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Standpunkte Klimageld und Deutschlandticket zusammendenken

Christian Grotemeier, Professor für Mobilitätsmanagement und BWL an der Hochschule RheinMain
Christian Grotemeier, Professor für Mobilitätsmanagement und BWL an der Hochschule RheinMain Foto: privat

Nach wie vor ist die Finanzierung des Deutschlandtickets über das Jahresende hinaus offen. Gleichzeitig tritt ab 2027 der ETS-2 in Kraft. Die damit erzielten Einnahmen könnte der Bund teilweise in den Abofahrschein stecken – und so insbesondere einkommensschwache Bürgerinnen und Bürger entlasten.

von Christian Grotemeier

veröffentlicht am 12.03.2025

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Das Deutschlandticket ist ein Zufallsprodukt. Es ist der erzwungene Nachfolger des Neun-Euro-Tickets, das selbst in einer Nacht-und-Nebel-Aktion entstanden ist. Die immer wiederkehrenden Diskussionen zwischen Bund und Ländern sowie den Vertretern der Verkehrsunternehmen zeigen, dass es bald seit zwei Jahren keinen mittel- bis langfristigen Plan gibt, wie die Zukunft dieses Tickets aussehen soll.

Möglicherweise ist die unsichere Zukunft auch ein Grund dafür, warum das Ticket bisher nicht „größer gedacht“ wird. Für potenzielle Kunden, insbesondere im Jobticket-Bereich, ist das eine unbefriedigende Situation. Leider spielt das Deutschlandticket auch in den großen Tarifverhandlungen, zum Beispiel im öffentlichen Dienst, kaum eine Rolle. Dabei wäre es ein wichtiger Schritt, größere Nachfragegruppen einzubeziehen.

Die anstehenden Koalitionsverhandlungen könnten daher ein guter Anlass sein, dieses Thema „abzuräumen“. Denn die Bundespolitik muss neben den immensen geopolitischen Herausforderungen auch den 1. Januar 2027 im Blick haben. Ab diesem Tag werden in Deutschland die Sektoren Gebäude und Verkehr in den europäischen Emissionshandel (EU-ETS-2) einbezogen.

Steigende Kraftstoffpreise ab 2027 erwartet

Aktuell werden die in diesen Sektoren anfallenden Emissionen im nationalen Emissionshandelssystem (nEHS) mit einem festen Preis von 55 Euro pro Tonne CO2 belegt. Ab dem 1. Januar 2027 wird sich der CO2-Preis jedoch frei durch Angebot und Nachfrage im europäischen Emissionshandel (EU-ETS) bilden. Damit folgen die Sektoren „Gebäude“ und „Verkehr“ unter anderem den Sektoren „Energiewirtschaft“ und „Industrie“, die bereits seit 2005 in den Emissionshandel einbezogen sind.

Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass die Treibstoffpreise zum 1. Januar 2027 um bis zu 20 Cent pro Liter steigen werden. In den nachfolgenden Jahren sind auch größere Preisanstiege möglich. Für private Haushalte werden die Auswirkungen des europäischen Emissionshandels damit deutlich spürbarer und werden mehr Raum in der öffentlichen Debatte einnehmen.

Einige osteuropäische Länder haben bereits angekündigt, sich für eine Verschiebung des Starts von ETS-2 einzusetzen. Auch wenn die Europäische Kommission mit der kürzlich angekündigten Verschiebung der CO2-Flottengrenzwerte ihre Flexibilität in klimapolitischen Fragen unter Beweis gestellt hat, sollte man aus heutiger Perspektive den 1. Januar 2027 als gesetzt ansehen.

Entlastung einkommensschwacher Haushalte

Im Vergleich zum Neun-Euro-Ticket hätte man nun ausreichend Zeit, darüber nachzudenken, wie zukünftige Preissteigerungen im Verkehrsbereich abgefedert werden können. Ausgangspunkt für die soziale Abfederung steigender CO2-Preise ist das sogenannte Klimageld, das bereits im Koalitionsvertrag der Ampel aufgenommen wurde. In der Grundidee handelt es sich dabei um eine Pro-Kopf-Pauschale, die jeder Bundesbürger unabhängig von seinem CO2-Verbrauch in gleicher Höhe erhält.

