Die Logistikbranche steht vor enormen Aufgaben: Globalisierung, Urbanisierung und veränderte Konsumgewohnheiten haben zu immer komplexeren Lieferketten geführt, die effizient und umweltfreundlich gestaltet werden müssen. Eine mögliche Antwort auf diese Herausforderungen ist der Einsatz von Lieferdrohnen. Doch in welchen Anwendungskategorien können sie eingesetzt werden? Warum kommt die Skalierung dieser Technologie in Deutschland und der EU nicht schneller voran? Und welche Meilensteine müssen erreicht werden, um ein breites Angebot an Drohnen-Lieferdiensten zu ermöglichen?
Anwendungskategorien von Lieferdrohnen
Lieferdrohnen bieten bereits heute zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten, die weit über klassische Disziplinen wie den Paketdienst hinausgehen. Im Wesentlichen lassen sich aber drei Hauptkategorien unterscheiden:
1.Spezialanwendungen: Hierunter fallen Lieferungen, die besonders schnell, flexibel oder in schwer zugängliche Gebiete erfolgen müssen. Ein prominentes Beispiel ist der Einsatz im medizinischen Bereich, etwa bei der zeitkritischen Lieferung von Blutkonserven oder Medikamenten in entlegene Regionen. In Katastrophengebieten können Drohnen als schnelles und effizientes Transportmittel für Hilfsgüter lebensrettend sein.
2. Industrielle Anwendungen: In der Industrie werden Drohnen eingesetzt, um Geschäftsprozesse effizienter zu gestalten. So können beispielsweise kritische Dokumente oder Ersatzteile innerhalb kürzester Zeit innerhalb großer Industrieanlagen oder auf Offshore-Plattformen geliefert werden. So können Ausfallrisiken minimiert und teure Transportalternativen vermieden werden.
3.Handel: Hier geht es um die Lieferung von Konsumgütern – von Lebensmitteln über Kleidung bis hin zu Elektronik. Besonders in dicht besiedelten urbanen Gebieten könnten Drohnen die sogenannte letzte Meile revolutionieren. Sie könnten Staus vermeiden, Lieferzeiten verkürzen und dabei Emissionen reduzieren. Insbesondere ein vollautomatisierter 24/7-Service könnte die Kundenorientierung erhöhen und Wettbewerbsvorteile im B2C-Bereich schaffen.
Trotz der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten steht der großflächige Einsatz von Lieferdrohnen in Deutschland allerdings noch am Anfang. Die Gründe hierfür sind vielfältig und lassen sich grob in regulatorische, infrastrukturelle, wirtschaftliche und gesellschaftliche Herausforderungen unterteilen.
Regulatorik und Genehmigungsverfahren
Die regulatorischen Anforderungen und die damit verbundenen Genehmigungsverfahren sind langwierig und komplex, da sie auf föderaler Ebene unterschiedlich gehandhabt werden. Während auf EU-Ebene erste Rahmenbedingungen für den Betrieb von Drohnen geschaffen wurden, fehlt es an einer harmonisierten Umsetzung in den Mitgliedsstaaten.
In Deutschland sind die Zuständigkeiten zudem teilweise an die Landesluftfahrtbehörden delegiert, was zu einer weiteren Zersplitterung und Verlangsamung führt. Die Genehmigungsverfahren sind komplex und können mehrere Monate in Anspruch nehmen, da sie detaillierte Risikobewertungen und Risikominderungsmaßnahmen erfordern. Das Light UAS (Unmanned Aircraft Systems, also unbemannte Fluggeräte wie beispielsweise Drohnen) Operator Certificate (LUC) bietet zwar Erleichterungen im Genehmigungsprozess, erfordert aber erhebliche Ressourcen und Expertise auf Seiten der Betreiber. Diese bürokratischen Hürden verlangsamen die schnelle Skalierung der Drohnentechnologie in Deutschland erheblich.
