonzepten zu den jeweiligen Bauvorhaben zu prüfen. Aber auch in Bestandsquartieren gibt es Optionen, das Parken neu zu ordnen.

Die Ziele, die am häufigsten mit Quartiersgargen verfolgt werden, sind die Stärkung des Umweltverbundes (Fußverkehr, Radverkehr, öffentlicher Verkehr) und damit verbunden eine autoärmere Mobilität. Einhergehend damit ist die Reduzierung der notwendigen Infrastruktur für Autos und eine Flächenersparnis von Erschließungs- und Parkflächen. Durch eine autoärmere Gestaltung können beispielsweise mehr Grün- und Aufenthaltsflächen realisiert und die Wohnqualität im Quartier erhöht werden.

Aber nicht jeder kann oder möchte auf ein Auto verzichten. Mit Quartiersgaragen besteht trotz einer auto-reduzierten Gestaltung die Möglichkeit, ein Fahrzeug zu besitzen – es besteht also kein Zwang zum Verzicht. Wenngleich die Hemmschwelle zur täglichen Nutzung durch die größeren Distanzen im Vergleich zum ebenerdigen Parkplatz vor der Haustür deutlich höher ist. Das private Auto soll eine Art „Mobilitätsgarantie“ für besondere Situationen, zum Beispiel Wochenend-Familienfahrten oder Zwecke wie Transportfahrten, dienen.

Quartiersgaragen sind keine Selbstläufer

Ein weiterer Vorteil ist die mögliche Trennung der Kosten für Wohnen und Parken. Durch die räumliche Trennung von Wohnen und Parken – im Unterschied zu den konventionellen Tiefgaragen unter den Wohngebäuden – bezahlt nur, wer einen Stellplatz mietet.

Für die Akzeptanz und damit auch den Erfolg einer Quartiersgarage sind zwei wesentliche Faktoren maßgebend: die Verfügbarkeit von Parkplätzen im Straßenraum und die Qualität des öffentlichen Verkehrs.

  • Im Wohnumfeld darf es im Straßenraum nur ein sehr reduziertes Parkraumangebot geben. Idealerweise sind die Parkstände im Straßenraum so limitiert, dass ein Angebot lediglich für mobilitätseingeschränkte Personen, Paket- und Pflegedienste, Handwerker, Carsharing oder Ähnliche zur Verfügung stehen.
  • Ein autoarmes Mobilitätsverhalten erfordert auch das Vorhandensein von Alternativen zum Kfz. Das heißt, es muss ein leistungsfähiger öffentlicher Personenverkehr für den Quartiersanschluss an das sonstige Stadtgebiet vorhanden sein. Sharing-Angebote wirken unterstützend, sind aber allein nicht ausreichend. Besteht kein ausreichendes Angebot mit dem öffentlichen Verkehr, kann man allenfalls ein autoarmes Quartiersinnere erreichen. Nach außen wird die Autonutzung weiterhin dominant sein.

Die Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen, Quartiersgaragen sind keine Selbstläufer. Wie jeder andere Parkbau haben auch Quartiersgargen systembedingte Nachteile für die Nutzenden: Sie sind in der Regel weiter weg vom Ziel/Haus – was hier gewollt ist –, und sie sind in der Regel nicht kostenfrei nutzbar.

Beispielsweise wurde in Halle/Saale in einem Bestandsquartier eine Quartiersgarage gebaut, aber das kostenfreie Parken im straßenräumlichen Umfeld nicht unterbunden. Trotz des sehr hohen Parkdrucks suchten die Parkenden lieber eine Abstellmöglichkeit im Straßenraum, gegebenenfalls auch regelwidrig beispielsweise in Knotenpunkten, an Querungsstellen oder Einfahrten mit abgesenkten Bordsteinen.

Was es zu vermeiden gilt

Im Ergebnis wurde die Garage nicht ausreichend nachgefragt und mangels Wirtschaftlichkeit wieder abgerissen. Idealerweise hätten das Angebot im Straßenraum reduziert und das illegale Parken beispielsweise durch eine fußgänger- oder radfahrerorientierte Infrastruktur unterbunden werden sollen. Dieses Risiko besteht ebenso in Neubauquartieren, in denen zu viel Parkraum in den Straßen angeboten oder illegales Parken nicht durch die städtebauliche Struktur unterbunden wird.

Auch eine Bewirtschaftung der Abstellmöglichkeiten im Straßenraum – durch Gebührenpflicht oder Parkdauerbegrenzung – ersetzt nicht die Notwendigkeit einer generellen Verknappung des Parkraumangebotes und die Umsetzung von autoreduzierenden städtebaulichen Strukturen. Zum einen ist fraglich, ob die Bewirtschaftung vor allem in Wohnquartieren rechtssicher angeordnet werden kann und zum anderen haben die Gebühren für die Bewohnerparkausweise bislang wegen der häufig geringen Höhe kaum einen spürbaren lenkenden Effekt. Zudem bleibt es bei einer Bewirtschaftung bei einem ebenerdigen Parkraumangebot, das in der Regel näher am Wohnort verfügbar ist als eine Quartiersgarage. Diese sollte idealerweise am Quartiersrand und weiter entfernt als die nächste Haltestelle von Bus oder Bahn liegen.

Die Autorin spricht heute bei einer Difu-Veranstaltung zu dem Thema.

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