Im Theoriefall entspricht das Klimageld in seiner Summe den Erlösen aus dem Zertifikatsverkauf abzüglich des Verwaltungsaufwands. Der Staat signalisiert damit seinen Bürgern, dass er keine neuen Steuermittel vereinnahmen möchte, sondern ihm nur an der Lenkungswirkung gelegen ist: Haushalte mit geringen Emissionen haben durch das Klimageld einen finanziellen Vorteil, da ihre emissionsbezogenen Ausgaben unter dem Pauschalbetrag liegen.

Haushalte mit überdurchschnittlichen Emissionen zahlen hingegen höhere CO2-Kosten, die das Klimageld übersteigen. Nach Schätzungen des Thinktanks Zukunft Klimasozial werden sich die jährlichen Einnahmen aus ETS-2 für Deutschland – abhängig vom CO2-Preis – in einer Größenordnung von 10 bis 23 Milliarden Euro bewegen.

In der politischen Diskussion werden derzeit mehrere Varianten eines zukünftigen Klimageldes diskutiert: Während die CDU in ihrem Wahlprogramm kein Klimageld vorsieht, sondern stattdessen einen Klimabonus zur Senkung des Strompreises vorschlägt, spricht sich die CDU-nahe Klima-Union für eine regionale Differenzierung aus, um unterschiedliche Mobilitätsangebote zu berücksichtigen.

Die SPD hat in ihrem Wahlprogramm ein Klimageld vorgesehen, das insbesondere einkommensschwache Gruppen entlasten soll. Blickt man in die veröffentlichten Studien und Konzepte verschiedener Thinktanks, findet man viele weitere Ideen, wie die ETS-2-Einnahmen zukünftig verwendet werden könnten. Agora Verkehrswende und Zukunft Klimasozial schlagen beispielsweise vor, die E-Auto-Förderung für einkommensarme Gruppen – zum Beispiel als Social Leasing – teilweise aus den ETS-2-Einnahmen zu finanzieren.

Auffällig ist, dass das Deutschlandticket in den bisherigen Konzepten kaum vorkommt. Dabei ist es mit rund 13,5 Millionen Nutzenden und einem weiterhin großen Nachfragepotenzial eine populäre Maßnahme zur Förderung nachhaltiger Mobilität. Selbst unter den Nicht-Nutzenden halten rund 73 Prozent das Ticket laut einer YouGov-Umfrage für sinnvoll.

Finanzierung des D-Tickets über ETS-Einnahmen

Eine Finanzierung des Bundesanteils für das Deutschlandticket aus den ETS-2-Einnahmen – in der Größenordnung von zwei Milliarden Euro – sollte ab 2027 möglich sein, während weiterhin genug Mittel für das Klimageld oder andere Maßnahmen, zum Beispiel für den Gebäudesektor, zur Verfügung stünden. Eine Finanzierung über die ETS-2-Einnahmen würde dem Deutschlandticket zudem eine dringend benötigte mittelfristige Perspektive geben. Prognosen des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) und des Öko-Instituts gehen davon aus, dass die ETS-2-Einnahmen bis zum Jahr 2032 auf einem hohen Niveau verbleiben werden.

Politisch sollte der Erhalt des Deutschlandtickets und die Beendigung der jährlich wiederkehrenden Diskussionen eine naheliegende Entscheidung sein. Es ist zudem auch nicht nachvollziehbar, dass eine Bundesregierung en passant 500 Milliarden Euro für die Infrastruktur bereitstellen kann, aber jährlich mit den Bundesländern über einen Nahverkehrsfahrschein streitet.

Die Verknüpfung mit dem ETS-2 bildet daher einen schlüssigen Zusammenhang: Es geht darum, die Nutzung nachhaltiger Mobilität finanziell anzureizen und im Falle des Deutschlandtickets diese Nutzung auch zu vereinfachen. Somit könnte auch eine systematische Trennung der Finanzierung der Verkehrsunternehmen über das Regionalisierungsgesetz für die Leistungserbringung und einer finanziellen Förderung der Fahrgäste über die ETS-2-Einnahmen erfolgen.

Dies entspricht auch eher dem Prinzip des Klimageldes, das direkt private Haushalte unterstützt. Das Argument, dass nun Pkw-Nutzende mit Verbrennungsmotor Fahrgäste im ÖPNV subventionieren, bedarf keiner Entkräftung – vielmehr sollte es als gezielter Lenkungsimpuls verstanden werden, der die tatsächlichen Umwelt- und Klimakosten reflektiert.

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