Die Erreichung der Klimaneutralität ist eines der zentralen politischen Ziele und wird die Bundestagswahl im kommenden Jahr und die Agenda der nächsten Jahre entscheidend mitbestimmen. Die Dekarbonisierung in allen Sektoren ist eine der wichtigsten Aufgaben, denen sich die nächste Bundesregierung stellen muss – und zwar parteiübergreifend und ganzheitlich.
Ein ganz zentraler Baustein auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2045 ist die Dekarbonisierung des Güterverkehrs. Für eine Verkehrswende ist ein Umdenken nötig: ein parteiübergreifender, ganzheitlicher Ansatz, der Straße und Schiene, Personen- und Güterverkehr, urbane und ländliche Räume gemeinsam denkt. Insbesondere der ländliche Raum und seine Potenziale werden beim Ausbau der Verkehrsinfrastruktur bisher nicht konsequent berücksichtigt.
In ländlichen Regionen, wie bei uns in der Vulkaneifel, sind Anbindungen an das Schienennetz für Personen- und Güterverkehr sowie eine Infrastruktur für alternative Lkw-Antriebe und Kraftstoffe kaum vorhanden. Dabei ist es unbestritten, welch wichtigen Beitrag der ländliche Raum und die dort ansässigen Unternehmen für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes leisten.
Bei Scope 3 nur begrenzt Einfluss auf die Emissionsreduzierung
Als Hersteller eines Naturprodukts – des Gerolsteiner Mineralwassers – liegt es in unserer DNA, die Kraft der Natur zu bewahren. Dafür setzen wir uns ehrgeizige Ziele, die wir konsequent verfolgen und an denen wir uns messen lassen. So arbeiten wir beständig daran, unseren eigenen Beitrag zur Emissionsminderung und zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels zu leisten. Während wir in den Scopes 1 und 2 unsere Ziele zur Senkung der Emissionen am Standort alle Voraussicht nach vorzeitig erfüllen, haben wir bei Scope 3 nur begrenzt Einfluss bei der Emissionsreduzierung.
Gemeinsam mit unseren Partnern in der Lieferkette nutzen wir jede Möglichkeit, stellen jedoch fest, dass das nicht ausreicht. Es braucht eine echte Verkehrswende, denn im Bereich der Logistik liegt einer der großen Hebel für eine nachhaltig wirksame Dekarbonisierung. Wir müssen uns aber bewusst machen, dass es keine einfache, isolierte und schon gar keine kurzfristige Lösung geben wird. Wir stehen vor einer umfassenden, systemischen Herausforderung, die technologische Innovation, politischen Willen und die Einbindung aller betroffenen Akteure erfordert.
Es fehlt eine ganzheitliche Strategie
Trotz der Heterogenität der ländlichen Regionen im gesamten Bundesgebiet haben diese Regionen gemeinsam, dass ihr Anschluss an die Verkehrsinfrastruktur im Vergleich zu urbanen Gebieten deutlich schlechter ausgeprägt ist. Dadurch gibt es auf dem Land einen hohen Anteil an straßengebundenem Transport mit entsprechenden Emissionen der größtenteils fossilen Kraftstoffe. Dies ist nicht nur hinsichtlich der Verfehlung der Emissionsminderungsziele fatal: Die ländlichen Gebiete verlieren dadurch ihre Attraktivität als Standort für produzierende Unternehmen und in der Folge auch als Lebensmittelpunkt.
Statt eines Flickenteppichs an Maßnahmen bedarf es jetzt einer ganzheitlichen Strategie, die sicherstellt, dass ländliche Räume in ihrer Gesamtheit als wertvoller Wirtschaftsstandort betrachtet werden. So können die Voraussetzungen für die Dekarbonisierung des Güterverkehrs geschaffen und die ansässige Wirtschaft befähigt werden, ihren Beitrag zur Emissionsminderung zu leisten. Staatliche Investitionen in Infrastruktur und Technologien sind hier unerlässlich, um die nationalen Klimaziele zu erreichen. Aber auch wir als Unternehmer sind bereit, in Klimaschutz zu investieren.
