Die
Corona-Pandemie hat bei allem Schrecklichen – den Millionen Kranken, den
Tausenden Toten, dem medizinischen Leid, der sozialen Last und der
wirtschaftlichen Ungewissheit – vereinzelt auch positive Effekte. In der
Luftfahrt beispielsweise könnte das Virus eine wertvolle Starthilfe für eine
ansonsten eher träge gewordene Wirtschaftsbranche werden. Plötzlich sind wir
Reisenden wie aus einem langen Winterschlaf gerissen.
Zuerst kamen die Verhaltensänderungen. Als Reflex auf den Selbstschutz vor der exponentiell wachsenden Ansteckung blieb nichts mehr beim Alten. Binnen weniger Wochen krempelte sich unsere bisherige Kultur um – und zwar nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Heimarbeit boomt, Videokonferenzen boomen. Das neue spontan geänderte Verhalten erweist sich – wie Provisorien so oft – als durchaus praktikable dauerhafte Lösung: Statt ins – lange geschlossene – Fitnessstudio zu gehen, nutzt man nun das Fahrrad als sportliches Verkehrsmittel. Die Städte werden ruhiger, der Stresspegel sinkt, die Luftwerte verbessern sich. Der Umsatz der Fahrradbranche explodiert.
Fliegen ist nicht mehr so gefragt
Statt
für die Teilnahme an einem Meeting eine anstrengende Zwei-Tages-Reise auf sich
zu nehmen, erkennen viele jetzt die Vorteile einer Videokonferenz. Unternehmen
sparen Millionen Euro ein, nicht nur weil die Mitarbeiterinnen Reisekosten
sparen, sondern weil die Arbeitszeit effizienter genutzt werden kann. Die
individuelle Verhaltensänderung als Massenphänomen stellt das Marktgeschehen
auf den Kopf. Nicht nur Dienstreisen, auch der Tourismus ändert sich: Die
Nachfrage nach Flugreisen bricht ein. Heimische Urlaubsorte werden zunehmend
beliebt.
Aus
Umwelt- und Klimaschutz-Sicht ist beides gut. Wirtschaftlich ist es ein Schock.
Dabei steht die Flugbranche schon lange vor einem Wandel. Der Pariser
Klimavertrag hatte den Luftfahrtunternehmen längst eine Senkung der Emissionen
ins Pflichtenbuch geschrieben. Doch erst die Coronakrise tritt mit aller Kraft
auf die Kerosin-Bremse.
Hilfspakete für die Luftfahrtbranche an Bedingungen knüpfen
Die erheblichen staatlichen Corona-Subventionen sind politisch nur noch zu rechtfertigen, wenn sich die Flugindustrie jetzt schnell und radikal für eine langfristige Marktfähigkeit neu ausrichtet. Wenn Deutschland die Lufthansa mit Milliarden rettet, darf dies nur unter der Bedingung geschehen, dass die Emissionen dauerhaft sinken. Heißt: keine Kurstreckenflüge mehr. Statt umwelt- und klimaschädliches Kerosin sollten umweltschonende wie synthetische Kraftstoffe eingesetzt werden. Und die werden aus Ökoenergien gewonnen. Wer künftig am Himmel noch Geschäfte machen will, braucht also jede Menge Ökostrom.
Insofern öffnet die Pandemie auch die Augen. Denn wer die – lange politisch gebremste Energiewende – endlich in Fahrt bringen will, kommt um Kostenwahrheit nicht drumherum. Und die lautet: Pro Jahr subventioniert Deutschland die Flugbranche mit mehr als 11 Milliarden Euro. Mit so viel Geld unter den Flügeln lässt sich kurzfristig leicht der Börsenhimmel erklimmen. Wer genauer hinsieht, wird die aktuellen Geschäftsmodelle der Luftfahrtbranche wohl eher als Luftmodelle identifizieren.
Im letzten Klimapaket hat die Bundesregierung zwar vollmundig eine Erhöhung der Luftverkehrsteuer umgesetzt, aber um lächerliche drei Euro maximal pro Flug. Solche „Mehrkosten“ halten niemanden davon ab, selbst für innerdeutsche Kurzstrecken ins Flugzeug zu steigen, wenn ein Bahnticket das Doppelte kostet. Wird beim Kauf eines Bahntickets Stromsteuer und Mehrwertsteuer fällig, muss dies für ein nicht-innerdeutsches Flugticket nicht bezahlt werden.
So werden ausgerechnet diejenigen belohnt, die sich besonders klimaschädlich verhalten. Die Kosten für Umwelt- und Klimaschäden zahlt ahnungslos die Allgemeinheit. Statt einer Förderung innerdeutscher Flugangebote brauchen wir dringend den Ausbau eines umweltfreundlichen Schnellbahnstreckennetzes.
Überflüssige Regionalflughäfen abschaffen
Mehr als überfällig ist auch die lange geforderte Kerosinsteuer für internationale Flüge – auch und gerade für so genannte „Billigflieger“. Für 50 Euro um den halben Erdball zu fliegen, ist nur aufgrund sehr hoher umweltschädlicher Subventionen möglich. Deren Billig-Startrampe, unzählige eigentlich überflüssige Regionalflughäfen, werden in Deutschland mit bis zu über 100 Millionen Euro subventioniert, und diese Subventionen sollen, wie jüngst beschlossen, weiter steigen.
Nahezu keiner der Regionalflughäfen macht dauerhaft Profit, im Gegenteil: Sie werden durch Betriebskosten- und Investitionszuschüsse sowie Verlustübernahmen direkt und durch Steuererleichterungen oder Bürgschaften zusätzlich indirekt subventioniert. Das ist ökonomischer und ökologischer Unsinn. Von den sozial schädlichen Geschäftsmodellen, die vor allem von gnadenlos reduzierten Personalkosten getragen werden, ganz zu schweigen.
Corona kann uns zum Umdenken bewegen: Umwelt- und Klimaschäden müssen von denen bezahlt werden, die sie verursachen. Nicht wie jetzt von der Allgemeinheit. Nicht nur der Adler ist berühmt für seinen klaren Blick, auch der Kranich – Mottotier der deutschen Lufthansa – ist bekannt für seine Weitsicht.
Deswegen:
Wer über den kurzfristigen Ertrag des Luftfahrtgeschäfts hinausdenkt, wird
langfristig die Chancen einer echten Verkehrswende – inklusive Flugwende –
erkennen. Sie wird diejenigen belohnen, die sich ökologisch verhalten. Und dann
wächst sicher nicht nur der Kranichbestand in Deutschland, sondern auch eine
Flugbranche, die einer nachhaltigen klimagerechten Zukunft ernsthaft und
entschlossen entgegenstrebt.