Der Verzicht auf ein eigenes Auto, das einen Großteil des Tages ungenutzt in der Garage steht, ist für viele erst dann eine Option, wenn er nicht den Verzicht auf Mobilität bedeutet. Digitale und bedarfsgerechte Mobilitätsangebote können ein Auto ersetzen, denn sie bieten für jeden Anlass das passende Verkehrsmittel. Durch eine zunehmende Steuerung der Fortbewegung über digitale Plattformen wird es einfacher, aussagekräftige Daten zu generieren, mit denen sich ein genaues Bild der Mobilitätssituation und -bedürfnisse zeichnen lässt. So werden ungenutzte Fahrzeuge und Kapazitäten identifiziert und Leerfahrten oder Leerstände minimiert. Die Auswertung von Mobilitätsdaten und die daraus entstehenden datenbasierten Lösungen haben das Potenzial, die Art, wie wir uns fortbewegen, so stark zu verändern wie damals die Erfindung des Verbrennungsmotors.
So weit, so gut – das alles ist nicht neu. Doch scheint es im Mobilitätssektor um ein Vielfaches schwieriger zu sein als in anderen Branchen, notwendige Daten zugänglich zu machen. In vielen Industrien bestimmen Daten nicht erst seit gestern darüber, was wir wo wie zu welchem Preis kaufen – und unzählige Konsumenten machen mit. Dabei geht es uns Mobilitätsprovidern im Unterschied zu Playern wie Amazon nicht einmal um die Nutzung von personifizierten Daten.
Vielmehr wollen wir aus der riesigen Menge
an Bewegungsdaten, die jeder von uns jeden Tag hinterlässt, intelligente
Rückschlüsse ziehen. Nur durch diese Verdichtung wird aus Rohdaten das Wissen gewonnen,
das es uns erlauben wird, unsere Städte und unser direktes Umfeld für uns alle besser
zu gestalten. Dann wird es sich auch lohnen, ländliche Gebiete weiter mit
organisiertem Personennahverkehr zu versorgen – nur nicht mehr nach Fahrplan,
sondern immer dann, wenn es einen wirklichen Bedarf gibt, also on Demand. In
Ballungszentren werden wir nicht unbedingt große Linienbusse losschicken, weil
es zu einem bestimmten Zeitpunkt einen punktuellen Bedarf gibt, sondern
kleinere, dadurch kosten- und verbrauchsgünstigere Einheiten. Oder wir werden
für eine ausreichende Anzahl von Mikromobilitätsmitteln sorgen.
Skandinavische Staaten machen vor, wie es geht
Die Nutzung von Mobilitätsdaten muss natürlich immer auf Basis der geltenden Datenschutzrichtlinien stattfinden. Niemand soll befürchten müssen, dass personenbezogene Daten in die falschen Hände geraten. Aber hier liegt auch nicht das Problem. Die Herausforderung ist vielmehr, dass neue Angebote nur auf Basis datengetriebener Aggregation entstehen werden. Diese Angebote sind darauf angewiesen, dass auch die Daten öffentlicher Verkehrsanbieter zugänglich gemacht und berechtigten Interessenten zur Verfügung gestellt werden.
Wie das funktionieren kann, lässt sich bereits in mehreren skandinavischen Ländern beobachten. Dort hat die Politik den Weg für datenbasierte Mobilitätsmodelle geebnet. Und die Ergebnisse sprechen für sich: Die Mobilitätslandschaft wurde vitalisiert und neue Angebote sind entstanden.
Die vor wenigen Tagen im Bundestag verabschiedete Novelle
des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) hat nun auch in Deutschland erste
Voraussetzungen zu einer Öffnung der Mobilitätssysteme geschaffen. Dienste wie
Ride-Pooling und -Sharing sind jetzt klarer reguliert und ermöglichen neuen
Kundengruppen den Umstieg auf nachhaltige Verkehrsmittel. Nach mehr als zwei
Jahren Diskussion ist dies aber nur ein kleiner Schritt in die richtige
Richtung. Wir brauchen eine Debatte um ein Mobilitätsdatengesetz. Und diese
darf nicht noch einmal zweieinhalb Jahre dauern. Denn das Recht auf
Datenzugriff muss schnellstmöglich ausgeweitet werden, der Gesetzgeber muss
Wettbewerb zulassen.
In Deutschland herrscht kein Mangel an Ideen zur Mobilität der Zukunft. Wenn alle Protagonisten ihrer Verantwortung nachkommen und ihren Beitrag zum Design der Mobilität der Zukunft leisten, dann wird hoffentlich meine fünfjährige Tochter eines Tages davon profitieren können.
Wie Mobilitätsdaten genutzt werden können, ist auch Thema beim heute startenden zweitägigen Online-Hackathon der Deutschen Telekom zum Thema Mobility unter dem Motto „Künstliche Intelligenz für Diversity-Teams“.