Der Transport- und Mobilitätssektor ist ein Wirtschaftszweig, der von der Coronakrise besonders hart getroffen wurde. Ausnahmslos bei allen Verkehrsträgern brach die Nachfrage weg. Sei es im Luftverkehr, der See- und Binnenschifffahrt, auf der Schiene oder auf der Straße. Gleichzeitig haben Transport und Logistik in dieser nie da gewesenen Krise die Lebensadern für die Bevölkerung und die Wirtschaft aufrechterhalten. Damit standen die kurzfristigen Liquiditätshilfen, rechtliche Lockerungen bei Beförderungsrichtlinien von Gütern und weitere Maßnahmen auch im Fokus der Versorgungssicherheit.
Das
Deutsche Verkehrsforum (DVF) hat vor diesem Hintergrund im Mai dieses Jahres
eine Drei-Säulen-Strategie gefordert, um den Mobilitäts- und Logistiksektor
auch langfristig auf eine stabile Grundlage zu stellen. Neben der Beseitigung
von Mobilitätshemmnissen und dem Erhalt der Liquidität muss es als dritte
Maßnahmensäule um die Gestaltung der Zukunft gehen. Vor allem im
Konjunkturpaket der Bundesregierung müssen dazu jetzt die entsprechenden langfristig
wirksamen Maßnahmen angeschoben werden. Das gleiche gilt für das europäische
Recovery-Programm und die Connecting Europe Facility (CEF).
Nach der Krise wird es ein „New Normal“ geben, das nicht nur neue Verhaltensregeln mit sich bringt und möglicherweise ein anderes Kundenverhalten, sondern auch veränderte Warenströme, ein stärkeres Resilienz- und Resistenzbewusstsein und flexiblere Produktionsbeziehungen. Wichtig sind darum Investitionen, die den Sektor „enablen“, den nächsten Quantensprung zu vollziehen, sowohl in Richtung Klimaschutz, als auch in Richtung Effizienz und Flexibilität. Darum ist es für einen „Reboot“ richtig, dass neben der Infrastruktur auch die Digitalisierung und die alternativen Antriebe und Kraftstoffe eine Rolle spielen und von der öffentlichen Hand massiv gefördert werden.
Konjunkturpaket der Bundesregierung: Noch fehlen Förderrichtlinien
Gerade bei der Digitalisierung muss es
aber neben dem milliardenschweren Projekt Breitband- und Mobilfunkausbau um
kleine Investitionen bei den Unternehmen gehen. Indem Schnittstellen
standardisiert, Technik aufgewertet und die Anbindung an Daten- und Logistikplattformen
programmiert werden, ergeben sich Booster für die Unternehmen selbst, die
langfristig wirken. Gleichzeitig werden konjunkturell auch kurzfristige Impulse
durch die Implementierung gesetzt. Bisher klafft hier eine Lücke im
Konjunkturpaket, die geschlossen werden muss. Ebenso wichtig sind Anreize zu
Flottenerneuerungen bei allen Verkehrsträgern, hier stellt die Bundesregierung
einiges in Aussicht.
Die
gut gemeinten Maßnahmen der Bundesregierung aus dem Konjunkturpaket für den
Verkehrssektor warten allerdings teilweise noch auf Förderrichtlinien, und damit
warten auch die Unternehmen. Beispielsweise steht die Konkretisierung der Anreize
zur Flottenmodernisierung bei Bussen und Lkw noch aus. Auch für Trailer und
Umrüstungen auf E-Achsen, bessere Aerodynamik oder ein Telematik-Upgrade ist noch nichts
in Sicht.
Beim Schienengüterverkehr geht es neben der Infrastruktur und die zusätzliche Streckenelektrifizierung unter anderem um die Digitale Schiene Deutschland und die Digitale Automatische Kupplung und einen verbesserten Vor- und Nachlauf, die die Güterbahnen durchstarten lassen – DB Cargo und nichtbundeseigene Bahnen gleichermaßen. Ebenfalls zügig müssen die Impulse für Schifffahrt, Häfen, Luftverkehr und Flughäfen regulatorisch vorbereitet und umgesetzt werden, um die Branche gestärkt aus der Krise in die Zukunft zu begleiten.
Kurzarbeitergeld verlängern
Auch wenn es zunächst ein kurzfristiges Instrument zur Stabilisierung ist, hat das Kurzarbeitergeld eine langfristige Wirkung. Für viele Unternehmen ist dieses Werkzeug entscheidend, da ansonsten betriebsbedingte Kündigungen anstehen und später unter hohem Zeit- und Kostenaufwand erfahrenes Personal wieder rekrutiert werden muss. Ein Hochlauf oder eine strategische Neuausrichtung würde so direkt ausgebremst. Darum hat sich das DVF in einem Brief an die zuständigen Bundesminister für eine Verlängerung des Kurzarbeitergeldes auf 24 Monate eingesetzt.
Mit Blick auf die notwendige Langfristperspektive zur Stärkung und klimafreundlichen Ausrichtung von Mobilität und Logistik sendet Brüssel derzeit die falschen Signale aus. Die Mittelkürzung der Connecting Europe Facility im mehrjährigen EU-Haushalt ist nicht förderlich für eine wirtschaftliche Erholung. Die Verkehrsinfrastruktur ist ein wichtiges Bindeglied zwischen den EU-Mitgliedern, sie stärkt den Außenhandel und unterstützt den Aufschwung in Europa.
Auch die
dadurch bedingte Verzögerung einer Entscheidung über das mehrjährige Budget und
das Recovery-Programm verhindern die notwendige Planungssicherheit. Gerade
jetzt brauchen wir die Schließung der Lücken im Transeuropäischen Verkehrsnetz
(TEN-T). Ein positives Beispiel für die Entlastung der Logistikwirtschaft hat
die EU dennoch vorzuweisen: Die Verordnung über die elektronische
Frachtinformation eFTI wurde verabschiedet und macht mittelfristig den Weg frei
für eine vollständige Digitalisierung der Informationskette und des
Informationsaustauschs zwischen Unternehmen und Behörden. Wermutstropfen für
Deutschland in diesem Bereich: Der elektronische Frachtbrief e-CMR kommt bei
uns im Gegensatz zu unseren Nachbarstaaten aktuell (noch) nicht zur Anwendung.
Dieser Dreiklang aus Liquiditätssicherung, Erhaltung der Handlungsfähigkeit im Sinne von offenen Lebensadern und einer investiven Förderung der Zukunftsbasis des Sektors muss nun dringend angegangen werden. Alle notwendigen Maßnahmen für die Mobilitäts- und Logistikwirtschaft hat das DVF in einen Coronamaßnahmen-Tracker unter lebensadernoffenhalten.de als Übersicht zusammengetragen. Das Spektrum reicht von der Aussetzung der EU-Beihilferegelungen über veränderte Abschreibungsmöglichkeiten und steuerliche Hilfen bis zur Flexibilisierung des Arbeitsrechts.
Strategien und Maßnahmen werden am heutigen Dienstag bei dem Video-Talk von Commerzbank und Deutschem Verkehrsforum „Reboot Logistics: Strategien aus der Krise“ von 16 bis 17.30 Uhr diskutiert.