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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte „Regionalflughäfen schließen“

Claudia Kemfert, Klimaökonomin am DIW
Claudia Kemfert, Klimaökonomin am DIW Foto: DIW

Die Coronakrise zwingt die Luftfahrt zur Klimawende, schreibt DIW-Klimaökonomin Claudia Kemfert. Im Gastbeitrag fordert sie die „mehr als überfällige“ Einführung einer Kerosinsteuer, die Abschaffung von Kurzstreckenflügen und kleinen Airports sowie den schnellen Einsatz von synthetischem Kerosin.

von Claudia Kemfert

veröffentlicht am 30.07.2020

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Die Corona-Pandemie hat bei allem Schrecklichen – den Millionen Kranken, den Tausenden Toten, dem medizinischen Leid, der sozialen Last und der wirtschaftlichen Ungewissheit  – vereinzelt auch positive Effekte. In der Luftfahrt beispielsweise könnte das Virus eine wertvolle Starthilfe für eine ansonsten eher träge gewordene Wirtschaftsbranche werden. Plötzlich sind wir Reisenden wie aus einem langen Winterschlaf gerissen.

Zuerst kamen die Verhaltensänderungen. Als Reflex auf den Selbstschutz vor der exponentiell wachsenden Ansteckung blieb nichts mehr beim Alten. Binnen weniger Wochen krempelte sich unsere bisherige Kultur um – und zwar nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Heimarbeit boomt, Videokonferenzen boomen. Das neue spontan geänderte Verhalten erweist sich – wie Provisorien so oft – als durchaus praktikable dauerhafte Lösung: Statt ins – lange geschlossene – Fitnessstudio zu gehen, nutzt man nun das Fahrrad als sportliches Verkehrsmittel. Die Städte werden ruhiger, der Stresspegel sinkt, die Luftwerte verbessern sich. Der Umsatz der Fahrradbranche explodiert.

Fliegen ist nicht mehr so gefragt 

Statt für die Teilnahme an einem Meeting eine anstrengende Zwei-Tages-Reise auf sich zu nehmen, erkennen viele jetzt die Vorteile einer Videokonferenz. Unternehmen sparen Millionen Euro ein, nicht nur weil die Mitarbeiterinnen Reisekosten sparen, sondern weil die Arbeitszeit effizienter genutzt werden kann. Die individuelle Verhaltensänderung als Massenphänomen stellt das Marktgeschehen auf den Kopf. Nicht nur Dienstreisen, auch der Tourismus ändert sich: Die Nachfrage nach Flugreisen bricht ein. Heimische Urlaubsorte werden zunehmend beliebt.

Aus Umwelt- und Klimaschutz-Sicht ist beides gut. Wirtschaftlich ist es ein Schock. Dabei steht die Flugbranche schon lange vor einem Wandel. Der Pariser Klimavertrag hatte den Luftfahrtunternehmen längst eine Senkung der Emissionen ins Pflichtenbuch geschrieben. Doch erst die Coronakrise tritt mit aller Kraft auf die Kerosin-Bremse.

Hilfspakete für die Luftfahrtbranche an Bedingungen knüpfen

Die erheblichen staatlichen Corona-Subventionen sind politisch nur noch zu rechtfertigen, wenn sich die Flugindustrie jetzt schnell und radikal für eine langfristige Marktfähigkeit neu ausrichtet. Wenn Deutschland die Lufthansa mit Milliarden rettet, darf dies nur unter der Bedingung geschehen, dass die Emissionen dauerhaft sinken. Heißt: keine Kurstreckenflüge mehr. Statt umwelt- und klimaschädliches Kerosin sollten umweltschonende wie synthetische Kraftstoffe eingesetzt werden. Und die werden aus Ökoenergien gewonnen. Wer künftig am Himmel noch Geschäfte machen will, braucht also jede Menge Ökostrom.

Insofern öffnet die Pandemie auch die Augen. Denn wer die – lange politisch gebremste Energiewende – endlich in Fahrt bringen will, kommt um Kostenwahrheit nicht drumherum. Und die lautet: Pro Jahr subventioniert Deutschland die Flugbranche mit mehr als 11 Milliarden Euro. Mit so viel Geld unter den Flügeln lässt sich kurzfristig leicht der Börsenhimmel erklimmen. Wer genauer hinsieht, wird die aktuellen Geschäftsmodelle der Luftfahrtbranche wohl eher als Luftmodelle identifizieren.

Im letzten Klimapaket hat die Bundesregierung zwar vollmundig eine Erhöhung der Luftverkehrsteuer umgesetzt, aber um lächerliche drei Euro maximal pro Flug. Solche „Mehrkosten“ halten niemanden davon ab, selbst für innerdeutsche Kurzstrecken ins Flugzeug zu steigen, wenn ein Bahnticket das Doppelte kostet. Wird beim Kauf eines Bahntickets Stromsteuer und Mehrwertsteuer fällig, muss dies für ein nicht-innerdeutsches Flugticket nicht bezahlt werden.

So werden ausgerechnet diejenigen belohnt, die sich besonders klimaschädlich verhalten. Die Kosten für Umwelt- und Klimaschäden zahlt ahnungslos die Allgemeinheit. Statt einer Förderung innerdeutscher Flugangebote brauchen wir dringend den Ausbau eines umweltfreundlichen Schnellbahnstreckennetzes

Überflüssige Regionalflughäfen abschaffen

Mehr als überfällig ist auch die lange geforderte Kerosinsteuer für internationale Flüge – auch und gerade für so genannte „Billigflieger“. Für 50 Euro um den halben Erdball zu fliegen, ist nur aufgrund sehr hoher umweltschädlicher Subventionen möglich. Deren Billig-Startrampe, unzählige eigentlich überflüssige Regionalflughäfen, werden in Deutschland mit bis zu über 100 Millionen Euro subventioniert, und diese Subventionen sollen, wie jüngst beschlossen, weiter steigen.

Nahezu keiner der Regionalflughäfen macht dauerhaft Profit, im Gegenteil: Sie werden durch Betriebskosten- und Investitionszuschüsse sowie Verlustübernahmen direkt und durch Steuererleichterungen oder Bürgschaften zusätzlich indirekt subventioniert. Das ist ökonomischer und ökologischer Unsinn. Von den sozial schädlichen Geschäftsmodellen, die vor allem von gnadenlos reduzierten Personalkosten getragen werden, ganz zu schweigen.

Corona kann uns zum Umdenken bewegen: Umwelt- und Klimaschäden müssen von denen bezahlt werden, die sie verursachen. Nicht wie jetzt von der Allgemeinheit. Nicht nur der Adler ist berühmt für seinen klaren Blick, auch der Kranich – Mottotier der deutschen Lufthansa – ist bekannt für seine Weitsicht.

Deswegen: Wer über den kurzfristigen Ertrag des Luftfahrtgeschäfts hinausdenkt, wird langfristig die Chancen einer echten Verkehrswende – inklusive Flugwende – erkennen. Sie wird diejenigen belohnen, die sich ökologisch verhalten. Und dann wächst sicher nicht nur der Kranichbestand in Deutschland, sondern auch eine Flugbranche, die einer nachhaltigen klimagerechten Zukunft ernsthaft und entschlossen entgegenstrebt.

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