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DB Cargo „Eine Insolvenz wird es so leicht nicht geben“

Die Sanierung der DB Cargo ist schwierig, kann aber ein Vorbild für den ganzen Bahnkonzern sein. Im Gespräch mit Tagesspiegel Background erklären Vorstandschefin Sigrid Nikutta und Finanzvorständin Martina Niemann, wo die Verluste herkommen, wie die DB Cargo wieder Gewinne machen will und welche Kunden lieber den Lkw nutzen sollten.

veröffentlicht am 14.04.2025

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Als Sigrid Nikutta 2020 von der Berliner BVG zur DB Cargo wechselte, wurde sie zeitweise als künftige Chefin des Bahnkonzerns gehandelt – falls ihr die Sanierung der Güterverkehrstochter gelingt. Diese stellte sich als schwieriger heraus als gedacht. Doch die Einigung mit dem Betriebsrat und den Gewerkschaften sowie die harten Auflagen der EU-Kommission geben der 56-jährigen Managerin Schub beim Umbau des Unternehmens.

Unabhängig von ihren persönlichen Ambitionen sieht Nikutta die Sanierung als Vorbild für die ganze Bahn. „Dass jedes einzelne Unternehmen im DB-Konzern profitabel ist, ist mit Sicherheit ein Modell“, sagt Nikutta beim Redaktionsbesuch bei Tagesspiegel Background, zu dem sie ihre Finanzvorständin Martina Niemann mitgebracht hat. „Wir sanieren jetzt die DB Cargo in einer Geschwindigkeit und Entschlossenheit, wie es so noch nicht stattgefunden hat. Mit allen positiven und negativen Konsequenzen. Wir fokussieren uns auf die DB Cargo, und der Erfolg wird uns Recht geben.“

Nikutta räumt aber ein, dass das Geschäft durch die erratische Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump und deren Auswirkungen auf die Weltwirtschaft schwieriger geworden ist: „Der Himmel hat sich verdüstert. Wir stehen ja immer am Anfang und am Ende der Wertschöpfungskette.“

„In der Vergangenheit Transformation nicht konsequent umgesetzt“

Die EU-Kommission hatte die Übernahme der Verluste der DB Cargo von 1,9 Milliarden Euro für die Jahre 2022 bis einschließlich 2024 durch den Staat genehmigt. Im Gegenzug für diesen Markteingriff hatte die Behörde Auflagen verhängt. Unter anderem muss sich die DB Cargo von Geschäftsaktivitäten trennen, zum Beispiel Terminals für den Kombinierten Verkehr. Bis Ende 2026 darf das Unternehmen keine anderen Firmen kaufen und de facto auch nicht wachsen. Außerdem muss die DB Cargo bis dahin in die schwarzen Zahlen kommen.

„Die Entscheidung aus Brüssel gibt uns Rückenwind und die erforderliche Konsequenz“, sagt Nikutta dazu. „In der Vergangenheit wurde die notwendige Transformation nicht konsequent umgesetzt. Sonst stünden wir nicht da, wo wir jetzt stehen.“

Nikutta erklärt, dass sie bei ihrem Amtsantritt eigentlich einen Wachstumsansatz gehabt habe, weil allein wegen des Klimaschutzes mehr Güter von der Straße auf die Schiene verlagert werden müssten. Aber dann habe Corona das Geschäft gebremst, und anschließend sei so richtig klar geworden, wie schlecht der Zustand des Schienennetzes sei und das Wachstum deshalb aus technischen Gründen nicht realisiert werden könne. Das EU-Beihilfeverfahren laufe mit den Voruntersuchungen schon seit 2018 – also vor dem Amtsantritt von ihr und Niemann.

Die beiden Managerinnen wollen aber nicht die Schuld bei anderen oder in der Vergangenheit suchen, sondern ihre neue Strategie erklären: Profitabilität statt Wachstum. Weil sie davon überzeugt sind, die Gewinnschwelle Ende 2026 zu überschreiten, weisen sie auch Spekulationen über eine Pleite zurück. „Eine Insolvenz wird es so leicht nicht geben“, sagt Niemann. „Die DB Cargo hat ein ausreichendes Asset-Vermögen. Unsere Sorge ist nicht, dass wir zu wenig Liquidität haben.“ Mit Assets meint die Finanzvorständin Loks, Wagen, Geschäftsanteile, Terminals und Beteiligungen.

Das Management könne heute zu einem viel größeren Maßnahmenset greifen, um ein positives Ergebnis zu erzielen, betont Niemann. Noch vor wenigen Jahren habe die DB Cargo nur Eisenbahnbetrieb gemacht. Jetzt überlege das Unternehmen, Loks und Wagen zu verkaufen oder zu verkaufen und zurückzuleasen.