Infrastruktur und Prozesse
Die infrastrukturellen Anforderungen für den Einsatz von Lieferdrohnen variieren je nach Modell. Beim Einsatz von Drohnen-Hubs – zentrale Be- und Entladepunkte – ist die Infrastruktur relativ einfach und ähnelt bestehenden Paketstationen. Die Zustellung von Waren per Drohne ohne die Nutzung spezieller Bodeninfrastrukturen löst die Limitierung spezifischer Lieferorte auf und ermöglicht die Zustellung von Waren direkt an den Endkunden. Die Komplexität der Umsetzung und die Sicherheitsanforderungen hierfür sind jedoch auch deutlich höher als bei der Zustellung über Drohnen-Hubs.
In jedem Fall ist zur Koordination des Drohnenverkehrs ein Drohnen-Luftverkehrsmanagementsystem (UTM) unerlässlich. Dieses gewährleistet sichere und kollisionsfreie Routen, welche für den skalierten Betrieb von Drohnen essenziell sind. Ein solches System wurde im urbanen Raum bisher nur in Pilotprojekten erprobt.
Wirtschaftliche Attraktivität, Kosten und Skaleneffekte
Auch wenn die Kosten für Drohnensysteme sinken, stehen Unternehmen vor hohen Anfangsinvestitionen, um entsprechende Systeme zu nutzen. Allein die Kosten für Hard- und Software bewegen sich je System in einem sechsstelligen Bereich pro Jahr. Hinzu kommen Personal- und Betriebskosten, Gebühren und Versicherungen.
Diese Faktoren schränken die Möglichkeit zur Realisierung von Skaleneffekten ein und machen den Einsatz von Drohnen im Handel derzeit wirtschaftlich unattraktiv. Wirtschaftlich attraktive Einsatzmöglichkeiten finden sich vor allem im Bereich von Industrie- und Spezialanwendungen, wo eine hohe Dringlichkeit besteht und die Alternativen, wie zum Beispiel der Transport per Helikopter, teuer sind.
Mehr Informationen für mehr gesellschaftliche Akzeptanz
Nicht nur die wirtschaftliche Attraktivität, auch die Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung muss vorhanden sein. Die Bedenken hinsichtlich Sicherheitsrisiken, Datenschutz und Privatsphäre im Zusammenhang mit Drohnenflügen sind in der Gesellschaft noch tief verwurzelt – in mancherlei Hinsicht auch berechtig, teils aber unbegründet. Um die Akzeptanz zu steigern, sind gezielte Informationskampagnen notwendig, die die Vorteile der Drohnentechnologie und deren Sicherheitsstandards klar und transparent darstellen.
Es ist klar, dass sich die Logistik in urbanen Gebieten revolutionieren muss. Zukunftsweisende Logistikkonzepte mit Tunnelnetzwerken, lokalen Verteilzentren und Robotiklösungen werden kommen. Nicht nur, weil sie technisch möglich sind, sondern weil sie dringend gebraucht werden. Drohnen könnten dabei eine wichtige Rolle spielen.
Kurz- bis mittelfristig wird der Einsatz von Drohnen auf Spezial- und Industrieanwendungen beschränkt bleiben und im urbanen Raum für Lieferungen mit geringem Warenwert voraussichtlich kein Massenphänomen darstellen. Langfristig jedoch, und das ist entscheidend, können Lieferdrohnen in Kombination mit anderen innovativen Logistikansätzen zur Entlastung von Lieferengpässen auf der letzten Meile beitragen.
Entlastung der Infrastruktur und geringere Emissionen
Erfolgsentscheidend ist der politische Wille, mutig innovative Lösungen zu ermöglichen, anstelle solche durch Bürokratie und Überregulierung auszubremsen. Damit die notwendigen Fortschritte erzielt werden können, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Behörden und Unternehmen unerlässlich. Regulatorische Hürden müssen abgebaut, die notwendige Infrastruktur geschaffen und wirtschaftliche Anreize gefördert werden.
Gleichzeitig ist es entscheidend, die gesellschaftliche Akzeptanz durch transparente Information zu stärken und die Vorteile wie die Entlastung der Infrastruktur und geringere Emissionen den Nachteilen wie Lärm oder visuelle Beeinträchtigungen gegenüberzustellen.
Nur so kann eine zukunftsfähige, effiziente und nachhaltige Drohnenlogistik realisiert werden. Der Bedarf ist da und wird steigen, es gilt jetzt die Grundlagen zu schaffen, die vorhandenen Möglichkeiten zu nutzen und mit der Umsetzung zu beginnen.