Umrüstung auf Bio-LNG wurde nicht honoriert
Ein Beispiel aus dem vergangenen Jahr zeigt die Problematik von Unternehmen wie unserem: Im Austausch mit unseren Vertragsspediteuren haben wir vor einigen Jahren beschlossen, die Lkw-Flotten teilweise auf nachhaltiges, emissionsarmes Bio-LNG umzurüsten. Während zum Zeitpunkt unserer Investionen die Klimafreundlichkeit von Bio-LNG durch die Mautbefreiung honoriert wurde, werden wir seit Einführung der neuen Mauterhebung trotz des CO2-neutralen Kraftstoffes mit deutlichen Mehrkosten belastet. Hier sieht man, wie abhängig wir und viele weitere Unternehmen von äußeren, vor allem politischen, Rahmenbedingungen bei der zukunftsfähigen Entwicklung des Gütertransports sind.
Wir müssen uns in unserem unternehmerischen Handeln darauf verlassen können, dass Entscheidungen nicht innerhalb weniger Jahre politisch revidiert werden. Denn Beschaffungszyklen sind in Unternehmen langfristig ausgelegt und benötigen entsprechend stabile Absicherungen. Dies gilt auch für den Wechsel auf neue Antriebstechnologien. Solange es keine klare politische Linie gibt, auf welche dieser Antriebstechnologien im Schwerlastverkehr in Zukunft gesetzt wird, werden Investitionen, mit denen die Dekarbonisierung vorangetrieben werden könnte, aufgeschoben. Es ist wichtig, auch Brückentechnologien, wie eben zum Beispiel Bio-LNG, zu betrachten, bis die notwendige Infrastruktur für batterieelektrische Lkw oder andere erneuerbare Kraftstoffe verfügbar ist.
Schiene: Nebenstrecken müssen gestärkt werden
Unser langfristiges Ziel ist es, vermehrt die Schiene zum Transport unserer Getränke zu nutzen. Um das enorme Dekarbonisierungspotenzial des Schienengüterverkehrs im ländlichen Raum zu erschließen, müssen die Nebenstrecken bewusst gestärkt werden. Sie sind ein entscheidender Hebel, um den Straßenverkehr zu reduzieren und Emissionen deutlich zu mindern.
Aus unserer Sicht muss der Schienengüterverkehr näher an die Produktion rücken, um im ländlichen Raum eine realistische Alternative zur Straße zu bieten. Damit ließe sich auch der perspektivisch weiter steigende Fahrermangel in der straßengebundenen Logistik ausgleichen. Deshalb setzen wir uns mit dem von uns initiierten Bündnis zum Ausbau der Eifelstrecke für den zweigleisigen Ausbau und somit die Ertüchtigung für den Güterverkehr der Strecke zwischen Köln und Trier ein.
Klare Leitlinien zum klimaneutralen Verkehr notwendig
Bei der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse zwischen Stadt und Land liegt der Hauptfokus bisher auf ÖPNV, Bildung oder medizinischer Versorgung. Der Stellenwert des ländlichen Raums als wichtiger Wirtschaftsstandort und -faktor sowie die Bedarfe der ländlichen Wirtschaft werden in der politischen Debatte hingegen zu wenig betrachtet. Es gibt keine politische Programmatik, die den ländlichen Raum als Lebens- und Wirtschaftsstandort adressiert. Wir glauben an den Standort und sein Potenzial. Eine eigene ministerielle Zuständigkeit für den ländlichen Raum in seiner Gesamtheit würde sicherstellen, dass der Motor der deutschen Wirtschaft zukunftsfähig bleibt.
Die Verkehrswende muss insbesondere im ländlichen Raum zielgerichtet gestaltet und aktiv vorangetrieben werden. Es braucht eine klare Strategie, die vom Ziel der Klimaneutralität bis 2045 aus entwickelt wird, kurz- und langfristiges Handeln miteinander verzahnt sowie Verkehrsträger und Infrastrukturausbau zusammen denkt und auch Brückentechnologien berücksichtigt. Je früher diese Strategie auf den Weg gebracht wird und klare Leitlinien zum klimaneutralen Verkehr der Zukunft festgelegt werden, desto effizienter und effektiver können langfristige Maßnahmen greifen und das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 erreicht werden.
Es braucht verbindliche Aussagen der Politik, welche Antriebe in Zukunft genutzt werden können und wie die entsprechende Infrastruktur aufgebaut werden soll. Uns ist bewusst, dass das ein dickes Brett ist. Wir sind uns aber sicher, dass wir mit vereinten Kräften erfolgreich sein können. Wenn jetzt gehandelt statt gewartet wird.