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Standpunkte Nachhaltigkeitsschub für die Logistik

Christoph Bornschein, CEO und Gründer der Digitalagentur TLGG
Christoph Bornschein, CEO und Gründer der Digitalagentur TLGG Foto: promo

Digitalisierung wird zum Treiber nachhaltiger Transport- und Logistiklösungen. Dabei geht es um mehr als nur elektrische Flotten, schreibt Christoph Bornschein in seinem Standpunkt. Der Geschäftsführer der Digitalagentur TLGG berät internationale Unternehmen, Marken und staatliche Institutionen bei der strategischen Nutzung digitaler Technologien.

von Christoph Bornschein

veröffentlicht am 10.11.2020

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Wer in diesen Tagen auf Twitter unterwegs ist, kann die Anzeige von Amazon kaum übersehen. Der Logistik-Riese wirbt darin für die Ausweitung seiner Elektro-Flotte. „Wir brauchen weitere Innovationen und Partnerschaften von Automobilherstellern wie Mercedes-Benz, um den Transportsektor zu dekarbonisieren und die Klimakrise zu bekämpfen", wird Jeff Bezos zitiert.

Damit ist das Thema Nachhaltigkeit im Herzen der Branche angekommen – und andere Player werden nachlegen müssen. Längst geht es nicht mehr nur um Fahrzeuge mit Elektroantrieb. Die grundsätzliche Frage, die wir beantworten müssen: Wie kann die digitale Transformation zu mehr Nachhaltigkeit des Transport- und Logistiksektors und höherer Widerstandsfähigkeit gegenüber klimabedingten Herausforderungen beitragen?

Nachhaltigkeit meint dabei mehr als die CO2-Bilanz. Es geht um die Wertschöpfung im Gleichgewicht von ökonomischer, gesellschaftlicher und ökologischer Effizienz. Konkret: Eine nachhaltige Nutzung gesellschaftlicher, natürlicher und finanzieller Ressourcen. Nur da, wo wir alles drei erfüllen, haben wir wirkliche Nachhaltigkeit erreicht.

Logistik als Querschnitt, der sämtliche Branchen verbindet

Wir können dabei nicht länger von „der Logistikbranche“ sprechen, wenn wir nach ressourcenschonenden Lösungen suchen. Denn Logistik ist – in Zukunft mehr denn je – nur als Querschnitt zu begreifen, der sämtliche Branchen miteinander verbindet.

Auf der einen Seite müssen wir also die Branche selbst auf ihre Nachhaltigkeit abklopfen. Wie funktioniert Transportlogistik? Wie organisieren wir die letzte Meile? Wie müssen wir die Intralogistik aufstellen und Lagerhaltung neu denken? Beispiele und Ansätze dafür, wie die Branche durch Digitalisierung einen Innovations- und Nachhaltigkeitsschub erleben kann – und bereits erlebt – gibt es genügend. 

Innovative Fahrzeugtechnologie – etwa softwarebasierte Fahrzeug- und Komponentenentwicklung – und Assistenzsysteme erhöhen die operative, ökonomische und ökologische Effizienz. Die Vernetzung von Fahrern, Fahrzeugen und Infrastruktur reduziert die Kosten pro Auftrag, senkt die Instandhaltungskosten, vermindert Emissionen und verhindert Unfälle. Gleichzeitig können Warte- und Arbeitszeiten reduziert werden.

Komponenten werden per Drohne geliefert

Neue Technologien optimieren zudem die Transportplanung und -durchführung und ermöglichen eine höhere Auslastung, etwa, indem das Frachtraum-Management oder die Fuhrparkverwaltung automatisiert werden. Mit intelligentem Temperaturmanagement können Güter mit unterschiedlichen Anforderungen gemeinsam transportiert werden. So vermeiden wir Leerfahrten und Zwischenstopps.

Gehen wir einen Schritt weiter, hat die Digitalisierung das Potenzial, die Dominanz des Lkw zu brechen. Schon jetzt arbeiten Unternehmen wie Cargo Sous Terrain an tunnelbasierten Transportsystemen, während der Automobilhersteller Seat Komponenten für den Fahrzeugbau per Drohne befördert. Transportprozesse werden beschleunigt, Kosten und Emissionen gesenkt – und ganz nebenbei gibt es weniger Staus, was die Lebensqualität insbesondere in Städten erhöht.

Bei aller Innovation dürfen wir eines nicht vergessen: Sie bietet auch Raum für die Verbesserung von Arbeitsbedingungen, im Waren- wie im Führerhaus, den wir nicht ungenutzt lassen dürfen. Auch Kosteneinsparungen sollten nicht nur bei den Shareholdern landen, sondern auch bei den Mitarbeitern.

Potenziale entlang der Wertschöpfungskette nutzen 

Es geht aber nicht nur um die Verbesserung logistischer Abläufe. Wenn wir Nachhaltigkeit ernst nehmen, müssen wir die Potenziale der Digitalisierung entlang der Wertschöpfungsketten nutzen. Kreislaufwirtschaft und Lieferkettenmanagement lassen sich genauso wenig von einer nachhaltigen Logistik trennen wie Fragen zu Verpackung und Recycling

Ein Beispiel ist die Vernetzung von Rückführungs- und Recyclingprozessen. Abfallbehälter werden verknüpft und die Versorgung auf Grundlage ihrer Füllmenge optimiert, Materialien können über ihren Lebenszyklus hinweg nachverfolgt werden. Recycling-Unternehmen schlüpfen zunehmend selbst in die Rolle von Rohstoff-Lieferanten und bieten digitale Dienste wie Handelsplattformen an.

Auch die Nutzung von Verpackungsmaterialien kann über digitale Plattformen in Kreislaufsysteme integriert werden, was wiederum neue Geschäftsmodelle wie Leasing- und Mietmodelle ermöglicht. Verpackungen selbst werden durch den Einsatz von E-Ink-Displays und Sensoren wiederverwendbar.

Gefragt ist vor allem Offenheit

Kern der digitalen Transformation bleibt die künstliche Intelligenz, das gilt auch in der Logistik. Autonome Systeme in Beschaffungsprozessen und Lieferketten verringern Entscheidungskomplexität und erhöhen die Prozesseffizienz schon im Einkauf, ein automatisiertes Abfall- und Entsorgungsmanagement erlaubt unternehmensübergreifend Integration. Das lässt sich auch gegenüber dem Kunden darstellen, der auf die Ökobilanz seiner Marken immer mehr Wert legt.

Um die ökonomischen, ökologischen und sozialen Potenziale der Digitalisierung – von der Nachbesserung bestehender Geschäftsmodelle bis zum Aufbau von neuen – flächendeckend zu nutzen, braucht es nicht nur Bereitschaft, Verantwortung über die Grenzen des eigenen Unternehmens hinaus zu übernehmen. Es braucht vor allem den Willen zur „Coopetition“ – die Zusammenarbeit mit Wettbewerbern, um nachhaltige Logistikkonzepte umzusetzen und Wertschöpfung gemeinsam und ganzheitlich zu denken.

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