Von größeren Teilen der Loks und Wagen trennen

Durch die mehr als 50 Jahre währende Garantie, dass der Gesellschafter die Verluste übernimmt, sei die Ausstattung der DB Cargo überdimensioniert. Deshalb produziere das Unternehmen auch noch nicht wirklich effizient – anders als die meisten Konkurrenten. „Noch vor zwei Jahren – ohne das EU-Verfahren – hätte sich keiner vorstellen können, dass wir uns von größeren Teilen der Loks oder Wagen trennen. Das werden wir schaffen.“

Martina Niemann ist 2020 ein halbes Jahr nach Nikutta zur DB Cargo gekommen. „Als ich neu war bei DB Cargo, wurde gefragt: Wie erhöht Ihr Euren Marktanteil? Heute sage ich: Gar nicht. Der Marktanteil ist für uns kein Kriterium mehr. Heute geht es um Profitabilität. Das ist unser Auftrag.“ Und Nikutta schaut schon voraus: „Wenn wir Ende 2026 wieder profitabel sind, können wir auch wieder wachsen. Die Profitabilität ist unser oberstes Primat, dem ordnen wir alles unter.“

Um das Ziel zu erreichen, verkauft DB Cargo Assets, setzt sie effizienter ein, optimiert den Personaleinsatz und sucht sich die Kunden genauer aus. „Man darf nicht jeden Umsatz nehmen, sondern nur den, der zu dem passt, was man an Ressourcen hat“, sagt Niemann. „Einen neuen Kunden annehmen, obwohl man immer leer zurückfährt, hat keinen Sinn.“

DB Cargo hat innerhalb weniger Jahre zehn Prozentpunkte Marktanteil abgegeben. Niemann sagt, ein Drittel davon sei zu den Wettbewerbern gegangen, ein Drittel auf die Straße, ein Drittel werde nicht mehr gefahren. Das gelte gerade dann, wenn die Verkehrsströme zu dünn seien. So habe DB Cargo zum Beispiel den Hafen Antwerpen angebunden. Der habe aber nur sieben Prozent Eisenbahnquote. Das habe sich nicht gelohnt, deshalb würden die Container jetzt einen anderen Hafen anfahren.

DB Cargo setzt auf ein Partnernetzwerk. „Man wird Deutschland nur mit Logistikleistungen flächendeckend und ökonomisch versorgen können, wenn es der jeweilige Kostenführer macht und man vernünftig zusammenarbeitet“, sagt die Finanzvorständin. „Wenn wir für große Autohersteller oder Stahlkonzerne arbeiten, ist unsere Stärke, dass wir deren Produktionsstandorte mit den Auslieferungszentren und den Häfen verbinden.“

Ihre Vorstandschefin hat auch kein Problem damit, Aufträge an andere Schienengüterverkehrsunternehmen zu vergeben und damit die eigene Wertschöpfungstiefe zu reduzieren – was die Gewerkschaften fürchten. „Dass wir im Netzwerk arbeiten, finden wir attraktiv“, sagt Nikutta. „Das ist in der Logistik ein Mehrwert.“

Zu hohe Kosten wegen überdimensionierter Verwaltung

Niemann räumt ein, dass der Kombinierte Verkehr besonders schwierig sei für DB Cargo, weil das Unternehmen da mit dem Lkw konkurriere. Die Marke von einem Euro pro Tonnenkilometer müsse irgendwie geschafft werden. DB Cargo sei aber mit ihren Strukturen und der übergroßen Verwaltung für den Kostenwettbewerb nicht gut aufgestellt. Einige Kunden hätten auf eine Preiserhöhung mit einem Wechsel des Transporteurs reagiert.

In anderen Fällen scheitert es aber nicht am Preis. „Es gibt Kunden, die sagen: Ihr seid unzuverlässiger als der Lkw“, erzählt Niemann. „Da sagen wir: Fahrt mit dem Lkw. Der ist aber möglicherweise von den Transportmengen und vom CO2-Fußabdruck her nicht so geeignet für euch. Die Schiene hat große Vorteile.“

Niemann und Nikutta setzen ganz klar auf eine Portfoliobereinigung. Zunächst mal müssen sie aber erklären, warum der Verlust 2024 mit 356 Millionen Euro zwar knapp 30 Prozent niedriger lag als im Jahr davor, aber weit höher als die geplanten 50 Millionen. Niemann sagt, allein 50 Millionen Euro seien auf den Streik der Lokführergewerkschaft GDL zurückzuführen. Danach seien auch einige Kunden nicht wiedergekommen, gerade im Kombinierten Verkehr.

Ungefähr 80 Millionen Euro würden auf die geringere Förderung vom Staat zurückgehen. Diese setzt sich zusammen aus der Anlagenpreisförderung, der Trassenpreisförderung und der Einzelwagenförderung. Die restlichen 170 Millionen Euro lagen daran, dass der ganze Markt um 15 Prozent eingebrochen ist. Der Ganzzugverkehr und der Kombinierte Verkehr waren trotzdem schon profitabel.

2025 soll der Verlust der DB Cargo AG immer noch dreistellig sein, der des Geschäftsfeldes Schienengüterverkehr dagegen „nur noch“ zweistellig. Die Differenz liegt daran, dass die Tochtergesellschaften in 17 Ländern plus China deutlich profitabler sind als die deutsche DB Cargo AG. 60 Prozent der Züge überqueren mindestens eine Grenze.

In Osteuropa und Spanien läuft es gut, in Frankreich mittlerweile auch wieder. Dort profitiert die DB von dem EU-Verfahren gegen SNCF Fret und konnte Geschäft übernehmen. Der Marktanteil stieg von 14 auf 21 Prozent. Das Sorgenkind ist Großbritannien. Der Brexit hat tiefe Spuren hinterlassen, ebenso die Deindustrialisierung des Landes. Außerdem herrscht ein harter Wettbewerb, weil es drei relativ gleich große Eisenbahnen für den Güterverkehr gibt.

Streit mit Betriebsrat um effizienteren Einsatz des Personals

Ein entscheidendes Streitthema zwischen dem Vorstand der DB Cargo und dem Betriebsrat und den Gewerkschaften war ein effizienterer Einsatz des Personals. Letztlich haben sich beide Seiten unter Schmerzen geeinigt. „Wir haben die Arbeitsbedingungen für Lokführer:innen verändert und sehen, dass es wirkt“, lobt Nikutta.

„In der Vergangenheit wurden die Bedingungen Schritt für Schritt so verändert, dass die Produktivität gesunken ist. Das ist jetzt anders. Seit wir die starken Langfahrer haben, ist der Anteil des Lokfahrens in der Schicht um 20 Prozentpunkte gestiegen.“ Die starken Langfahrer sind Lokführer:innen, die große Strecken zurücklegen und dabei auch unterwegs in Hotels übernachten.

Die Vorstandschefin hatte in der Vergangenheit eingeräumt, dass die Sanierung für das Personal zum Teil „hart an der Überforderungsgrenze“ sei. Das betreffe die Geschwindigkeit, erklärt sie jetzt. „Es ist ganz menschlich, zu sagen: Lass uns mal einen Schritt nach dem anderen machen.“ Um aber die Transformation zu bewältigen, müsse das Unternehmen ganz viele Schritte gleichzeitig machen.

„Es muss nicht einer rennen, sondern die ganze Mannschaft, wir alle.“ Das sei natürlich belastend, für die Mitarbeiter:innen, auch für die Führungskräfte und Betriebsräte. „Es muss aber gleichzeitig passieren, es muss in hohem Tempo passieren. Es ist weit weg von der Komfortzone, aber wir können das.“

„Es ist klar, wie die Rahmenbedingungen sind“

Im Zuge der Sanierung hat auch das Verhältnis zwischen Sigrid Nikutta und Jörg Hensel, dem Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats, gelitten. Hensel geht in den Ruhestand, sein Nachfolger ist Martin Braun. „Ich würde das Verhältnis zu seinem Vorgänger Jörg Hensel nicht schlechtreden“, sagt Nikutta. „Ich schätze ihn sehr. Er war mehr als 50 Jahre im Unternehmen. Mit der Transformationsgeschwindigkeit und den Maßnahmen war er nicht einverstanden. Das sei ihm auch zugestanden.“ Wenn man so lange in einer anderen Welt gearbeitet habe, sei es sehr menschlich, das so zu sehen. „Aber wir haben eine unternehmerische Aufgabe, und da ist es ganz klar, welche Maßnahmen erforderlich sind.“

Mit dem neuen Betriebsrat, mit Martin Braun und dessen Stellvertreter Ulrich Schmidt gehe man Schritt für Schritt gemeinsam, um die Zukunft der DB Cargo und der Arbeitsplätze zu sichern. „Naturgemäß sind wir nicht immer einer Meinung und diskutieren hart in der Sache“, sagt Nikutta. „Aber es ist klar, wie die Rahmenbedingungen sind.“

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